Chinas Immobilienkrise: keine schnelle Lösung in Sicht

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Aktien / Volkswirtschaft / Geldpolitik – 28.09.21

Chinas Immobilienkrise: keine schnelle Lösung in Sicht

Die wichtigsten Fakten:

  • Anzeichen für schwächeres Wirtschaftswachstum in China nehmen zu
  • Wichtiger Immobilienmarkt aktuell besonders stark unter Druck
  • Kurzfristige Kursturbulenzen möglich, langfristige Investmentaussichten intakt

Viele wichtige Konjunkturindikatoren Chinas haben in den vergangenen Wochen und Monaten die Marktteilnehmer enttäuscht. Sowohl die Einzelhandelsumsätze als auch die Industrieproduktion, die Autoverkäufe und die Umsätze im Dienstleistungssektor blieben zuletzt zum Teil deutlich hinter den Erwartungen zurück. Gründe für diese Entwicklungen sind die jüngsten COVID-Ausbrüche im Land und die strikte „No-COVID“-Strategie der Regierung in Peking sowie Lieferengpässe bei wichtigen Vorprodukten. Diese Einmal- und Basiseffekte dürften jedoch nicht allein für die eher enttäuschenden Daten verantwortlich sein. Vielmehr scheint es, als könne es sich um den Beginn einer längerfristigen Wachstumsschwäche im Reich der Mitte handeln. Das wird unter anderem beim Blick auf den chinesischen Immobilienmarkt deutlich, der für mehr als ein Viertel der Wirtschaftsleistung des Landes und rund 40 Prozent der Vermögenswerte privater Haushalte steht.

Immobilienkrise mit Vorlauf

Die Mitte September bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten beim größten chinesischen Immobilienentwickler dürften nur das bislang eindeutigste Symptom eines bereits länger andauernden Prozesses sein, der mit der Festlegung „roter Linien“ für den Immobiliensektor im August 2020 Fahrt aufnahm. Die Regierung in Peking beschloss damals, der Verschuldungsproblematik im Immobiliensektor durch strengere Richtlinien etwa bei der Kreditaufnahme entgegenzutreten. In der Folge kam es zu Bewertungsabschlägen und „Immobiliennotverkäufen“ schwächerer chinesischer Immobilienentwickler, um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können. Bereits im ersten Halbjahr 2021 gingen am chinesischen Anleihemarkt fast ein Drittel aller Ausfälle auf das Konto von Immobilienfirmen.

Investitionen gehen zurück

Nun scheinen auch die Transaktionen bei Wohnimmobilien im Land deutlich zurückzugehen ¬– trotz Lockerungen bei den Kontaktbeschränkungen. In den ersten beiden September-Wochen sanken in den Top-30-Städten die Umsätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22 Prozent, was bereits zu einer spürbaren Verlangsamung der Investitionstätigkeit im Sektor geführt hat. Weniger Immobilieninvestitionen und Wohnungsneubauten sowie eine zyklisch bedingte Abnahme der Baufertigstellungen wirken sich nicht nur negativ auf die Beschäftigung im Bausektor und die Nachfrage nach Baumaterialien aus: Mit einiger Verzögerung sind auch Branchen wie Möbel und Haushaltsgeräte sowie über abnehmende Baulandverkäufe die Steuereinnahmen der lokalen Gebietskörperschaften betroffen. Insgesamt könnte diese Gemengelage geringere öffentliche Investitionen in Höhe von 1,0 Prozent bis 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nach sich ziehen und die antizyklische Infrastrukturpolitik Pekings spürbar schwächen.

Druck auf das Bruttoinlandsprodukt

Für die chinesische Wirtschaft sind diese Entwicklungen ein zusätzlicher Dämpfer. Zwar hatte die Analystengemeinde eine gewisse Abkühlung im Immobiliensektor bei ihren Wachstumsprognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten und vierten Quartal 2021 bereits berücksichtigt. Durch die hohe Dynamik des Abschwungs könnten die BIP-Zahlen jedoch weiter nach unten revidiert werden. Entsprechend stark könnte die Regierung in Peking eingreifen, um das Marktvertrauen zu stärken ¬– wie sie es bereits in vergangenen Krisenphasen immer wieder erfolgreich getan hat. Die chinesische Zentralbank hatte durch die vollständige Verlängerung kurzfristiger Kreditprogramme in Höhe von umgerechnet 93 Milliarden US-Dollar jüngst bereits ein entsprechendes Signal gesendet.

Sollte die chinesische Wirtschaft sich stärker abkühlen als erwartet, hätte das auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Insbesondere Europa mit seiner vergleichsweise hohen Exportabhängigkeit und Rohstoffexporteure vor allem aus dem Bereich der Schwellenländer hätten unter einer solchen Entwicklung zu leiden.

„Trotz Wachstumsschwäche: Warum China langfristig ein interessantes Investmentziel bleibt."

Auswirkungen für Anleger begrenzt

Kurz- und mittelfristig dürfte die Lage am chinesischen Immobilienmarkt angespannt bleiben und die Marktschwankungen an den chinesischen Kapitalmärkten befeuern. Denn die Entschuldung wird einige Zeit benötigen. Entsprechend hoch schätzt die Deutsche Bank aktuell die Risiken etwa am Aktienmarkt Chinas ein. Hinzu kommen die Unsicherheiten bezüglich staatlicher Eingriffe in die wirtschaftlichen Aktivitäten einzelner Unternehmen oder ganzer Branchen, wie sie im früheren Jahresverlauf beispielsweise im Bildungs- und Techsektor zu beobachten waren. Da die Finanzmärkte im Reich der Mitte nach wie vor ein weitestgehend abgeschlossenes System bilden, dürften sich die direkten Folgen für die internationalen Aktienmärkte allerdings in Grenzen halten. Einer möglichen Wachstumsschwäche der chinesischen Wirtschaft könnten sich jedoch auch viele Unternehmen außerhalb Chinas wohl kaum entziehen.

Langfristig dürfte China für entsprechend risikobereite Anleger ein interessantes Investmentziel bleiben. Seine wirtschaftliche Stärke sollte das Land auf die Erfolgsspur zurückführen. Auch die für eine Eindämmung der Verschuldungsproblematik notwendig erscheinende strengere Regulatorik im Immobiliensektor ist ein positives Signal.

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Redaktionsschluss: 27.09.2021, 12:00 Uhr