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Quelle: conteww57 / Adobe Stock

Aktien – 12.10.21

US-Aktien vor Verschnaufpause?

Die wichtigsten Fakten:

  • Rallye bei US-Aktien scheint beendet
  • Fundamentaldaten der Unternehmen widersprechen Crashszenario
  • Herausforderungen für Anleger nehmen zu

Viele Monate schien der US-Aktienmarkt nur eine Richtung zu kennen: aufwärts. Seit Anfang September scheint dieser Trend gebrochen. Mit 4.537 Punkten erreichte der S&P 500 am 2. September sein bisheriges Allzeithoch. Seitdem verlor der marktbreite Index über 6 Prozent (Stand: 6. Oktober 2021). Einige Marktteilnehmer befürchten nun bereits das Platzen einer vermuteten spekulativen Aktienblase und verweisen dabei unter anderem auf das Rekordvolumen bei Krediten für den Aktienkauf. Die Deutsche Bank teilt die Befürchtungen einer Blasenbildung jedoch nicht. Ein Grund für die beeindruckende Kursstabilität dürfte vielmehr sein, dass die US-Unternehmen in den fünf zurückliegenden Berichtszeiträumen die Gewinnerwartungen der Analysten mit 14 bis 21 Prozent jeweils ungewöhnlich stark übertreffen konnten.

Fundamentaldaten der US-Unternehmen scheinen intakt

Gegen ein Crashszenario sprechen verschiedene Gründe. So lag das Volumen kreditfinanzierter Aktienkäufe in den USA Ende August mit rund 911 Milliarden US-Dollar zwar absolut gesehen 41 Prozent über dem des Vorjahres, die Marktkapitalisierung legte im selben Zeitraum jedoch um rund 30 Prozent zu. Die relative Verschuldungsquote stieg deshalb nur um 9 Prozent. Zudem sind die freien Kreditlinien in Relation zum beanspruchten Kreditvolumen gestiegen.

„Ende des Höhenflugs bei US-Aktien – warum ein Crashszenario dennoch unwahrscheinlich scheint.“

Zudem könnten robuste Fundamentaldaten der Unternehmen einen höheren Verschuldungsgrad rechtfertigen. Das aggregierte Gewinnwachstum der börsengelisteten US-Unternehmen des S&P 500 lag im 2. Quartal rund 90 Prozent über dem des Vorjahres – wenn auch vor allem bedingt durch Basiseffekte. Letztere dürften zwar in den kommenden Monaten nachlassen, dennoch erwartet die Analystengemeinde auf 12-Monats-Sicht ein beachtliches Gewinnwachstum der im S&P 500 gelisteten Unternehmen um 15 Prozent.

Die jüngsten, durch niedrige Zinsen begünstigten Aktienrückkäufe von US-Unternehmen deuten ebenfalls auf gesunde Finanzierungsstrukturen hin, denn sie verlaufen zumeist zyklisch und gehen mit entsprechenden Unternehmensgewinnen einher. Zudem setzen sie gut aufgestellte Bilanzen voraus. Diese scheinen bei den US-Unternehmen vorhanden: So sank das Verhältnis von Schulden zu Vorsteuergewinn für Unternehmen guter Bonität (Investment Grade, IG) gegenüber dem Vor-Pandemie-Niveau von knapp unter 2,9 auf rund 2,4, das von Unternehmen ohne IG-Rating von mehr als 3,5 auf unter 2,9.

Verhaltene Erwartungen an die Berichtssaison

Die US-Berichtssaison für das 3. Quartal dürfte jedoch kaum mehr mit positiven Überraschungen aufwarten. Entgegen den vorangegangenen vier Quartalen, in denen die Analystengemeinde ihre Gewinnerwartungen für die Unternehmen im S&P 500 vor der jeweiligen Berichtssaison um 0,8 bis 1,6 Prozent angehoben hatte, senkte sie diese in den vergangenen vier Wochen leicht um weniger als 1 Prozent. Dabei zeigen sich im Hinblick auf die einzelnen Sektoren große Unterschiede. Zurückgeschraubt wurden die Erwartungen insbesondere für den Transportsektor sowie die Automobilindustrie, Verbraucherdienstleistungen und Versicherer. Letztere dürften unter den Schäden infolge des Hurrikans Ida zu leiden haben. Spürbar angehoben wurden die Gewinnerwartungen lediglich für die Produzenten langlebiger Konsumgüter sowie den Gebrauchsgüter- und Lebensmittelproduzenten.

Auf Indexebene des S&P 500 erwartet die Analystengemeinde für das 3. Quartal mit 49 US-Dollar einen saisonbereinigt um 7,5 Prozent niedrigeren Gewinn je Aktie als im Vorquartal – und das breit gestreut über alle Sektoren mit Ausnahme der Energieversorger. Aus Sicht der Deutschen Bank erscheint diese Schätzung jedoch zu konservativ. Sie erwartet vielmehr einen Gewinn je Aktie von rund 54 US-Dollar. Demnach sollten sich insbesondere der Finanzsektor wie auch Mega Caps und Techtitel besser entwickelt haben als von der Analystengemeinde erwartet.

Energie und Finanzen mit Aufholpotenzial

Herausforderungen nehmen zu

Auch wenn eine klassische Blasenentwicklung oder gar ein Crash wenig plausibel erscheint, dürften die Herausforderungen für Anleger in den kommenden Wochen weiter zunehmen. An vorderster Stelle stehen dabei die zunehmenden Sorgen um die weltweite Konjunkturentwicklung, etwa im Hinblick auf stark steigende Energiepreise, möglicherweise länger als erwartet anhaltende Störungen in den Lieferketten, einer wahrscheinlich damit einhergehenden anziehenden Inflationsrate und die vielerorts weiterhin unsichere Lage in Bezug auf die COVID-19-Pandemie. Zu einer höheren Volatilität an den Aktienmärkten könnten zudem die angekündigte Straffung der Geldpolitik durch die US-Notenbank sowie die anhaltende Steuer- und Verschuldungsdebatte in den USA beitragen. Gleiches gilt, wenn auch nur für bestimmte Sektoren, für die chinesische Wachstumsschwäche und die zunehmenden regulatorischen Eingriffe der chinesischen Regierung.

Ein gebremstes Wachstum, die Erwartung reduzierter Anleiheankäufe und eine Anhebung der US-Leitzinsen ab September 2022 sowie ein weiterer Anstieg der realen Anleiherenditen könnten vor allem US-Wachstumswerte, etwa aus den Bereichen IT und Kommunikation, kurzfristig belasten. Auf der anderen Seite könnten vor allem günstig bewertete Zykliker aus den Bereichen Finanzen und Energie in den Fokus entsprechend risikobereiter Anleger rücken. Insgesamt scheinen die US-Unternehmen in robuster Verfassung zu sein. Zwischenzeitliche Kursrücksetzer könnten von entsprechend risikobereiten Anlegern als Einstiegschance gesehen werden.

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Redaktionsschluss: 11.10.2021, 15:00 Uhr