Steuern und Recht

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28.03.2022

BGH setzt Werbegrenzen für Fernbehandlung

Ärztliche Fernbehandlungen liegen zwar im Trend und einige Krankenkassen und Versicherungen drängen auf eine Ausweitung. Eine breite Werbung für Fernbehandlungen ist aber nicht erlaubt, wie der BGH entschied.

Krankenkassen und -versicherungen dürfen trotz einer Neuregelung des Heilmittelwerbegesetzes Ende 2019 nicht breit und allgemein für ärztliche Fernbehandlungen werben. Die Neuregelung lässt solche Werbung nur für die Behandlung bestimmter Krankheiten zu, bei denen die Fernbehandlung anerkanntermaßen möglich ist. Dies stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung gegen eine private Münchener Krankenversicherung klar.
Arztpraxen, die auf ihren Praxis-Websites auf die eigenen Videosprechstunden hinweisen, sind vom BGH-Urteil nicht betroffen und müssen keine Abmahnrisiken befürchten.
Diese private Krankenversicherung versteht sich nach eigenen Angaben als „erste komplett digitale Krankenvollversicherung Deutschlands“ und wünscht sich einen stärker digitalisierten Arztbesuch. Sie bietet den Versicherten seit November 2017 „digitale Arztbesuche“ per Smartphone-App an. Kontaktiert werden Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz, die ein dortiges Portal vermittelt.

Werbeverbot wurde gelockert

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sah in der Werbung des Versicherers einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen. Dieses Verbot war zum Zeitpunkt der Klageeinreichung noch strikt formuliert, wurde zwischenzeitlich aber gelockert. Ausgenommen ist seit Ende 2019 die Bewerbung solcher Fernbehandlungen, für die „nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist“.
Die Vorinstanz des Oberlandesgerichts München und anschließend der BGH entschieden, dass die ursprüngliche Werbung dieses Versicherungsunternehmens gegen das Heilmittelwerbegesetz in seiner alten und auch in der neuen Fassung verstößt. Die Werbung sei daher wettbewerbswidrig und das Unternehmen zur Unterlassung verpflichtet.

Fachliche Standards für Fernbehandlungen fehlen noch

Das Unternehmen habe für eine umfassende und nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung per Fernbehandlung geworben und dabei Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung versprochen. Dies sei auch von der gesetzlichen Neuregelung nicht gedeckt.
Experten sehen nun auch ärztliche Fachgesellschaften angesprochen, weil Leit- oder Richtlinien mit fachlichen Standards der telemedizinischen Versorgung noch ausstehen – im Kern zu der Frage, bei welchen Indikationen Fernbehandlungen unter welchen Bedingungen erlaubt sind. (Az.: I ZR 146/20)


28.03.2022

Sorgfältige Aufklärung für alle Fälle

Ein BGH-Urteil unterstreicht, wie sorgfältig Ärztinnen und Ärzte bei der Aufklärung vor einem Eingriff vorgehen müssen. Auf eine „hypothetische Einwilligung“ können sie sich nach einem Fehler nicht verlassen.

Auf die sogenannte „hypothetische Einwilligung“ können sich Ärztinnen und Ärzte nach einem fehlerhaften Eingriff nicht ohne Weiteres berufen. Denn laut Bundesgerichtshof (BGH) müssen Patienten nur plausibel darlegen, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätten. Die Patienten müssen nicht erläutern, dass sie sich in solch einem Fall gegen die Behandlung entschieden hätten.
Im konkreten Fall war einer Klägerin ein Schmerzkatheter gelegt worden, als sie eine Kniegelenkendoprothese erhalten hatte. Kurz nach dem Eingriff traten Schmerzen und ein Taubheitsgefühl im Fuß auf. Ursache waren irreparable Nervenschädigungen.

