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Steuern und Recht - 29.07.2022

Patientenstamm darf nicht verkauft werden

Inhaberinnen und Inhaber von Arzt- und Zahnarztpraxen dürfen ihren Patientenstamm nicht verkaufen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass entsprechende Kaufverträge unwirksam und Werbemaßnahmen für die übernehmende Kollegin oder den übernehmenden Kollegen sogar strafbar sind.

Der Entscheidung des BGH liegt ein konkreter Fall einer Zahnarztpraxis in Regensburg zugrunde: Dort hatte eine Zahnärztin ihre Praxis zur Jahresmitte 2018 aufgegeben und mit einem in der Nähe praktizierenden Kollegen einen „Kaufvertrag Patientenstamm“ geschlossen. Der Vertrag sah vor, dass für die Kartei mit rund 600 Patienten 12.000 Euro gezahlt werden sollten inklusive der Umleitung des Internet- und Telefonanschlusses von der bisherigen Praxis in die neue.
Außerdem war vereinbart, dass die Zahnärztin ihre Patienten in einem Rundschreiben auf die Übernahme durch den Kollegen hinweisen sollte.

Verstoß gegen Straf- und Berufsrecht

Nach Unterzeichnung des Vertrags holte die Zahnärztin Rat bei der Landeszahnärztekammer ein, deren Antwort ablehnend ausfiel. Die Zahnärztin verweigerte daraufhin die Erfüllung des Vertrags mit der Begründung, dass dieser unwirksam sei, weil er gegen Straf- und Berufsrecht verstoße.
Der Zahnarzt klagte auf Erfüllung des Vertrags und wurde vom Landgericht Regensburg sowie vom Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg abgewiesen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls hatte das OLG aber Revision am BGH zugelassen.

Keine Zuweisung gegen Entgelt

Der BGH kündigte in einem Hinweisbeschluss an, die Revision des Klägers zurückzuweisen, woraufhin dieser die Revision zurücknahm.
Zur Begründung seines Beschlusses verwies der BGH auf die Berufsordnung, die Zahnärztinnen und Zahnärzten eine Zuweisung gegen Entgelt nicht gestattet. Auch ein solches Entgelt für eine Zuweisung zu versprechen oder zu zahlen, sei nicht erlaubt.
Aufgrund dieser Regelung in der Berufsordnung sei letztlich auch der geschlossene Vertrag nichtig. Das Gericht verwies auch darauf, dass der BGH bereits 1986 einen analogen Beschluss für Humanmedizinerinnen und Humanmediziner gefasst habe – basierend auf der in diesem Punkt inhaltsgleichen Berufsordnung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte.

Fairer Wettbewerb und Vertrauen

Diese Klausel diene nicht allein der freien Arztwahl. Es gehe auch um fairen Wettbewerb unter Kollegen sowie um Vertrauen in die ärztliche und zahnärztliche Unabhängigkeit.
Neben dem standesrechtlichen Verbot liegt nach BGH-Auffassung außerdem ein Verstoß gegen Strafnormen vor, konkret gegen die Paragrafen gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen. Danach ist es strafbar, für die Zuführung von Patienten einen Vorteil anzunehmen oder zu versprechen.
Dem Hinweis des klagenden Zahnarztes auf einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit folgten die Richter nicht. Falls dieser vorliege, so die Richter, sei er im Interesse des Gemeinwohls gerechtfertigt. Auch eine Verletzung des Eigentumsrechts konnten sie nicht erkennen. Denn der Patientenstamm sei lediglich mit einer Umsatz- und Gewinnchance verbunden, die vom Eigentumsrecht aber nicht erfasst sei. Az.: VIII ZR 362/19


Redaktion:
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