Volkswirtschaft – 07.12.22

Volkswirtschaft: Überraschend widerstandsfähig

Die wichtigsten Fakten:

  • Es verdichten sich die Hinweise, dass die hohe Inflation in den USA auf dem Rückzug ist. Eine Konjunkturüberhitzung bleibt aber das größte Risiko für die US-Wirtschaft.
  • Das in den ersten drei Quartalen robuste Wachstum in der Eurozone schwächt sich bereits ab. Eine schwere Rezession ist aktuell aber nicht wahrscheinlich.

Quelle: tawatchai1990 / Adobe Stock

Der Inflationsdruck in den USA hat sich zuletzt verringert: Die Teuerungsrate fiel im Jahresvergleich von 8,2 Prozent im September auf 7,7 Prozent im Oktober. Ökonomen hatten im Vorfeld der Veröffentlichung lediglich mit einem Rückgang auf 7,9 Prozent gerechnet. Im Vergleich zum Vormonat lag der Anstieg der Verbraucherpreise bei 0,4 Prozent. Bemerkenswert ist die Entwicklung der Kerninflationsrate (ohne Energie und Lebensmittel), die ebenfalls deutlicher als erwartet von 6,6 Prozent auf 6,3 Prozent gesunken ist. Auffällig hoch bleiben allerdings die Wohnkosten: plus 0,8 Prozent gegenüber dem Vormonat. Die jüngsten Daten könnten ein erster Hinweis darauf sein, dass auch die US-Kerninflationsrate auf dem Rückzug ist. Die Verbraucherpreisinflation könnte für das Gesamtjahr 2023 auf 4,1 Prozent sinken.

Starker Konsum

Der für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA wichtige Arbeitsmarkt ist weiterhin robust – ein massiver Stellenabbau dürfte in den kommenden Monaten selbst bei einer Konjunkturabschwächung ausbleiben. Davon profitiert auch der US-Einzelhandel. Im Vergleich zum Vormonat sind die Umsätze im Oktober um 1,3 Prozent gestiegen. Trotz des weiterhin hohen Preisdrucks erweist sich der Konsum in der größten Volkswirtschaft der Welt als überraschend widerstandsfähig.

Von einer signifikanten Verlangsamung der ökonomischen Aktivität in den USA kann aktuell jedenfalls keine Rede sein. Eine Schätzung der regionalen Notenbank in Atlanta prognostiziert derzeit auf Basis der Datenlage ein annualisiertes BIP-Wachstum von 4 Prozent im 4. Quartal gegenüber dem Vorquartal. Die Deutsche Bank erwartet für das Gesamtjahr 2022 einen Zuwachs von 1,8 Prozent und für 2023 von 0,4 Prozent.

Im kommenden Jahr wird die US-Wirtschaft im 1. Halbjahr zwar voraussichtlich in eine leichte reale Rezession abgleiten – die inflationsbereinigte Wirtschaftsleistung also schrumpfen. Das nominale Wachstum dürfte aber zulegen. Das größte Abwärtsrisiko in den USA bleibt mittelfristig eine Überhitzung der Konjunktur in Verbindung mit einer hohen Inflation. Sollte der Inflationsdruck nicht weiter nachlassen, könnte die US-Notenbank Fed zusätzliche Zinserhöhungen beschließen. In diesem Jahr dürfte noch ein weiterer Schritt um 50 Basispunkte erfolgen.

Produktivitätswachstum führt zu nachhaltigem Wachstum

Quelle: Feenstra et al. (2015), Penn World Table 10.0. Stand: November 2022 – Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Hohe Inflation

In der Eurozone ist das BIP in den ersten drei Quartalen des Jahres gewachsen. Wesentliche Treiber waren die Lockerung von Corona-Maßnahmen, intaktere globale Lieferketten und fiskalische Anreize. Im September überraschten die Einzelhandelsumsätze. Das saisonbereinigte Absatzvolumen legte gegenüber August um 0,4 Prozent zu, fiel aber auf Jahressicht um 0,6 Prozent. Die Deutsche Bank geht davon aus, dass sich das europäische Wirtschaftswachstum bereits verlangsamt, weil die hohe Inflation den privaten Verbrauch bremst. Außerdem dürften hohe Energiepreise die Kosten der Unternehmen und ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften die Produktionsseite beeinträchtigen.

Eine Rezession, die im 4. Quartal 2022 beginnt und zwei Quartale andauern wird, gilt als wahrscheinlich. Private Ersparnisse und öffentliche Leistungen sollten jedoch verhindern, dass Europa in eine schwere Krise abrutscht. Insbesondere die hohen Energiepreise verringern das verfügbare Einkommen und dürften den privaten realen Verbrauch auch 2023 belasten. Risiken, die sich aus hohen Energieprisen und eine schwächere Konjunktur in China ergeben können, bleiben bestehen. Für das Gesamtjahr 2022 wird ein BIP-Anstieg um 3,2 Prozent und für 2023 noch um 0,3 Prozent prognostiziert.

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Redaktionsschluss: 02.12.2022, 18 Uhr