Renten – 10.10.22

Keine Entspannung in Sicht

Die wichtigsten Fakten:

  • Der so auch erwartete Wahlausgang in Italien hat keine Turbulenzen an den Anleihemärkten ausgelöst.
  • Ein Abbau des Staatsanleiheportfolios der EZB könnte am langen Ende zu steigenden Renditen beitragen.
  • EU-Anleihen sind bonitätsstark und bieten eine höhere Rendite als vergleichbare Bundesanleihen.

Quelle: Mark Wilson / Getty Images

In Italien hat erwartungsgemäß das Mitte-Rechts-Bündnis unter Führung von Giorgia Meloni und ihrer Partei Fratelli d‘Italia (Brüder Italiens) die vorgezogenen Parlamentswahlen gewonnen. Meloni plant eine Koalition mit der ebenfalls rechtsgerichteten Lega von Ex-Innenminister Salvini und Forza Italia, Partei des früheren Ministerpräsidenten Berlusconi. Befürchtungen, der Wahlausgang könnte zu erheblichen Turbulenzen an den Kapitalmärkten führen, haben sich nicht bestätigt – auch das schwache Abschneiden von Salvinis Lega dürfte das Risiko einer unberechenbaren Politik reduzieren. Anders als 2011 und 2018 scheint eine Konfrontation einer rechtsgerichteten Regierung mit der Europäischen Union ohnehin eher unwahrscheinlich, weil die Parteien planen, den Konjunktur- und Abwicklungsfonds (RRF) sowie den NextGenerationEU-Fonds voll auszuschöpfen.

Die Kapitalmarktzinsen in Italien legten am Tag nach der Wahl leicht zu, bei langen Laufzeiten aber weniger stark als in Deutschland. Dort kletterten 10-jährige Bundesanleihen bis auf 2,13 Prozent – und markierten den höchsten Stand seit 2011. Die italienischen Pendants rentierten knapp unter 4,5 Prozent. Ihr Renditeabstand zu den Bundesanleihen verringerte sich auf rund 2,35 Prozent – und weitete sich erst in den Folgetagen in einem turbulenten Marktumfeld etwas aus. Angesichts der hohen Staatsverschuldung und struktureller Schwächen der italienischen Wirtschaft werden die Marktteilnehmer die weiteren Entwicklungen aber im Blick behalten.

Der Renditeanstieg in Europa hat sich fortgesetzt

Quelle: Refinitiv Datastream. Stand: 29.09.2022. Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Höhere Renditen

An den Anleihemärkten dürfte sich der Aufwärtstrend bei den Renditen in den nächsten Monaten fortsetzen. Angesichts der hohen Inflation sind weitere kräftige Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) absehbar, die bei Staatspapieren kürzerer Laufzeit zu einem Renditeanstieg führen. Perspektivisch könnte die EZB aber auch für Aufwärtsdruck am langen Ende sorgen, sobald die Währungshüter mit dem Abbau ihrer Bilanz beginnen.

Das EZB-Staatsanleiheportfolio umfasst ein Volumen von 4,4 Billionen Euro. Zwar dürften die bis Ende 2024 fällig werdenden Papiere aus dem Pandemie-Nothilfeankaufprogramm PEPP durch neue ersetzt werden. Doch die meisten Staatsanleihen hat die EZB im Rahmen des regulären Anleiheprogramms gekauft – insgesamt wurden hier Papiere im Volumen von mehr als 2,74 Billionen Euro erworben. Dementsprechend groß ist mit bis zu 300 Milliarden Euro das potenzielle Volumen an Bonds, die pro Jahr fällig werden. Selbst eine schrittweise Reduzierung der EZB-Ankäufe dürfte mittelfristig den Markt belasten. Der Grund: Die Eurostaaten werden zur finanziellen Bewältigung der Energiekrise voraussichtlich mehr Anleihen emittieren.

„Hohe Renditen und erstklassige Bonität: EU-Anleihen als interessante Anlagemöglichkeiten.“

Mögliche Alternativen

Unterdessen bekommen die Eurostaaten zunehmend Konkurrenz im Wettlauf um Gläubiger: Die EU ist zu einem der größten Teilnehmer am Markt für Staatsanleihen und andere Papiere aus dem öffentlichen Sektor in Europa aufgestiegen. Seit Juni 2021 hat sie zur Finanzierung des Wiederaufbaufonds Anleihen im Volumen von insgesamt knapp 145 Milliarden Euro begeben. Bis 2026 könnte das Marktvolumen über 800 Milliarden Euro erreichen, wenn die Hilfsgelder aus dem Wiederaufbaufonds in geplanter Höhe abgerufen werden. Im Euroraum dürften dann nur noch Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien mehr Anleihen in Umlauf gebracht haben als die EU. Gemeinschaftspapiere mit 5 Jahren Laufzeit rentieren aktuell bei 2,6 Prozent – und damit rund 50 Basispunkte höher als Bundesanleihen gleicher Laufzeit. Für Zinsanleger eine interessante Option, denn die Bonität der EU-Anleihen ist ebenfalls erstklassig.

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Redaktionsschluss: 06.10.2022, 18.00 Uhr