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Aktien – 14.04.22
Die grüne Transformation der Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der Kernziele der weltweiten Staatengemeinschaft entwickelt. Entsprechend groß sind die Anstrengungen, die unternommen werden, um dieses Ziel zu erreichen – sowohl politisch als auch finanziell. Die Europäische Kommission beispielsweise stellte 2021 im Rahmen ihres „Green Deal“ das „Fit for 55“-Maßnahmenpaket vor, mit dem die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden sollen – unter anderem durch die Reduzierung des jährlichen fossilen Gasverbrauchs um 30 Prozent im Vergleich zu 2021.
Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der Priorisierung einer von russischen Importen unabhängigen und zuverlässigen Energieversorgung haben sich die europäischen Dekarbonisierungsanstrengungen nun noch einmal verstärkt. Denn die Abhängigkeit der EU-Staaten, die kaum selbst Erdgas und Erdöl fördern und weniger als ein Drittel ihres Kohleverbrauchs selbst decken können, von russischen Energierohstoffen ist enorm: Mit 45 Prozent der Erdgasimporte, 27 Prozent der Rohölimporte und 46 Prozent der Kohleimporte war Russland in allen drei Bereichen der mit Abstand wichtigste Lieferant im Jahr 2021.
Bereits rund zwei Wochen nach Kriegsbeginn stellte die Europäische Kommission daher den „REPowerEU“-Plan vor. Er beinhaltet Vorschläge für Maßnahmen zur Erreichung von drei Hauptzielen:
Konkret wurde beispielsweise das jährliche Ziel für in Europa produzierten beziehungsweise nach Europa importierten erneuerbaren Wasserstoff deutlich erhöht. Statt der bereits ehrgeizigen 5,6 Millionen Tonnen, wie im „Fit for 55“-Paket geplant, sollen es 2030 nun 20 Millionen Tonnen sein. Analysten zufolge könnte diese Menge dann zwischen 25 und 50 Milliarden Kubikmeter russischen Erdgases ersetzen, was 16 bis 32 Prozent der aktuellen europäischen Gasimporte aus Russland entspräche. Im Bereich Solarenergie könnten nach Schätzungen der EU-Kommission mit einem beschleunigten Ausbau von Dach-Fotovoltaikanlagen allein in diesem Jahr zusätzliche 2,5 Milliarden Kubikmeter Gas eingespart werden. Darüber hinaus wird der Einbau von zehn Millionen Wärmepumpen in den nächsten fünf Jahren vorgeschlagen.
Insgesamt dürfte das REPowerEU-Maßnahmenpaket die Dekarbonisierung in Europa, allen voran im Industriesektor, durch einen schnelleren Umstieg auf Strom und Wasserstoff beschleunigen. Zumal langwierige Genehmigungsverfahren und andere administrative Hindernisse nun verstärkt beseitigt werden sollen.
Die durch den Russland-Ukraine-Krieg ausgelöste „Zeitenwende“ wird Europas gesellschaftliche, politische und ökonomische Ordnung nachhaltig verändern. Das könnte auf absehbare Zeit zu Verunsicherung unter den Marktteilnehmern führen: Die Neuorganisation von Lieferketten und der mögliche Aufbau von mehr Produktionsstandorten in Europa stellen dabei ebenso Herausforderungen dar wie die aktuell hohen Inflationsraten, steigende Zinsen und eine global insgesamt abnehmende Konjunkturdynamik.
REPowerEU verdeutlicht jedoch die verstärkten Anstrengungen Europas, die Energieerzeugung nachhaltiger und unabhängiger von ausländischen Rohstofflieferungen aufzustellen – und damit auf die energiepolitische Zeitenwende konkret und schnell zu reagieren. Für Anleger könnte das interessante langfristige Investmentchancen bieten, etwa in Unternehmen, die essenzielle Technologielösungen für die Energiewende oder Rohrleitungen für Flüssiggas und später für Wasserstoff beziehungsweise Ammoniak liefern. Deren Aktien könnten gute Aussichten haben, auch dann interessante Renditen zu erzielen, wenn die Gesamtmärkte weniger stark zulegen. Statt auf Einzelwerte zu setzen, dürfte sich hier ein breit diversifiziertes Investment, etwa in Form entsprechend ausgerichteter aktiv gemanagter Investmentfonds, anbieten.
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Redaktionsschluss: 13.04.2022, 12:00 Uhr