Volkswirtschaft – 16.01.23

Volkswirtschaft: „weiche Landung“ möglich

Die wichtigsten Fakten:

  • In Europa und den USA ist im 1. Quartal 2023 eine milde Rezession wahrscheinlich.
  • Für das Wachstum insbesondere in der Eurozone bleiben hohe Preise für Energierohstoffe ein großer Risikofaktor.
  • Chinas Regierung hat eine Reihe von Eckpunkten beschlossen, um die Wirtschaft zu unterstützen.

Quelle: tawatchai1990 / Adobe Stock

Die globale Konjunkturdynamik dürfte sich kurzfristig weiter abschwächen. Dabei steckt vor allem Europa in einem Dilemma. Einerseits versucht die Europäische Zentralbank mit kräftigen Leitzinserhöhungen der Inflation Herr zu werden. Andererseits federn die Euroländer mit ihrer expansiven Fiskalpolitik die Auswirkungen der Energiekrise für Unternehmen und Privathaushalte ab. So plant Deutschland für 2023 fiskalische Maßnahmen im Umfang von rund 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In diesem Umfeld geht die Deutsche Bank für die Eurozone zunächst von einer milden Rezession mit einer sich anschließenden graduellen Konjunkturerholung ab dem 2. Quartal aus. Für das Gesamtjahr 2023 könnte das BIP-Wachstum etwa 0,3 Prozent erreichen. 

„Trotz Rezession bis zum Frühjahr: fürs Gesamtjahr 2023 leichtes BIP-Plus in der Eurozone und in den USA erwartet.“

Teure Brennstoffe

Größter Risikofaktor bleibt die Energiekrise mit steigenden Rohstoffpreisen und einer möglichen Gasmangellage im Winter 2023/2024. Was Gas betrifft, macht unter anderem der voranschreitende Ausbau der Infrastruktur zur Lieferung von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) in Deutschland Mut. Auch langfristig setzt die Bundesregierung auf verflüssigtes Gas: 2026 tritt ein 15 Jahre laufendes Lieferabkommen mit Katar in Kraft.

Eine Rückkehr zu Energiepreisen auf Vor-Pandemie-Niveau wird es bei fossilen Brennstoffen aber auf absehbare Zeit nicht geben – auch nicht bei Rohöl: Die erwartete Konjunkturbelebung in China, begrenzte Fördermengen des Öl-Kartells OPEC+, zu geringe Förderkapazitäten großer Ölunternehmen sowie die Versuche der EU und USA, russisches Öl vom Markt zu verdrängen, könnten zu steigenden Notierungen führen. 

Unterdessen scheint in den USA eine „weiche Landung“ der Wirtschaft möglich. Für eine deutliche Wachstumsverlangsamung ohne signifikanten Anstieg der Arbeitslosigkeit spricht aktuell die nach wie vor hohe Zahl offener Stellen. Dabei könnten anhaltend rückläufige US-Inflationsraten den Fokus der Notenbank Federal Reserve (Fed) wieder stärker auf die Wirtschaftsentwicklung lenken. Die Leitzinsanhebungen dürften geringer ausfallen als über weite Strecken im vergangenen Jahr. Die Deutsche Bank erwartet zum Ende des 1. Quartals 2023 den Höchststand der US-Leitzinsen im laufenden Zyklus (5 Prozent – 5,25 Prozent). Sofern die Teuerungsraten weiter sinken, könnte die US-Wirtschaft im 2. Halbjahr wieder anziehen und im Gesamtjahr dann um rund 0,4 Prozent wachsen.

Inflationserwartungen an den Kapitalmärkten

Quelle: Bloomberg LP, Stand: 05.01.2023 – Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Mehr Dynamik

Während das BIP in Japan nach geschätzten 1,6 Prozent im vergangenen Jahr 2023 um solide 1,2 Prozent steigen könnte, dürfte die konjunkturelle Dynamik in China wieder deutlich zulegen. Ein BIP-Plus von rund 5 Prozent erscheint möglich – 2022 waren es wohl nur 3,3 Prozent. Klar ist aber auch: China steht 2023 vor großen Herausforderungen. In diesem Zusammenhang ist die auf der jährlichen zentralen Arbeitskonferenz zur Wirtschaft (CEWC) beschlossene Priorisierung der wirtschaftlichen Unterstützung auch eine gute Nachricht für den Rest der Welt – immerhin macht China knapp ein Fünftel der globalen Wirtschaftskraft aus.

Pekings Pläne umfassen für 2023 neben einer Ankurbelung der inländischen Konsumnachfrage auch die beschleunigte Entwicklung moderner Produktionssysteme, die Unterstützung privater und staatlicher Unternehmen sowie die Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Exportunternehmen. Regulatorische Lockerungen für ausländische Direktinvestitionen und Chinas Internet-Plattformunternehmen könnten zur Schaffung dringend benötigter zusätzlicher Arbeitsplätze beitragen. Darüber hinaus sollen die Nachfrage nach Wohnimmobilien gestärkt und Maßnahmen zur Begrenzung finanzieller Risiken ergriffen werden.

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Redaktionsschluss: 06.01.2023, 18 Uhr