Aktien – 11.11.22
Globale Rezessionssorgen, hohe Inflationsraten, geopolitische Risiken: Das Auf und Ab an den internationalen Aktienmärkten setzt sich fort. Auch die ausklingende Berichtssaison in den USA und Europa konnte keine richtungsweisenden Impulse geben, sondern bestätigt nach Einschätzung der Deutschen Bank den durchwachsenen Ausblick für Aktien.
Der Großteil der Unternehmen, die im marktbreiten US-Leitindex S&P 500 gelistet sind, haben inzwischen ihre Bilanzen zum 3. Quartal vorgelegt. Demnach lag der Gewinn je Aktie (EPS) insgesamt 4 Prozent über den Erwartungen, während der Umsatz um 1,5 Prozent positiv überraschte. Der Anteil der Unternehmen, die die Schätzungen übertrafen, lag bei soliden 73 Prozent (EPS) und 67 Prozent (Umsatz). Wichtig für die Einordnung: Die Analysten hatten ihre Prognosen im Vorfeld der Berichtssaison bereits merklich gesenkt.
Im Vorjahresvergleich sind die berichteten Gewinne vorläufig um durchschnittlich 2,2 Prozent gestiegen. Bleibt es dabei, wäre es das fünfte Quartal in Folge mit einer Verlangsamung beim EPS-Wachstum gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr. Neben Energie- und Finanzunternehmen haben insbesondere Vertreter defensiver Sektoren wie Gesundheitswesen, Immobilien und Basiskonsum mit mehr als 5 Prozent Gewinnplus positiv überrascht. Der Energiesektor hat erneut überproportional zum aggregierten Gewinnwachstum des S&P 500 beigetragen. Industrie- und Kommunikationskonzerne verfehlten die Erwartungen hingegen deutlich.
Seit Beginn der Berichtssaison haben die Analysten ihre Schätzungen sowohl für das 4. Quartal 2022 als auch für das kommende Jahr gesenkt. Für 2023 erwarten sie nun noch ein Gewinnwachstum von 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch auch die angepasste Konsensprognose könnte vor dem Hintergrund einer wahrscheinlichen Rezession in den USA noch zu hoch gegriffen sein. Ein Rückgang der US-Wirtschaftsleistung hat in der Vergangenheit im S&P 500 zu einem durchschnittlichen EPS-Minus von 15 Prozent geführt.
In Europa haben bislang rund 60 Prozent der berichtenden STOXX Europe 600-Unternehmen die Erwartungen übertroffen. Auf dieser Basis beträgt die durchschnittliche Gewinnsteigerung vorläufig fast 31 Prozent. Neben dem Energiesektor dürften auch Versorger und Industriewerte überdurchschnittlich zum Gewinnwachstum des marktbreiten Index beitragen. Die Sektoren zyklische Konsumgüter, Basiskonsumgüter und Gesundheitswesen könnten ebenfalls ein hohes Gewinnwachstum aufweisen, während die Gewinne in den Sektoren Finanzwerte und Werkstoffe am stärksten unter Druck stehen.
Die Analysten gehen davon aus, dass das Gewinnwachstum in Europa mit rund 20 Prozent im 4. Quartal 2022 robust bleibt, bevor es sich zunächst abschwächt und im 3. Quartal 2023 stagniert. Für das Gesamtjahr wird weiterhin ein Gewinnwachstum erwartet – wie schon in den USA könnten auch in Europa die Annahmen zu optimistisch sein: Eine Rezession in den großen europäischen Volkswirtschaften ist wahrscheinlich. In diesem Szenario ist es kaum vorstellbar, dass die hohen Margen und der robuste EPS aufrecht gehalten werden können. Außerdem könnte die Unterstützung des Gewinnwachstum durch den Euro entfallen, der seinen Abwärtstrend 2023 kaum fortsetzen dürfte. Auch die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe deuten bereits auf negative EPS-Korrekturen in den kommenden Quartalen hin. Ein Rückgang im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich erscheint durchaus realistisch.
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Redaktionsschluss: 04.11.2022, 18 Uhr