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Volkswirtschaft / Geldpolitik – 02.09.21

Anleihen: kein geldpolitisches Chaos in Sicht

Die wichtigsten Fakten:

  • Fed hält an abwartender geldpolitischer Haltung fest
  • Mögliche Straffung nicht zwangsläufig Signal für Leitzinserhöhung
  • Moderate Renditeanstiege und Kursverluste mittelfristig möglich

Der 22. Mai 2013 ist in den Köpfen vieler Marktteilnehmer noch immer präsent: Auf einer Kongressanhörung verkündete der damalige US-Notenbankchef Ben Bernanke, dass die Fed im Zuge einer anhaltenden Erholung am US-Arbeitsmarkt auf einem ihrer kommenden Meetings den Ankauf von Anleihen reduzieren könnte. Die Märkte reagierten panisch: Kursverluste am Anleihemarkt waren die Folge und bis Jahresende stiegen die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen um mehr als einen Prozentpunkt. Grund für dieses als „Taper Tantrum“ (nach engl. „to taper“ für reduzieren und „tantrum“ für Wutanfall) bekannte Ereignis war neben der geplanten Reduzierung der Anleihekäufe auch die Tatsache, dass die Fed die Marktteilnehmer auf dieses Szenario nicht vorbereitet hatte.

Fed bereitet Marktteilnehmer vor

Aktuell steht die Fed erneut vor einer Reduzierung ihrer Anleihekäufe. Mit einem neuerlichen „Taper Tantrum“ und damit einhergehenden starken Kursverlusten ist allerdings nicht zu rechnen. Denn im Vergleich zu 2013 sind die wirtschaftlichen Fundamentaldaten grundlegend andere: Die Arbeitslosigkeit ist heute deutlich niedriger und die Inflationsraten und -erwartungen deutlich höher. Das berührt die beiden hauptsächlichen Ziele der Fed – nämlich Vollbeschäftigung und Preisstabilität – und macht ein allmähliches Auslaufen der Anleihekäufe nachvollziehbar: Der Arbeitsmarkt erscheint mittlerweile wieder robust genug, um einen baldigen Wegfall der konjunkturellen Stimuli zu verkraften, und auf die hohen Inflationsraten hätte ein solcher Schritt eine dämpfende Wirkung.

Gegen eine bevorstehende Panik an den Anleihemärkten spricht auch, dass die Fed die Marktteilnehmer dieses Mal entsprechend vorbereitet. Bereits im Juli deutete Notenbankchef Jerome Powell an, dass das Kaufvolumen von monatlich 120 Milliarden US-Dollar im Umfeld einer starken wirtschaftlichen Erholung, sich verbessernder Arbeitsmarktdaten sowie ungewöhnlich hoher fiskalischer Stimuli und Inflationsraten zu groß sein dürfte.

„Gut vorbereitet von der Fed: trotz eines möglichen
geldpolitischen Wandels relative Ruhe an den Anleihemärkten.“

Breiter Konsens über den Zeitplan

Die Analystengemeinde geht aktuell davon aus, dass es nach der Fed-Sitzung im November erste Hinweise auf einen Tapering-Start noch im Dezember geben könnte. Bei einer möglichen monatlichen Reduzierung um 15 Milliarden US-Dollar – jeweils 10 Milliarden Dollar Staatsanleihen und 5 Milliarden Dollar Hypothekenanleihen - wären die Anleihekäufe im Sommer 2022 beendet. Erste Leitzinserhöhungen könnten dann im vierten Quartal des kommenden Jahres erfolgen.

Größere Verwerfungen unwahrscheinlich

Ein solches Szenario scheint derzeit in den Anleihekursen eingepreist zu sein und dürfte Investoren daher nicht weiter verschrecken. Letztlich entscheidend für die Entwicklung an den Anleihemärkten wird jedoch sein, wie hoch die Marktteilnehmer die finale Leitzinsrate einschätzen und in welchem Tempo die Zinsschritte getätigt werden. Selbst ein über den Erwartungen der Marktteilnehmer liegender Leitzins von 2,5 Prozent, wie ihn der Offenmarktausschuss der Fed prognostiziert, sollte Anleger nicht zu sehr beunruhigen, solange die Schritte erwartungsgemäß mindestens in Drei-Monats-Abständen erfolgen und jeweils 0,25 Prozentpunkte betragen.

Hinzu kommt, dass das Auslaufen des Fed-Ankaufprogramms gar nicht zwangsläufig zu stärker steigenden Renditen führen muss. Sollten sich die Steuereinnahmen durch die konjunkturelle Erholung erhöhen und einige pandemiebedingte Fiskalstimuli auslaufen, würde sich das Angebot an US-Staatsanleihen in den Folgejahren verringern, den Renditeanstieg dämpfen und die Anleihekurse stützen. Voraussetzung ist hierfür, dass das billionenschwere Infrastrukturpaket der US-Regierung wie von ihr geplant mit Steuererhöhungen gegenfinanziert werden kann. Insgesamt erwartet die Analystengemeinde einen Renditeanstieg bei 10-jährigen US-Staatsanleihen von rund 0,1 bis maximal 0,3 Prozentpunkten je Leitzinsschritt.

Anleihen zur aktiven Risikosteuerung interessant

Zwar erscheint in den kommenden Monaten eine Zunahme der Volatilität an den Anleihemärkten wahrscheinlich – größere Verwerfungen wie 2013 allerdings eher nicht. Für entsprechend risikobereite Anleger bleiben Rentenpapiere im Rahmen einer aktiven Portfolio-Risikostreuung daher eine interessante Wahl, beispielsweise in Form aktiv gemanagter Fonds mit Anleihen kurzer Duration.

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Redaktionsschluss: 01.09.2021, 12:00 Uhr