Aktien – 12.11.20
Quelle: Sebastian Rothe / EyeEm / Getty Images
Der Markt für Elektroautos boomt: Schon im kommenden Jahr könnten 3 Prozent aller weltweit verkauften Autos einen elektrischen Antrieb haben – 2019 lag ihr Anteil noch bei 1,7 Prozent. 2030 könnte sogar bereits jedes vierte weltweit neu zugelassene Auto mit Strom angetrieben werden. Aktuell produzieren schon mehr als 250 Unternehmen Elektromotoren und weltweit befinden sich 47 Großfabriken für die Batterieherstellung im Bau. Bis 2025 wird nach Schätzungen von Analysten dadurch die Kapazität zur Herstellung von Batterien für Elektroautos von 88 Gigawattstunden (GWh) im Jahr 2019 auf 1.400 GWh steigen.
Die Zahlen verdeutlichen die Dynamik, mit der sich der globale E-Auto-Markt Bahn bricht – eine Entwicklungsgeschwindigkeit, mit der die etablierten Hersteller von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zeitweise überfordert schienen. In Zukunft könnten diese jedoch gegenüber den Elektropionieren aus den USA und China verlorenen Boden wiedergutmachen. Denn der Markt beginnt sich zu wandeln. Der Machtwechsel in den USA könnte diesen Wandel noch beschleunigen, denn der neue US-Präsident Joe Biden möchte mit seinem „Green New Deal“ die Abkehr von fossilen Energieträgern vorantreiben und erneuerbare Energien stärker fördern.
Kaum einem anderen Markt wird an den Börsen momentan ein ähnlich hohes Wachstumspotenzial bescheinigt wie der Elektroautobranche. Vor allem die auf die neue Antriebsart spezialisierten Hersteller und Zulieferer konnten in den vergangenen Monaten deutliche Kursgewinne verbuchen: Zwar stellen sie gemeinsam jährlich weniger als 400.000 aller weltweit produzierten mehr als 86 Millionen Fahrzeuge her, ihre Marktkapitalisierung beträgt aber bereits rund 60 Prozent der Marktkapitalisierung der etablierten Hersteller konventionell angetriebener Autos.
Gestützt werden die Wachstumserwartungen der Anleger vor allem durch die ambitionierten Klimaziele vieler Staaten, etwa der Europäischen Union, die mit ihrem „Green Deal“ bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden will, sowie asiatischen Ländern wie China, Japan und Korea, die sich in die gleiche Richtung entwickeln wollen. Damit einher gehen zum einen Subventionsprogramme für Elektrofahrzeuge sowie die Förderung der entsprechend notwendigen Infrastruktur, zum Beispiel Ladestationen. Zum anderen geraten die etablierten Autohersteller zunehmend unter Druck, etwa durch schärfere CO2-Emissionsziele für Verbrennungsmotoren, wie sie beispielsweise seit Jahresanfang in der Europäischen Union gelten. Hinzu kommen die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie: Der von einigen Analysten für 2020 prognostizierte Rückgang der weltweiten Autoverkäufe um bis zu 25 Prozent dürfte vor allem konventionelle Fahrzeuge der Unter- und Mittelklasse betreffen. Spezielle Konjunkturprogramme für die Autoindustrie, wie während der Finanzkrise in Form von „Abwrackprämien“, gibt es dieses Mal zumindest in Deutschland nicht.
Mehr und mehr wird allerdings deutlich, dass die alten, absatzstarken Autohersteller ihren noch vergleichsweise jungen Konkurrenten das Feld nicht kampflos überlassen werden. Vielmehr blasen sie zum Gegenangriff. Insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) ist geradezu ein Paradigmenwechsel zu beobachten: Betrug der Elektroanteil am gesamten F&E-Budget der etablierten Hersteller 2012 noch geschätzte 5 bis 10 Prozent, sind es heute rund 60 Prozent.
Zugute kommt ihnen zudem die fortschreitende Entwicklung des E-Auto-Marktes. Während potenzielle Käufer eines E-Autos ihre Kaufentscheidung bis vor Kurzem vor allem nach Kriterien wie Reichweite und Beschleunigung trafen, treten nun verstärkt Aspekte wie Ausstattung, Verarbeitung und Marketing in den Vordergrund – Gebiete, auf denen etablierte Hersteller viel Erfahrung und damit einen gewissen Vorsprung vor einigen ihrer E-Konkurrenten haben.
Einige Pioniere der E-Mobilität können für entsprechend risikobereite Anleger sicher eine interessante, langfristige Beimischung für das Portfolio darstellen. Allerdings wird nicht jeder E-Auto-Hersteller auch in fünf oder zehn Jahren noch erfolgreich am Markt vertreten sein.
Zumal viele etablierte Hersteller die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich aktuell einem investitionsintensiven Strukturwandel unterziehen. Erste Erfolge sind sichtbar: In Norwegen etwa, wo der Anteil von Elektrofahrzeugen bei den Neuzulassungen im September bereits bei mehr als 60 Prozent lag, übertreffen die Absatzzahlen von E-Modellen der etablierten Hersteller die von spezialisierten Herstellern um ein Vielfaches. Der Wettbewerb um den globalen E-Auto-Markt hat also gerade erst begonnen. Für interessierte Anleger, die vom Wachstumspotenzial der Branche überzeugt sind, dürfte sich daher eine entsprechend breite Diversifizierung anbieten: nicht nur allgemein im Depot, sondern auch zwischen ausgewählten Autoplatzhirschen und Elektropionieren.
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Redaktionsschluss: 12.11.2020