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Aktien – 12.05.22

US-Berichtssaison: Erwartungen übertroffen

Die wichtigsten Fakten:

  • Gewinne und Umsätze besser als erwartet, Margen bleiben hoch
  • Zum Teil große Unterschiede auf Sektorebene
  • Weitere Aktienmarktentwicklung abhängig von globalen Herausforderungen

Die bislang verfügbaren Ergebnisse der US-Berichtssaison für das erste Quartal 2022 zeichnen ein robustes Bild von Corporate America und bestätigen weitestgehend die Annahmen der Deutschen Bank. Auf Grundlage der Marktkapitalisierung haben bislang rund 90 Prozent der Unternehmen im S&P 500 ihre Quartalszahlen vorgelegt. Rund 80 Prozent davon konnten die Gewinnerwartungen der Analystengemeinde übertreffen – und das um durchschnittlich 7,3 Prozent. Das liegt deutlich über den historischen Vergleichswerten von 74 Prozent beziehungsweise 5 Prozent. Unter Berücksichtigung der Schätzungen zu den noch ausstehenden Zahlen könnten die realisierten Gewinne im US-Leitindex in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 um 10,2 Prozent höher liegen als im Vorjahreszeitraum. Das ist zwar deutlich weniger als das starke Gewinnplus von gut 32 Prozent im vorangegangenen Quartal, in Anbetracht der Sorgen um steigende Materialkosten, mögliche Lohnzuwächse und anhaltende Lieferengpässe jedoch ein sehr solides Ergebnis. 

Auf Sektorebene waren es vor allem die Bereiche Energie, Rohstoffe und Industrie, die das Gewinnwachstum stützten. Die größten Verlierer waren der zyklische Konsum und die Finanzbranche – wobei beide die sehr pessimistischen Vorgaben der Analystengemeinde am deutlichsten übertreffen konnten. 

Umsätze solide, Margen top

Bei der Umsatzentwicklung zeigte sich ein ähnliches Bild wie bei den Gewinnen – und das trotz der anhaltenden US-Dollar-Stärke, die die Umsatzerwartungen der Analystengemeinde um rund 1,2 Prozentpunkte auf 13,2 Prozent sinken ließ. Besonderes Augenmerk lag zudem auf der Frage, ob die Unternehmen in der Lage sein würden, den gestiegenen Kostendruck im Umfeld anziehender Löhne und Energiepreise an die Verbraucher weiterzugeben. Bislang scheinen sich die Margen mit rund 13 Prozent nahe ihren Höchstständen behaupten zu können, was für eine derzeit hohe Preissetzungsmacht der großen US-Konzerne spricht.

Trotz guter Unternehmensgewinne – Konjunktursorgen belasten Kurse

Der Kursverlauf des S&P 500, der zuletzt seine schlechteste Wertentwicklung in einem April seit 52 Jahren verzeichnete, steht in einem deutlichen Missverhältnis zu diesen eher positiven Unternehmenszahlen. Hauptgrund dafür ist die Tatsache, dass Investoren weniger an der Vergangenheit als an der Zukunft interessiert sind – und der Blick nach vorne sorgt bei vielen Marktteilnehmern derzeit für große Verunsicherung hinsichtlich der weiteren globalen Konjunkturentwicklung. Risikofaktoren sind dabei vor allem die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs, die neuen Lockdowns in China und die geldpolitische Straffung der US-Notenbank Fed.

Corporate America auch abseits des S&P 500 gut unterwegs

Trotz ihrer insgesamt geringeren Preissetzungsmacht sollten auch die meisten kleineren (S&P 600) und mittleren US-Unternehmen (S&P 400) auf ein gutes erstes Quartal 2022 zurückblicken können. Gut zwei Drittel der Unternehmen haben bereits ihre Zahlen berichtet – mit bislang 70 Prozent „beats“, also Ergebnissen über den Erwartungen, präsentiert sich aber auch die zweite Reihe von Corporate America in robuster Verfassung. Analog zum S&P 500 lagen Energie- und Rohstofffirmen gemeinsam mit Gesundheitstiteln beim Gewinnwachstum vorn, während der Finanzsektor die größten Einbußen hinnehmen musste. Die Margen blieben ebenfalls insgesamt relativ stabil.

„US-Unternehmen: Quartalszahlen übertreffen Erwartungen, Aktienkurse mit Potenzial.“

Weitere Marktentwicklung abhängig von vielen Faktoren

Im Umfeld der mit großen Unsicherheiten behafteten geopolitischen und makroökonomischen Lage dürfte die aktuelle Berichtssaison den US-Aktienmarkt zumindest etwas beruhigt und stabilisiert haben – auch wenn die überraschend guten Unternehmensergebnisse die US-Aktienkurse bis dato nicht nach oben treiben konnten. Hoffnungsvoll sollte vor allem die Tatsache stimmen, dass die Unternehmen bislang in der Lage waren, steigende Preise an die Verbraucher weiterzugeben. 

USA bleiben für Aktienanleger interessant

Inwiefern sich positive Unternehmenszahlen in Zukunft belebend auf die Kurse auswirken können, dürfte maßgeblich davon abhängen, wie sich die globalen Herausforderungen entwickeln: Sollte sich in absehbarer Zeit ein konstruktiveres konjunkturelles Umfeld abzeichnen – etwa durch eine Verbesserung der Corona-Lage in China oder eine weiche geldpolitische Landung in den USA –, könnten sich die Unternehmensergebnisse weiter verbessern und die Kurse mitziehen.

Der US-Markt bleibt für entsprechend risikobereite Anleger ein wesentlicher Bestandteil eines ausgewogenen Aktienportfolios – die jüngsten Kursrücksetzer könnten als Einstiegschance genutzt werden, wenngleich das Risiko weiterer Kursschwankungen nach wie vor hoch ist. Insgesamt dürfte es sich empfehlen, einen breit gestreuten und aktiv gemanagten Investmentansatz zu wählen, um schnell auch auf kurzfristige Marktentwicklungen reagieren zu können. Im Fokus könnten dabei sogenannte Qualitätsaktien stehen, also Papiere von Unternehmen, die aufgrund ihrer starken Marktstellung auch in einem schwierigen konjunkturellen Umfeld solide Erträge erwirtschaften sollten.

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Redaktionsschluss: 11.05.2022, 12:00 Uhr