Nachhaltigkeit mit zunehmendem Einfluss am Aktienmarkt

  • Interesse an nachhaltigen Investments steigt
  • Aktuell steht insbesondere der Umweltaspekt im Anlegerfokus
  • Einfluss von ESG-Faktoren auf die Aktienmarktentwicklung dürfte zunehmen

Seit 15 Jahren listet der „Globale-Risiken-Report“ des Weltwirtschaftsforums jährlich die größten globalen Gefahren für die Weltwirtschaft auf. In seinem Bericht 2020 sind die fünf größten Risiken erstmals alle ökologischer Natur: Wetterextreme, Versagen beim Klimaschutz, Naturkatastrophen, Verlust der Artenvielfalt und menschengemachte Umweltkatastrophen.
Der Kampf gegen den Klimawandel und für mehr Nachhaltigkeit in sämtlichen Bereichen unseres Lebens ist
das beherrschende Thema unserer Zeit. Das macht sich auch bei der Geldanlage bemerkbar: Das Interesse an
ESG-Investments, bei denen neben rein finanziellen Faktoren auch Umweltaspekte (engl.: environment), soziale
Komponenten (engl.: social) sowie die Qualität der Unternehmensführung (engl.: governance) berücksichtigt
werden, ist in den vergangenen Jahren insbesondere in Europa deutlich gestiegen. Dabei nimmt der Trend zum nachhaltigen Investieren gerade erst Fahrt auf. So startete beispielsweise die Deutsche Börse Anfang März den Index DAX 50 ESG, welcher bei der Titelauswahl neben Marktkapitalisierung und Börsenumsatz insbesondere die ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung berücksichtigt.

Klimawandel stärker im Fokus

Maßgeblich zum zuletzt deutlich gestiegenen Interesse an nachhaltigen Investments haben neben einem zunehmenden Klimabewusstsein der Bevölkerung und der Unternehmen auch politische Initiativen für mehr
Klimaschutz beigetragen. Nicht verwunderlich ist daher, dass unter Anlegern aktuell der Umweltaspekt
mehr im Fokus steht als soziale Aspekte oder die Unternehmensführung. Die deutsche Bundesregierung zum
Beispiel hat sich im Dezember 2019 auf ein Klimapaket verständigt, die Europäische Kommission jüngst ihren
„Green Deal“ für einen nachhaltigen ökonomischen Wandel vorgestellt und die Präsidentin der Europäischen
Zentralbank Christine Lagarde angekündigt, den Klimawandel bei der Geldpolitik stärker zu berücksichtigen.

Zunehmende Regulatorik könnte Trend stützen

Die zunehmende Verbreitung nachhaltiger Geldanlagen ist auch ein Resultat des technischen Fortschritts: Anleger haben heute bessere Möglichkeiten, Unternehmen mit einer ESG-konform ausgerichteten Unternehmensphilosophie zu identifizieren. Künftig dürften darüber hinaus regulatorische Maßnahmen die Nachfrage nach nachhaltigen Investments stützen. Ende 2019 haben sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) auf einen gemeinsamen Kriterienkatalog für nachhaltige Geldanlagen verständigt – auch wenn einige Punkte dieser sogenannten Taxonomie aktuell noch in der Diskussion stehen. Darauf basierend ist ein Ökolabel für Finanzprodukte geplant, an dem Anleger nachhaltige Anlagemöglichkeiten erkennen können. Außerdem ist geplant, dass Anlageberater ihre Kunden demnächst im Rahmen des Beratungsgesprächs fragen, ob und inwiefern sie Nachhaltigkeitsfaktoren bei ihrer Geldanlage berücksichtigen möchten – und im Falle von Interesse entsprechende Anlageprodukte anbieten. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, das Klimaziel der Europäischen Union zu erreichen: Bis zum Jahr 2030 soll der CO2-Ausstoß in der Staatengemeinschaft im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent reduziert werden. Schätzungen der EU-Kommission zufolge müssten dafür jährlich rund 180 Milliarden Euro klimafreundlich investiert werden. Unternehmen der Privatwirtschaft sollen daher zu entsprechenden Investments ermutigt werden, um die öffentliche Hand bei ihren Bemühungen zu unterstützen.

Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen als Orientierung

Zwar wird noch an Taxonomie und Ökolabel gearbeitet. Es gibt jedoch bereits heute Kriterien, an denen sich Anleger orientieren können – zum Beispiel, inwiefern Unternehmen zum Erreichen der „Sustainable Development Goals“ (SDGs) der Vereinten Nationen beitragen. Diese Nachhaltigkeitsziele sollen nach dem Willen der Mitgliedsstaaten zur Bewältigung der globalen sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen beitragen. Zu diesen Zielen gehören unter anderem menschenwürdige Arbeit, nachhaltiges Wirtschaftswachstum sowie Klimaschutz. Viele  Investmentprodukte orientieren sich an diesen Zielen und bieten damit Anlegern die Möglichkeit, in ihrer Geldanlage konkrete Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen.

ESG-Investments insbesondere in Europa im Trend

Auch wenn das Thema zuletzt verstärkt in den Fokus gerückt ist, handelt es sich bei der nachhaltigen Geldanlage beileibe Licht um ein neues Phänomen. Nachdem insbesondere Kirchen und gemeinnützige Akteure lange einen solchen Investmentansatz verfolgten, steigt nun das Interesse unter Privatanlegern. Wie groß es in Europa mittlerweile ist, zeigt eine Analyse der Suchanfragen bei Google: Noch nie wurde auf dem Kontinent so häufig nach dem Begriff „ESG“ gesucht wie aktuell. 2019 verfünffachte sich die Anzahl entsprechender Suchanfragen im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Emissionen von ESG-Anleihen sind im bisherigen Jahresverlauf auf ein neues Rekordhoch von 108,9 Mrd. Euro gestiegen (2019: 84 Mrd. Euro). Ganz konkret spiegelt sich der gestiegene Stellenwert von Nachhaltigkeitsfaktoren unter Investoren in den Kapitalzuflüssen entsprechender Fonds wider: Nach Daten des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) hat sich das in nachhaltigen Investmentfonds investierte Kapital allein in Deutschland von September 2014 bis Herbst 2019 auf mehr als 30 Milliarden Euro verdoppelt.

Aktien: Nachhaltige Unternehmen haben in Europa die Nase vorn

Für entsprechend risikobereite Anleger könnten Investments in das Zukunftsthema Nachhaltigkeit langfristig eine interessante Ergänzung im Depot darstellen – zumal viele Unternehmen in Europa, zum Beispiel aus den Bereichen erneuerbare Energien und Komponenten für Elektroautos, in den vergangenen Jahren verstärkt investiert und sich dabei einen technologischen Vorsprung erarbeitet haben. Das hat zwar ihre Profitabilität belastet, könnte sich in Zukunft aber auszahlen.

Keine Nachteile bei den Renditemöglichkeiten

Insgesamt geht Nachhaltigkeit nicht zulasten der Rendite: Betrachtet man den Aktienindex MSCI Europe ESG Leaders, der europäische Unternehmen mit einem vergleichsweise hohen ESG-Standard beinhaltet, zeigt sich auf Sicht der vergangenen fünf Jahre bereits eine geringfügig stärkere Wertentwicklung als im marktbreiten MSCI Europe. Auch im aktuellen, von der Coronavirus-Pandemie erschütterten Kapitalmarktjahr 2020 konnten sich ESG-Unternehmen in Europa besser entwickeln – bis Mitte Mai zeigten sich diese Unternehmen rund 3 Prozentpunkte besser als der Gesamtmarkt. Für entsprechend risikobereite Anleger, die ein besonderes Augenmerk auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung legen, könnte sich ein entsprechend nachhaltig ausgerichteter Investmentfonds anbieten.