Unvollständige Aufklärung über Schmerzkatheter

Die Patientin klagte, weil sie nicht über Alternativen zum Schmerzkatheter aufgeklärt worden war. Behandler und Krankenhaus dagegen meinten, dass die Patientin auch mit Aufklärung der Operation mit Schmerzkatheter zugestimmt hätte – sie gingen also von der hypothetischen Einwilligung aus.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte die Schadenersatzklage der Patientin zunächst abgewiesen, weil sie nach Überzeugung des Gerichts nicht plausibel machen konnte, dass sie sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung für eine Operation ohne Schmerzkatheter entschieden hätte.
Der BGH hat dieses Urteil aufgehoben und den Streit zur erneuten Prüfung an das OLG zurückverwiesen. Mit einer rein medikamentösen Schmerztherapie und der möglichen Anlage eines Femoraliskatheters hätten aufklärungspflichtige Alternativen zum Doppelkatheter bestanden. Für die Begründung eines Entscheidungskonflikts müsse die Patientin nicht darlegen, dass sie sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung ganz bestimmt für eine der Alternativen entschieden hätte. (Az.: VI ZR 277/19)


28.03.2022

Polizei hat gefälschte Impfausweise im Visier

Gefälschte Impfpässe haben in den ersten Monaten des Jahres dazu geführt, dass sich viele Ermittlungsbehörden mit verstärkten Ressourcen der Verfolgung dieser Straftat widmen mussten. In manchen Regionen wurden deshalb gesonderte Ermittlungsgruppen eingerichtet.
So waren kurz nach Einrichtung der Sonderermittlungsgruppe in Lübeck dort 170 Verfahren wegen mutmaßlich gefälschter Impfdokumente anhängig. Im Laufe der Ermittlungen hatten sich Anlaufstellen in der Stadt herauskristallisiert, an denen gefälschte Impfausweise verkauft wurden. Durch die Ermittlungen waren auch Ärzte ins Visier der Kriminalpolizei geraten, die offensichtlich Impfungen im Impfausweis eingetragen hatten, ohne geimpft zu haben.
In den meisten Fällen wird ermittelt, weil sich die Verdächtigen einen falschen Impfausweis beschafft und diesen rechtswidrig benutzt haben sollen. Unter ihnen befinden sich sowohl Menschen, die nicht richtig über die Gesetzeslage informiert waren, als auch Impfkritiker. Die Tatverdächtigen kommen aus unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Nach Einschätzung der Ermittler haben die Einschränkungen für Ungeimpfte die Nachfrage nach gefälschten Ausweisen erhöht.
Seit einer Gesetzesänderung im November 2021 ist schon die Vorbereitung der Herstellung unrichtiger Impfausweise strafbar, beispielsweise das Präparieren von Blanko-Ausweisen, der Handel damit und die Beschaffung dieser Produkte. Das Strafmaß dafür reicht von Geldstrafe bis zu zwei Jahren Haft. Die Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse durch Ärzte wird mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis – in schweren Fällen – fünf Jahren bestraft. Ihr Gebrauch „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ kann bis zu ein Jahr Haft einbringen.


28.03.2022

Brandenburg setzt auf Staatsanwälte mit Schwerpunkt Gesundheitswesen

Straftaten im Gesundheitswesen werden wegen ihrer Komplexität und der erforderlichen Expertise von den Ermittlungsbehörden zunehmend durch Sonder- oder Schwerpunktgruppen bearbeitet. Eines der jüngeren Beispiele dafür ist die im Sommer gegründete Schwerpunktstaatsanwaltschaft „Kriminalität im Gesundheitswesen“ in Brandenburg.
Ein halbes Jahr nach Gründung waren bei der Behörde sechs Verfahren anhängig, denen ausschließlich schwere Straftaten aus dem Gesundheitswesen zugrunde liegen sollen. Dazu zählen unter anderem Abrechnungsbetrug und der Vertrieb von gefälschten Arzneimitteln. Das mit sechs Mitarbeitenden besetzte Dezernat hatte in seinem ersten halben Jahr dagegen noch keine Verfahren anhängig, die in Zusammenhang mit Corona standen. Diese Verfahren galten für die spezialisierte Behörde nicht als schwerwiegend genug.


Redaktion:
Springer Medizin, Postfach 2131, 63243 Neu-Isenburg, Hauke Gerlof (V. i. S. d. P.)