Saubere Energie für Bitcoin?

Das Schürfen von Bitcoin, das sogenannte Krypto-Mining, verbraucht mehr Energie als manches Land auf der Welt. Die Umweltbelastung ist entsprechend groß. Nun versucht die Branche, durch grüneres Mining Akzeptanz zu gewinnen.

Mehrere Kühltürme zum kühlen von Rechenzentren.

Kohle war – wie hier im nordchinesischen Datong – gerade in China eine vielgenutzte Energiequelle für Krypto-Miner. Aber auch Wasserkraft wurde in der Regenzeit genutzt, weil sie dann günstig war. Foto: picture alliance/dpa/HPIC | Jia Zheng

Chinesische Krypto-Miner sind Bewegung gewohnt. Traditionell wanderten die Bitcoin-Schürfer mit den Regenzeiten von Nordchina in den regenreichen Süden des Landes und mit dem Ende des Monsuns wieder zurück in die Kohleabbaugebiete. Doch Mitte 2021 hat die Zentralregierung das Bitcoin-Mining verboten, schon wenige Wochen später waren alle großen Mining-Pools im Land geschlossen. Bis dahin waren mehr als zwei Drittel der Miner in China ansässig. Das energieintensive Schürfen hat jedoch schnell eine neue Heimat gefunden: Nordamerika.

Noch Anfang 2021 lag die für Bitcoin genutzte Computer-Rechenleistung Nordamerikas, gemessen in der sogenannten Hash Rate, bei weniger als 12 Prozent des globalen Werts. Nachdem die chinesische Regierung jedoch angekündigt hatte, das Mining zu verbieten, begann in der ersten Jahreshälfte die große Emigration der Schürf-Unternehmen aus China. Und bereits im August 2021 entfielen 45 Prozent der globalen Hash Rate auf Nordamerika. Auch in anderen Staaten stieg die Mining-Aktivität: Kasachstans Hash-Rate-Anteil wuchs binnen 24 Monaten von 1,42 Prozent auf über 18 Prozent und Russland verdoppelte seinen Anteil auf mehr als 11 Prozent.

Die relative Anteilsverschiebung ist – fällt der größte Akteur aus – schon mathematisch erwartbar. Doch nach einem kurzen Einbruch der Aktivität haben die Miner durch den Kapazitätsausbau an den „neuen“ Standorten schnell wieder zu alter Stärke gefunden; der Wegfall Chinas konnte rasch kompensiert werden. Das legen zumindest die geschätzten Energieverbrauchsdaten nahe, die die Universität Cambridge im „Cambridge Bitcoin Energy Consumption Index“ (CBECI) regelmäßig veröffentlicht. So wurde Anfang Dezember 2021 fast wieder der Höchststand von Mitte Mai erreicht.

Wie grün ist die Energie fürs Mining?

Die Hoffnung ist groß, dass mit der Verlagerung des Minings auch die negativen Umweltauswirkungen des hohen Energiebedarfs sinken könnten. Schließlich hatten die Krypto-Miner im Asien-Pazifik-Raum (neben China vor allem Malaysia) angegeben, zu 65 Prozent Energie aus Kohle einzusetzen. Die chinesische Provinz Innere Mongolei hatte die Krypto-Minen nicht zuletzt auch deshalb geschlossen, weil die Region ihre von Peking vorgegebenen Klimaziele gerissen hatte. Doch mit dem Verbot in China wurde zugleich die Nutzung der sauberen Wasserkraft in der Regenzeit unmöglich. In Nordamerika nun setzen die Bitcoin-Schürfer zu einem ähnlichen Anteil auf Wasserkraft, nutzen jedoch deutlich seltener Kohle. Allerdings ist der Anteil der aus Gas gewonnenen Energie höher als in China. Und in Kasachstan – derzeit Nummer 2 nach Hash Rate – wird vor allem fossile Energie aus Kohle und Gas eingesetzt.

Eine Balkendiagramm für die Energiequelln in Nordamerika
Eine Balkendiagramm für die Energiequellen in Europa
Eine Balkendiagramm für die Energiequellen in Lateinamerika und der Karibik
Eine Balkendiagramm für die Energiequellen in Asien

Alle Infografiken auf dieser Seite: Redaktion 4/Quelle: 3rd Global Cryptoasset Benchmarking Study.

