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Aktien – 13.04.22

Was der Ukraine-Krieg für Asiens Schwellenländer bedeutet

Die wichtigsten Fakten:

  • Wirtschaftliche Folgen des Russland-Ukraine-Kriegs sind auch in Asien spürbar
  • Erste Auswirkungen auf Inflation und Konjunkturwachstum
  • Nicht alle asiatischen Schwellenländer sind gleichermaßen betroffen

Geografisch gesehen wütet der Russland-Ukraine-Krieg für viele asiatische Schwellenländer in vergleichsweise weiter Ferne. Dennoch sorgen die harten Sanktionen gegen Russland, gestiegene Rohstoffpreise und Lieferengpässe bei Nahrungsmitteln auch dort für Verunsicherung – Unternehmen und Verbraucher in Asien könnten die wirtschaftlichen Folgen des Konflikts zunehmend zu spüren bekommen. Denn die meisten asiatischen Volkswirtschaften sind in hohem Maße von Rohstoff- und Energieimporten abhängig – mitunter auch von solchen direkt aus Russland oder der Ukraine.

Im Zusammenhang mit den gestiegenen Energiepreisen sind bereits vielerorts in der Region anziehende Inflationsraten zu beobachten, welche die Budgets der privaten Haushalte belasten und das Wirtschaftswachstum dämpfen könnten. Hinzu kommt, dass Asiens Schwellenländer einen Großteil ihrer Waren nach Europa exportieren, wo sich zuletzt kriegsbedingt die Wachstumsaussichten noch einmal deutlich eingetrübt haben. Die prognostizierte Abnahme der konjunkturellen Dynamik in wichtigen Absatzmärkten in Europa und anderswo dürfte sich somit ebenfalls negativ auf die Wirtschaft der asiatischen Schwellenländer auswirken.

Inflation: große regionale Unterschiede

Insbesondere die Auswirkungen höherer Energiepreise auf die Inflationsraten in den asiatischen Schwellenländern sind jedoch von Land zu Land zum Teil sehr unterschiedlich. In Thailand und auf den Philippinen tragen steigende Energiekosten besonders stark zu anziehenden Konsumentenpreisen bei. Rund drei Viertel der thailändischen Stromversorgung beispielsweise stammen aus Flüssiggas. Auf den Philippinen wiederum werden rund 50 Prozent der Energie aus Kohle gewonnen. Zudem hat die Regierung in Manila die Treibstoffpreise bereits in den 1990er-Jahren dereguliert, wodurch sich steigende Kosten direkt in höheren Inflationsraten niederschlagen. In China, Hongkong, Indonesien und Südkorea sollten die Inflationsraten hingegen kaum auf einen Anstieg der Energiepreise reagieren. Der Grund: Energieprodukte werden dort entweder subventioniert oder sind sehr hoch besteuert. Steigerungen der Nettopreise machen sich deshalb dort vergleichsweise wenig bemerkbar.

„Inflation, Wirtschaftswachstum: Wie sich der Russland-Ukraine-Krieg auf die asiatischen Schwellenländer auswirkt.“

Kleinere Volkswirtschaften mit größeren Problemen

Mit Blick auf die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs scheint das Risiko einer Stagflation – also einer Phase niedrigen Wachstums und steigender Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig hohen Preissteigerungsraten – in einigen asiatischen Schwellenländern relativ hoch. Das gilt insbesondere für Thailand und Vietnam. In Malaysia und Sri Lanka dürfte sich das BIP-Wachstum zwar kaum abschwächen, dafür könnten die inflationären Auswirkungen höherer Energiepreise noch ausgeprägter sein.

In Indien, Indonesien und Südkorea ist derzeit hingegen infolge des Kriegs weder mit einer deutlich höheren Inflation noch mit einer signifikanten Konjunkturabschwächung zu rechnen.

China bekräftigt seine Wachstumspläne

China, als die regionale Großmacht, ist einer der Haupthandelspartner Russlands: Fast ein Viertel der russischen Ausfuhren geht ins Reich der Mitte, hauptsächlich Rohöl, Gas und Kohle. Zudem bezieht China aus Russland und der Ukraine große Mengen an Weizen. Insgesamt könnte eine Störung der Lieferketten dazu führen, dass es in China zumindest kurzfristig zu möglichen Engpässen vor allem bei Dünge- und Nahrungsmitteln kommt. Zudem dürften die gestiegenen Rohstoffpreise den ohnehin durch Corona geschwächten Konsum weiter bremsen.

Die negativen Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Chinas sollten sich dennoch in Grenzen halten. Denn die Regierung in Peking hat jüngst das Erreichen ihres Wachstumsziels von 5,5 Prozent für das Gesamtjahr bekräftigt und in diesem Zusammenhang unter anderem die beschleunigte Umsetzung lokaler öffentlicher Infrastrukturprojekte angekündigt. Diese könnten, unterstützt durch weitere geldpolitische Lockerungen, private Unternehmensinvestitionen fördern und für mehr Beschäftigung sorgen. Die mögliche Auflage eines breit angelegten Finanzstabilisierungsfonds im Laufe des zweiten Quartals würde zudem das Vertrauen der Marktteilnehmer festigen und die Stimmung an Chinas Aktienmärkten insgesamt aufhellen. Damit könnte sich China in den kommenden Monaten als wichtiger Stabilisierungsfaktor für die gesamte Region erweisen.

Weitere Entwicklungen im Blick behalten

Für entsprechend risikobereite Anleger könnte sich vor diesem Hintergrund ein regional breit gefächertes Investment in die asiatischen Schwellenländer anbieten. Dabei gilt es, die weiteren Entwicklungen im Russland-Ukraine-Krieg sowie anhaltende Risiken etwa im Hinblick auf die Coronavirus-Pandemie im Blick zu behalten.

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Redaktionsschluss: 11.04.2022, 14:00 Uhr