Unser Jahresausblick für 2020 stand unter der Überschrift: „Vorsicht, zerbrechlich!“ Damals befürchteten wir vor allem, dass die Erholung des Welthandels nach dem Kontraktionsjahr 2019 schwächer ausfallen könne als weithin erwartet, was wiederum Risiken für die deutsche Industrie und die Investitionsausgaben mit sich gebracht hätte.
Nun ja – vier Monate nach Jahresbeginn verzeichneten wir einen Rückgang des Welthandels um 16% gg. Vj. und einen Einbruch der Exportaufträge in der deutschen Industrie um rund 30% gg. Vj. Rund um die Welt befanden sich zahlreiche Länder im ersten je verhängten Lockdown, der die ungebremste Ausbreitung des COVID-19-Virus verhindern sollte. Wie Scott Sagan in „Limits to Safety“ so richtig schrieb, geschieht regelmäßig etwas, was es so noch nie zuvor gegeben hat.
Nichtsdestotrotz wäre der Schluss allzu naiv, dass Makroprognosen wegen des – leider nicht ganz so seltenen – Auftretens von „schwarzen Schwänen“ ohnehin zum Scheitern verurteilt sind. Sowohl jeder Einzelne von uns als auch ganze Gesellschaften waren und sind während der immer noch andauernden Pandemie mit Unsicherheiten konfrontiert. Dies hat klar gezeigt, dass wir Strukturen brauchen – sei es für das Funktionieren unserer Gesellschaft, sei es auch in unserem eigenen Leben.
Gesellschaften sind ihrerseits dynamische Systeme, sodass der Begriff „Strukturen“ in diesem Zusammenhang auch die Erwartungen für die Zukunft umfasst, auf denen das politische Handeln und die politischen Strategien basieren.
Insofern lautet die Lehre für uns: Größere Sorgfalt ist sowohl bei der Erstellung von als auch im Umgang mit Prognosen geboten, und wir müssen deutlich machen, dass sie zum einen von ausdrücklich formulierten Annahmen und zum anderen (und insbesondere) von einer großen impliziten Annahme abhängen, nämlich, dass es darüber hinaus nicht zu größeren Zwischenfällen kommt.