Erste Mining-Unternehmen haben inzwischen aber ihren Rückzug aus Kasachstan angekündigt – allerdings nicht aus Umweltgründen, sondern weil das Stromnetz unzuverlässig ist. Zugleich verschärft die Regierung ihren Ton vor allem gegenüber halblegalen Krypto-Minern – diese seien schuld an der Überlastung der Netze und an Stromausfällen im aktuellen Winter. Auch im Kosovo, im Iran oder in Argentinien wird der Druck auf Bitcoin-Schürfer größer, weil die Energieversorgung unzureichend ist. Argentinien hatte mit seinen subventionierten Strompreisen Miner angezogen, nun werden Großverbraucher aufgefordert offenzulegen, wofür sie den Strom verwenden. Denn viele Unternehmen haben offenbar Bitcoin-Miner zur Untermiete einziehen lassen. Das Ziel ist es, die Preise für Miner zu erhöhen und diese stärker an notwendigen Investitionen ins Energienetz zu beteiligen.

Die Lobby der Krypto-Miner

Um das Image der Bitcoin-Schürfer zu verbessern, haben sich seit rund einem Jahr mittlerweile knapp 30 Mining-Unternehmen im „Bitcoin Mining Council“ (BMC) zusammengeschlossen. Der BMC gibt an, dass die Branche im Vergleich zu anderen Industrien einen vergleichsweise geringen Energieaufwand habe. Nicht nur Straßenverkehr oder Immobilien seien deutlich energieaufwendiger, selbst der Goldabbau verbrauche global etwa das 5-Fache an Energie; Computerspiele seien ebenfalls größere Stromkonsumenten. Außerdem sei die Effizienz des Minings dank neuer IT-Technologie deutlich gestiegen; in den acht Jahren von 2013 bis 2020 gar um das 42-Fache. Und schließlich sei der Energiemix der Schürfer deutlich nachhaltiger als der jedes anderen bedeutenden Industrielands der Welt: Der Anteil nachhaltiger Energie am Gesamtverbrauch liege bei über 50 Prozent, bei den BMC-Mitgliedern, die für ein Drittel des Gesamtmarkts stehen, sogar bei rund zwei Dritteln. Im BMC-Vergleich liegt in Japan und China der Anteil nachhaltiger Energien jeweils nur bei etwa 16 Prozent, in den USA bei knapp einem Drittel.

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so effizient wie 2013 war die Krypto-Mining-Branche lt. Branchenverband im Jahr 2020.

Der Vorteil der Krypto-Miner: Anders als viele traditionelle Industrien sind sie kaum ortsgebunden. Damit können sie nicht nur im Jahreszeitenwechsel wandern, sondern sich auch an abgelegenen Orten ansiedeln, die beispielsweise über Wasserkraft verfügen. Die Branche zieht dorthin, wo Energie günstig vorhanden ist – somit reduziert sich auch der teils hohe Transportaufwand. Beispielsweise können die Miner Erdgas nutzen, das bei der Ölgewinnung normalerweise ungenutzt abgefackelt wird. Nicht zuletzt darum ist Texas ein neues Zentrum für die Bitcoin-Miner geworden.

Ziel: Klimaneutralität

Während der unverbindliche BMC vor allem auf Freiwilligkeit und eine Image-Verteidigung der Branche setzt, haben sich rund 200 Unternehmen aus dem gesamten Krypto-Umfeld zum „Crypto Climate Accord“ bekannt. Das Ziel ist, in möglichst kurzer Zeit ganz auf die Nutzung von fossilen Energieträgern beim Krypto-Mining verzichten zu können. Bis 2040 soll die gesamte Krypto-Branche klimaneutral („net zero emissions“) sein.

Vor der Branche liegt allerdings noch ein sehr weiter Weg. Das beginnt bei der unsicheren Datenlage – schon der CBECI der Uni Cambridge basiert zu großen Teilen auf Schätzungen – und endet nicht bei der Vielzahl unbekannter, halblegaler Schürfunternehmen. Der hohe Energieverbrauch ist in der dezentralen, replikativen Netzwerk-Technologie angelegt und per definitionem damit ineffizient. Oder wie der BMC es selbstbewusst formuliert: „Der Energiekonsum von Bitcoin ist kein Fehler, sondern eine Stärke.“ Schließlich bedeute ein großes Netzwerk Sicherheit.

Während sich der BMC bereits mit anderen Industrien und Lebensbereichen vergleicht, sind die Zweifel am Nutzen – zumal in Relation zum Aufwand – außerhalb der Bitcoin-Branche noch hoch. Ein Vergleich der Energiekosten von Bitcoin und Wohngebäuden, wie ihn der BMC veröffentlicht, wird manchem Kritiker daher auch eher absurd erscheinen, als zu einem Verstummen der Kritik am Bitcoin-Energieverbrauch führen. Die Branche weiß, dass auch ihr hoher Energiekonsum ihrer Etablierung als ernstzunehmendem Sektor im Weg steht. Obwohl ihr Anteil am globalen Energieverbrauch minimal ist – rund 0,12 Prozent der weltweit erzeugten Energie und 0,38 Prozent der weltweit verschwendeten Energie (BMC-Angaben) –, wird die Branche rasch „grüner“ werden müssen.

02/2022
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.