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Aktien – 21.04.21

Bremsen Lockdowns die europäische Konjunkturerholung aus?

Die wichtigsten Fakten:

  • Corona-Restriktionen verzögern die Konjunkturerholung in Europa
  • Dienstleistungssektor ist erneut am stärksten betroffen
  • Europäische Aktienmärkte bieten weiter Aufholpotenzial

In vielen Ländern der Eurozone ist die Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen zuletzt wieder stark angestiegen. Einige Staaten haben deshalb ihre Kontaktbeschränkungen und Restriktionen für bestimmte Wirtschaftsbereiche verlängert oder sogar noch verschärft. In Frankreich etwa gilt seit dem 1. April für zunächst vier Wochen erneut ein landesweiter Lockdown – inklusive Ausgangsbeschränkungen und der Schließung aller nicht lebensnotwendigen Geschäfte sowie der Schulen. In Österreich wurde der Lockdown für einige Bundesländer kürzlich bis Anfang Mai verlängert. Auch in einigen deutschen Bundesländern wurden bereits geltende Beschränkungen jüngst noch einmal fortgeführt oder verschärft. Mecklenburg-Vorpommern etwa verhängte ab dem 19. April erneut einen harten Lockdown.

Wirtschaftlich betroffen sind von den aktuellen Lockdowns europaweit erneut vor allem Betriebe des Dienstleistungssektors. Für den nicht lebensnotwendigen Einzelhandel oder die Gastronomie beispielsweise sind nennenswerte Öffnungsschritte in Regionen mit aktuell hohen Infektionszahlen vor Ende Mai kaum zu erwarten. Die Erholung des Tourismus und damit verbundener Wirtschaftsbereiche dürfte vielerorts noch länger dauern.

Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen Corona-Maßnahmen für die Eurozone könnten sich dennoch in Grenzen halten. Insgesamt dürfte sich der bereits begonnene Aufschwung – wenn auch verlangsamt – fortsetzen, mit entsprechendem Aufholpotenzial für die Aktienmärkte: Die Analysten haben ihre Prognosen für die Quartalsgewinne europäischer Unternehmen zwischen Januar und April sukzessive angehoben, insgesamt um 20 Prozent. Zum Vorjahr erwarten sie nun im ersten Quartal ein Gewinnwachstum von über 50 Prozent, für 2021 liegt die Prognose bei plus 37 Prozent.

Lockdown-Effekte: wirtschaftlich überschaubar

Grund zur Hoffnung gibt, dass sich die jüngsten Beschränkungen insgesamt bei Weitem nicht mehr so stark auf die wirtschaftlichen Aktivitäten auswirkten wie bei vorangegangenen Lockdowns. Während die Wirtschaftsleistung im privatwirtschaftlichen Dienstleistungssektor im ersten Quartal 2021 noch rund zehn Prozent unterhalb des Vorkrisenniveaus lag, haben andere Sektoren, insbesondere die Industrie und die Bauwirtschaft, ihr altes Produktionsniveau schon fast wieder erreicht. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe im Euroraum stieg von Januar bis März von 54,8 auf ein Rekordniveau von 62,5. Spürbar zulegen konnte im selben Zeitraum aber auch der entsprechende Wert für den Dienstleistungsbereich, von 45,4 auf 49,6. Auf weniger starke wirtschaftliche Auswirkungen der aktuellen Beschränkungen weist zudem der kontinuierliche Anstieg der Mobilitätsindikatoren seit Jahresbeginn hin.

„Europa: Lockdowns verzögern Konjunkturerholung –
 Aktienmärkte weiterhin mit Aufholpotenzial"

Hoffnungen für den Tourismussektor ab Sommer

Eine Verlängerung von Lockdowns in großen Mitgliedsstaaten um einen weiteren Monat dürfte nach Meinung der Deutschen Bank das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im Euroraum auf das Jahr gerechnet nur mit etwa einem Viertelprozentpunkt belasten. Konsensprognosen, dass die Wirtschaftsleistung im Euroraum im dritten Quartal 2021 erst rund 96 Prozent des Vorkrisenniveaus erreichen wird, erscheinen vor diesem Hintergrund zu tief gegriffen. Zumal die konjunkturelle Entwicklung in südeuropäischen Ländern wie Italien und Spanien besser laufen könnte als erwartet, wenn es – auch mithilfe des geplanten EU-Impfpasses – gelingt, ab dem Sommer wieder in größerem Umfang touristische Reisen zu ermöglichen. Italien etwa gehört zu den Ländern, die – mit Ausnahme von Sardinien – aufgrund sinkender Infektionszahlen zuletzt die Corona-Beschränkungen bereits wieder lockern konnten. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz stellte für Mai erste landesweite Öffnungsschritte für Tourismus, Gastronomie, Kultur und Sport in Aussicht. Ähnliche Hoffnungen machte zuletzt auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seinen Landsleuten. Die Chance, dass das Ende des Winterwetters wie im vergangenen Jahr zu sinkenden Infektionszahlen beiträgt, sowie eine erwartete Impfquote in der Europäischen Union von rund 50 Prozent bis Ende Juni und 70 Prozent bis Ende August dürften weitere Lockerungen wahrscheinlich machen.

Corona-Ersparnisse könnten Konsum beflügeln

Nicht zuletzt spricht einiges dafür, dass die Verlängerung der Lockdowns im Nachgang eine umso größere Erholung der Konjunktur im Euroraum nach sich zieht. Auch dank der umfangreichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen haben die Ersparnisse der privaten Haushalte in der Corona-Pandemie stark zugenommen. In Deutschland etwa stieg die Sparquote 2020 auf ein Rekordhoch von 16,3 Prozent. Das Geldvermögen der privaten Haushalte wuchs auf ein Rekordhoch von 6,95 Billionen Euro an. Verantwortlich waren dafür laut der Deutschen Bundesbank insbesondere der Anstieg von Bargeldreserven und Einlagen sowie die Bewertungsgewinne bei Aktien und sonstigen Anteilsrechten. Ein deutlicher Anteil der Ersparnisse dürfte nach der Lockerung von Beschränkungen in den Konsum fließen.

Vieles hängt am Impfen

Doch es bleiben Risiken. Negative Auswirkungen für die Konjunkturentwicklung im Jahresverlauf könnten zum Beispiel von erneuten Schwierigkeiten bei der Lieferung und Verteilung der Impfstoffe ausgehen. Als Dämpfer könnten sich zudem eine zu zögerliche Öffnung der Wirtschaft sowie Verzögerungen bei der Implementierung des EU-Wiederaufbaufonds erweisen.

Die Deutsche Bank geht davon aus, dass die europäischen Aktienmärkte Anlegern mit entsprechender Risikobereitschaft im Zuge der vorgenannten Entwicklungen im laufenden Jahr interessante Investmentchancen bieten könnten. Dabei gilt es neben den weiter bestehenden Risiken in Verbindung mit der Coronavirus-Pandemie zu berücksichtigen, dass die Erwartungen an einen Konjunkturaufschwung in den Kursen zum Teil bereits eingepreist sein dürften.

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Redaktionsschluss: 20.04.2021, 12:00 Uhr