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Anleihen – 16.03.21
Die steigenden Renditen US-amerikanischer Staatsanleihen haben in den vergangenen Wochen zu Turbulenzen an den internationalen Aktienmärkten geführt: Im Zuge gestiegener Inflationserwartungen legten die Renditen 10-jähriger US-Papiere seit Jahresbeginn um zeitweise bis zu 0,7 Prozentpunkte zu. Das brachte die Aktienkurse insbesondere von hoch bewerteten, kleineren Unternehmen, etwa aus dem Technologiesektor, unter Druck. Am Markt für US-Unternehmensanleihen guter Bonität (Investment Grade, IG) hingegen blieben die Auswirkungen des Zinsanstiegs bisher überschaubar: Der Spread, also die Renditedifferenz zu Staatsanleihen, blieb weitestgehend unverändert. Das könnte sich in den kommenden Wochen und Monaten jedoch ändern, sollten die Kapitalmarktzinsen weiter zulegen.
Stützend auf die Kurse von US-Unternehmensanleihen wirkte sich zuletzt die Tatsache aus, dass der US-Zinsanstieg vor allem die höheren Wachstumserwartungen der Marktteilnehmer widerspiegelt. Das dadurch abnehmende Risiko von Kreditausfällen hielt die Nachfrage von Anlegern wie Pensionsfonds oder ausländischen Investoren trotz steigender Kapitalmarktzinsen hoch: Selbst unter Berücksichtigung von Währungsabsicherungen erzielen beispielsweise japanische Investoren mit US-IG-Unternehmensanleihen durchschnittlich eine rund 0,9 Prozent höhere Rendite als mit 30-jährigen japanischen Staatsanleihen.
Hinzu kommt, dass der US-Markt für IG-Unternehmensanleihen weltweit mit Abstand der größte und liquideste Markt seiner Art ist. Das zieht ebenfalls Anleger aus aller Welt an, da diese ihre Papiere bei Bedarf in der Regel schnell und unkompliziert verkaufen können.
Insgesamt sollte es für Unternehmen im Angesicht des nach wie vor niedrigen Zinsniveaus auch kein Problem darstellen, sich weiterhin günstig zu refinanzieren. Nachdem die Anleiheemissionen 2020 coronabedingt ein Rekordniveau erreicht hatten – Unternehmen hatten Kapital zum Schutz ihrer Liquiditätsversorgung aufgenommen –, dürfte das Emissionsvolumen in diesem Jahr um rund 30 Prozent geringer ausfallen. Zwar war in den vergangenen Wochen eine verstärkte Emissionstätigkeit zu beobachten. Diese ist jedoch dadurch zu erklären, dass viele Unternehmen aufgrund des zuletzt gestiegenen Renditeniveaus ihre für das Jahr geplanten Anleiheausgaben vorgezogen haben.
Darüber hinaus sollten die Erträge der Unternehmen im Verlauf der sich fortsetzenden konjunkturellen Erholung weiter steigen und der Fokus der Unternehmen auf die Sanierung ihrer Bilanzen beibehalten werden. Alles zusammengenommen, also ein geringeres Emissionsvolumen, wachsende Erträge und bereinigte Bilanzen, dürfte den Netto-Verschuldungsgrad von US-IG-Unternehmen weiter sinken lassen: Bereits im vierten Quartal 2020 sank das Verhältnis von Schulden zum Vorsteuergewinn von 2,38 auf 2,03. Eine Ausweitung der Risikoaufschläge aufgrund zunehmender Sorgen vor einer übermäßigen Verschuldung scheinen daher zunächst unwahrscheinlich. Ebenso dürfte aber auch das Potenzial für eine weitere Verringerung aufgrund der ohnehin geringen Risikoaufschläge begrenzt bleiben.
Mit der Ruhe an den US-Unternehmensanleihemärkten könnte es jedoch bald vorbei sein. Denn so sehr die stützenden Faktoren die Renditen von IG-Unternehmenspapieren noch auf moderaten Niveaus halten können: Ein weiterer Anstieg des US-Zinsniveaus dürfte letztlich auch ihre Renditen stärker nach oben treiben und damit ihre Kurse zunehmend belasten. Privatanleger befinden sich damit in einem Dilemma: Einerseits lassen sich mit US-Unternehmensanleihen guter Bonität nur geringe reale Erträge erzielen, zum anderen drohen Kursverluste, insbesondere bei lang laufenden Papieren.
Insgesamt verfügen IG-Unternehmensanleihen aus den USA aus Anlegersicht damit derzeit kaum über interessantes Ertragspotenzial. Bessere Aussichten bieten beispielsweise US-Dollar-Anleihen aus Asien. Diese zählten in den vergangenen Wochen zu den Outperformern unter den Schwellenländern. Asien profitiert wegen seiner engen Handelsverflechtungen in besonders hohem Maße von der Aussicht auf eine globale Konjunkturerholung im Zuge einer allmählich abflauenden Coronavirus-Pandemie. Zumal Staaten wie China und Singapur bei den COVID-19-Impfungen im Vergleich zu anderen Schwellenländern bereits deutlich weiter fortgeschritten sind. Gleichzeitig weisen viele Länder aus der Region gute Fundamentaldaten wie einen Leistungsbilanzüberschuss oder eine niedrige Verschuldung auf, was deren Bonität stützt und für vergleichsweise stabile Ratings sorgt. Obwohl sich die Risikoaufschläge auf dem tiefsten Stand seit etwa einem Jahr befinden, dürften Staats- und Unternehmensanleihen aus Asien wegen ihrer vergleichsweise hohen Verzinsung für Anleger interessant bleiben.
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Redaktionsschluss: 15.03.2021, 11:00 Uhr