william87 / Adobe Stock

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Die aktuell sowohl politisch als auch wirtschaftlich bewegten Zeiten gehen auch an den Aktienmärkten nicht spurlos vorbei. Die in den USA Mitte Oktober angelaufene Berichtssaison zum dritten Quartal beispielsweise dürfte insgesamt eher schwach ausfallen und Anleger vor neue Herausforderungen stellen. Eine hohe Kerninflation, steigende Zinsniveaus und sich immer weiter verschlechternde Konjunkturdaten sorgten bereits vor Veröffentlichung der ersten Unternehmensbilanzen für eine zum Teil deutliche Abwärtskorrektur der Analystenprognosen. Betrugen die Erwartungen für das Gewinnwachstum der Unternehmen im US-amerikanischen Leitindex S&P 500 für das dritte Quartal 2022 im Juni dieses Jahres noch 11,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, waren es Mitte Oktober nur noch 4,5 Prozent. Zwar ist ein negativer Erwartungstrend der Analystengemeinde zum Start der US-Berichtssaison nichts Ungewöhnliches. Allerdings betrug dieser im Durchschnitt der vergangenen Jahre nur etwa 4 Prozentpunkte und nicht wie aktuell annähernd 7 Prozentpunkte.

USA: Margen und US-Dollar-Kurs lasten auf Ergebnissen

Die ersten Wochen der Berichtssaison im S&P 500 scheinen die Zurückhaltung der Analystengemeinde zu bestätigen: Zwar konnten bis zum 25. Oktober 74 Prozent der Unternehmen die an sie gestellten Gewinnerwartungen übertreffen – allerdings insgesamt nur auf einem niedrigen Niveau. Das Gesamtplus lag indexweit im Schnitt bei gerade einmal 3,3 Prozent, maßgeblich getragen vom Sektor Energie, der von den zuletzt deutlich gestiegenen Preisen für Öl, Gas und Kohle naturgemäß profitieren konnte. In geringerem Maße als Gewinntreiber fungierten US-Unternehmen aus den Bereichen Industrie, zyklischer Konsum und Immobilien. Größte Verlierer sind bislang die Sektoren Kommunikationsdienstleistungen und Finanzen mit jeweils zweistelligen prozentualen Gewinnverlusten. Anders als die Gewinne konnten die Umsätze im Umfeld hoher Inflationsraten und eines nach wie vor positiven nominalen Wirtschaftswachstums über alle Sektoren hinweg gesteigert werden. Insofern dürfte der Hauptgrund für die aktuelle Wachstumsschwäche der US-Unternehmen in einem Rückgang der Margen zu finden sein, die durch die anhaltend hohe Kosteninflation bei zum Beispiel Grundstoffen und Vorprodukten sowie die insgesamt schlechte Verbraucherstimmung gedrückt werden. Zudem belastet der starke US-Dollar die Ergebnisse vieler Unternehmen aus dem S&P 500. Handelsgewichtet stieg der „Greenback“ zum dritten Quartalsende 2022 im Jahresvergleich um 11 Prozent, worunter vor allem Titel mit einem großen Anteil an Auslandsumsätzen zu leiden hatten, etwa aus dem Technologie- und Grundstoffsektor.

In Europa herrscht (noch) bessere Stimmung

In Europa ist die Berichtssaison zwar noch nicht so weit fortgeschritten wie in den USA, doch schon nachdem nur rund 20 Prozent von 322 Unternehmen aus dem Stoxx Europe 600 ihre Bilanzen vorgelegt hatten, war ein deutlicher Unterschied zum US-Aktienmarkt auszumachen. Nicht nur lag das Gewinnwachstum auf Indexebene mit 31,3 Prozent deutlich höher als im S&P 500, auch die Sektoren mit positivem Wachstum waren zahlreicher. Das dürfte grundsätzlich vor allem daran liegen, dass sich die Wirtschaft in Europa in einem früheren Zyklusstadium befindet, also die Erholung vom Corona-Abschwung im dritten Quartal noch intakt war. Hinzu kommt, dass exportorientierte europäische Unternehmen von einem aufgewerteten US-Dollar insgesamt eher profitieren: Viele europäische Produkte können auf dem Weltmarkt dadurch günstiger angeboten werden, was die Nachfrage nach ihnen sowie die Umsätze und Gewinne der entsprechenden Unternehmen steigen lässt.

Nähere Aussichten eher durchwachsen

Angesichts der anhaltenden Unsicherheiten dürfte in dieser Berichtssaison der Corporate Guidance, also den Einschätzungen der Unternehmen bezüglich ihrer Geschäftstätigkeit in der näheren Zukunft, besonders hohe Aufmerksamkeit seitens der Marktteilnehmer zuteilwerden. Die Kommentare zur erwarteten Verbrauchernachfrage, zu den Einstellungsabsichten der Unternehmen, zur Lieferkettenproblematik oder Wechselkursentwicklung könnten daher erheblichen Einfluss auf die Kursentwicklungen haben. Die Deutsche Bank erwartet, dass viele Unternehmen dies- und jenseits des Atlantiks in diesen volatilen Zeiten ihre Prognosen senken oder erst gar keine Guidance abgeben werden. Das könnte zu negativen Gewinnrevisionen führen. Die Erwartungen der Analystengemeinde für das Gewinnwachstum im S&P 500 und Stoxx Europe 600 auf Sicht von 12 Monaten liegen derzeit bei 6,6 bzw. 4,4 Prozent – vor dem Hintergrund einer steigenden Rezessionswahrscheinlichkeit scheint dies aus Sicht der Deutschen Bank zu optimistisch.

USA und Europa: schlechte Stimmung an den Aktienmärkten – gute Aussichten für risikobereite Anleger

Geduld kann sich für Anleger auszahlen

Anleger sollten bedenken, dass eine Rezession historisch gesehen durchschnittlich zu einem Rückgang des Gewinns je Aktie von 15 Prozent führt. Die Deutsche Bank sieht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine baldige milde Rezession – sowohl in Europa als auch in den USA. Es könnte zwar zu weiteren Kurskorrekturen kommen; diese sollten die Aktienmärkte in den kommenden Monaten aber auf Bewertungsniveaus bringen, die einen Einstieg wieder günstig erscheinen lassen könnten.

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Redaktionsschluss: 31. Oktober 2022, 15 Uhr