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Aktien – 23.02.22
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) wird auf ihrer Sitzung am 16. März aller Voraussicht nach die Leitzinswende einleiten und die sogenannte Federal Funds Rate um 0,25 Prozent anheben. Damit reagiert sie auf die zuletzt immer weiter steigende Inflation, die im Januar mit einem Plus von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ihren höchsten Wert seit 40 Jahren erreicht hat.
Im Mitte Februar veröffentlichten Protokoll zu ihrer Januarsitzung hatte die Fed bereits signalisiert, dass sie die Zinsen schneller anheben wolle als im Jahr 2015, dem bislang letzten Zinserhöhungszyklus. Das kam allerdings wenig überraschend, da es damals nur zwei Anhebungen (Hikes) innerhalb von zwölf Monaten gegeben hatte und einige Marktteilnehmer allein im laufenden Jahr schon mit mindestens sechs Anhebungen rechneten. Die Deutsche Bank geht aktuell von sechs Hikes bis zum ersten Quartal 2023 und einer Reduzierung der Fed-Bilanzsumme im laufenden Jahr aus.
Aufhorchen ließ dagegen die Ankündigung, dass die Währungshüter in den kommenden Monaten von Sitzung zu Sitzung unter Berücksichtigung der dann herrschenden Inflationsrate, der wirtschaftlichen Lage sowie der weiteren konjunkturellen Aussichten über mögliche Zinsschritte entscheiden wollen. Das klang vergleichsweise moderat und ließ einige Stimmen, die für den März mit einem aggressiven ersten Zinsschritt um 0,5 Prozent gerechnet hatten, vorübergehend verstummen. Darüber hinaus dämpfte es die Sorge, dass die Fed mit einer zu schnellen Zinswende die US-Konjunktur abwürgen könnte.
Für die Aktienmärkte wäre eine besonnene und nachvollziehbare Zinswende ebenfalls von Vorteil. Denn nichts verunsichert Investoren so sehr wie unvorhergesehene Ereignisse. Trotzdem könnte es im Nachgang des ersten Zinsschritts der Fed kurzfristig zu Kursabschlägen kommen – vor allem am US-Aktienmarkt.
Ein solches Szenario war zumindest in der Vergangenheit regelmäßig zu beobachten: Im Durchschnitt der vergangenen sieben Zinserhöhungszyklen haben US-Aktien in diesen Phasen gegenüber ihren europäischen Pendants an Boden verloren. Konkret büßte ein Anleger, der am Tag des jeweils ersten Hikes in den US-Leitindex S&P 500 investierte, mit diesem Investment nach einem Monat 0,8 Prozent ein. Im zweiten und dritten Monat vergrößerte sich das Minus sogar auf 2,5 Prozent beziehungsweise 2,2 Prozent.
Zu größeren Sorgen oder gar Panik besteht jedoch für US-Aktienanleger zumindest beim Blick auf die historischen Daten kein Grund. Denn bereits nach durchschnittlich fünf Monaten konnte der US-Aktienmarkt seine Verluste wieder kompensieren und schon zwölf Monate nach dem ersten Hike lag der S&P 500 durchschnittlich mit fast 7 Prozent im Plus. Wobei Daten aus der Vergangenheit natürlich kein zuverlässiger Indikator für zukünftige Wertentwicklungen darstellen.
Aktuell scheinen die Aussichten für den US-Aktienmarkt selbst bei möglicherweise sechs oder sieben Leitzinsanhebungen der Fed in diesem Jahr weiterhin positiv. Denn auch nach den Hikes dürften die Finanzierungskosten der US-Unternehmen auf vergleichsweise niedrigen Niveaus bleiben. Zudem könnten die Maßnahmen der Fed als Indiz dafür gesehen werden, dass die Notenbank die fundamentalen Konjunkturdaten in den Vereinigten Staaten als robust einschätzt. Das wird durch aktuelle Zahlen etwa aus dem US-Einzelhandel bestätigt, der im Januar mit fast 4 Prozent gegenüber dem Vormonat stärker zulegen konnte als von vielen Marktteilnehmern erwartet.
Auf Sektorebene waren es am US-Aktienmarkt bislang typischerweise Zykliker und Substanzwerte, die sich nach einer ersten Zinserhöhung am besten entwickelten. Dazu gehörten allen voran Banken und Industriewerte. Schwächer schnitten unter anderem Papiere von Unternehmen aus den Bereichen Gesundheit, Basiskonsumgüter und Immobilien ab. Am europäischen Aktienmarkt, der von den Entwicklungen in den USA natürlich nicht unberührt blieb, zeigte sich ein ähnliches Bild: Energie-, Material- und Industrietitel entwickelten sich überdurchschnittlich gut, während Versorger und Gesundheitstitel am schlechtesten abschnitten. Insgesamt waren es vor allem „Qualitätsunternehmen“ mit hohen Eigenkapitalrenditen und soliden Bilanzen, die sich nach einem Hike besser entwickelten. Das mag daran liegen, dass durch eine Zinserhöhung die Verschuldung von Unternehmen für Anleger wieder stärker in den Fokus rückt und sie sich defensiver positionieren wollen.
Trotz des holprigen Jahresstarts bleiben Industrieländeraktien, etwa aus den USA oder Europa, in einem Umfeld robuster fundamentaler Unternehmens- und Wirtschaftsdaten für entsprechend risikobereite Anleger unter Renditegesichtspunkten interessant und ein wichtiger Bestandteil eines ausgewogenen Portfolios. Die Aktienbewertungen dürften dank leicht negativer Realrenditen auf hohem Niveau bleiben und die aggregierten Unternehmensgewinne moderat steigen. Die Analystengemeinde hat ihre Gewinnerwartungen seit Jahresbeginn sogar angehoben, wobei Europa die stärksten positiven Gewinnrevisionen verzeichnete. Die jüngsten Geschäftsberichte untermauern zudem die Fähigkeit der Unternehmen, ihre Margen durch die Weitergabe höherer Inputkosten schützen zu können. Während ein weiterer Anstieg der Renditen von Staatsanleihen die jüngste Outperformance von Substanz- gegenüber Wachstumswerten und damit von europäischen gegenüber US-Aktien verlängern dürfte, könnten die anhaltenden Spannungen zwischen Russland und der Ukraine das Aufwärtspotenzial Europas begrenzen. Aufgrund der aktuellen Herausforderungen sollten Anleger bei der Aktienauswahl auf eine breite regionale und sektorale Streuung achten. Dafür könnten sich breit aufgestellte und aktiv gemanagte Investmentfonds anbieten.
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Redaktionsschluss: 22.02.2022, 14:00 Uhr