Finanziert mit besten Verbindungen

Mit Steckverbindern wächst die Binder Gruppe zweistellig. Das klappt nur dank ständigem Aus- und Umbau, auch bei der Finanzierung. Deshalb hat sich das Familienunternehmen nun für einen Konsortialkredit entschieden

Text: Stephan Schlote

Finanziert mit besten Verbindungen

Unspektakuläre Produkte für spektakuläre Anwendungen: Binder-Stecker steuern Technik Foto: Martin Wagenhan

Manche Unternehmer haben in einer Garage begonnen. Andere, wie hier, in einer Scheune: Am Neujahrstag 1960 macht sich der damals 31-jährige Dreher Franz Binder selbstständig. Das Geld für die erste Maschine kommt vom Schwiegervater, die fertigen Metallteile liefert er mit dem Leiterwagen. Keine fünf Jahre später hat Binder sein unternehmerisches Ziel erreicht: 15 Mitarbeiter, dann sollte Schluss sein. Mehr, so seine damalige Überzeugung, sei nicht gesund.

Heute beschäftigt die Binder Gruppe an 15 Standorten weltweit rund 1700 Mitarbeiter. Sohn Markus hat 2014 übernommen, der Umsatz legt seit Jahren im zweistelligen Prozentbereich zu, ein Ende des Aufwärtstrends ist nicht in Sicht. „Wir werden regelrecht überrannt“, sagt CFO Siegbert Vollert. Dabei verkauft Binder ein auf den ersten Blick wenig spektakuläres Produkt: Rundsteckverbinder. Das sind ­kleine, mehrpolige Elektrostecker, die immer dann benötigt werden, wenn es darum geht, ein Strom- oder Datenkabel sicher mit einer ­Maschine zu verbinden. Gebraucht wird das fast überall, am Traktor, in der Medizintechnik, am Funkmast, in Stadion-Sitzheizungen, sogar in einer Forschungsstation in der Arktis oder an den Dachfenstern der Zentrale von Apple im kalifornischen Cupertino. Nur: Solche Stecker bauen und vertreiben auch andere. „C-Produkt“ heißt das in der Industrie, und man denkt erst mal: eigentlich nichts Besonderes.

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Binder folgt den eigenen Regeln

Warum ist Binder dann einer der weltweit führenden Hersteller im Markt der Rundsteckverbindungen? Vielleicht, weil Familie und leitende Mitarbeiter über die Jahre ein paar ziemlich gute Entscheidungen getroffen haben. Dabei folgten sie mehr ihrem eigenen Gespür als jenen Regeln, wie sie etwa ein Unternehmensberater empfehlen würde. Zum Beispiel …

  • ...flexibel bleiben statt Economies of Scale nutzen. Über 130 Millionen Stecker jährlich – das klingt erst einmal nach Massenproduktion, tatsächlich aber herrscht bei Binder eher das Gesetz der kleinen Zahl. Viele Bestellungen umfassen gerade mal zehn identische Produkte. „Unsere niedrigen Losgrößen“, sagt Vollert, „sind nichts für asiatische Hersteller.“
  • ...Mehrwert bieten statt Sonderangebot. „Wir können nicht billig“, sagt der CFO. Aber das erwartet auch niemand: Jeder fünfte Stecker ist individuell auf den Kunden angepasst, oft ist Binder Systemlieferant für ganze Baugruppen. „Wir sind Problemlöser“, sagt Vollert, „kein Preisführer.“
  • ...auch bei Standardprodukten auf Qualität setzen. Einige Stecker besitzen sogar Patentschutz, andere werden seit Jahrzehnten unverändert gebaut. Die Frage ist nur, in welcher Qualität. Das ist der Augenblick, an dem Markus Binder die Anekdote von dem Einkäufer erzählt, der die Stecker von zwei Herstellern in die Luft warf und dann kräftig drauftrat. Heil blieb nur der von Binder.
  • ...selbst machen statt Fertigungstiefe reduzieren. Bei Binder bauen sie fast alles selbst, sogar die Kunststoffteile werden selbst geschmolzen. Das bedeutet eine seltene Fertigungstiefe von 80 Prozent. Und macht unabhängig von Lieferanten und deren Lieferzeiten.
  • ...Auswahl bieten statt Sortiment bereinigen. Andere dünnen aus, bei Binder sind mal eben 16 000 Steckverbindungen „on stock“. Diese Vielfalt bietet kein anderer, und das kommt an. Der typische Kunde will 150 verschiedene Teile. Und die sind innerhalb eines Tages auf dem Lkw.
  • ...nicht nur auf Maschinen setzen. Wer durch die Fabrik läuft, sieht viele Fertigungsstationen und viele Menschen. Ein kleiner Rund­stecker mit 24 Polen besteht aus rund 20 Einzelteilen bis hin zum vergoldeten Kontaktstift. Da steckt bis zur Qualitätskontrolle viel filigrane Feintechnik drin – so viel, dass Binder in einem seiner Werke sogar ehemalige Uhrmacher beschäftigt.

Binder macht einiges anders, aber nicht alles. So hat Markus Binder mit inzwischen elf Auslandsstandorten massiv internationalisiert und das technikgetriebene Unternehmen stärker auf den Vertrieb ausgerichtet. Ein eigenes Entwicklungszentrum arbeitet an neuen Anwendungen im Bereich der gedruckten Elektronik. Und im scheinbar schon übervollen LED-Markt verkauft Binder inzwischen erfolgreich spezielle Leuchtmittel für Werkzeugmaschinen. In einigen Jahren soll auch eine Steckverbindung per RFID oder Bluetooth kommunizieren. Und wenn es mal richtig feucht und schmutzig wird, kommt der neue „Harsh Environment Connector“ zum Einsatz.

    Diese Mischung aus Selbermachen und Bessermachen hat Binder ein besonderes Wachstum beschert. Und es wäre alles perfekt, wenn dies nicht auch einen erheblichen Veränderungsdruck zur Folge hätte. Schnell wachsende Unternehmen müssen sich immer wieder an das größere Format anpassen. Das geht irgendwann nur noch mit massiven Investitionen. „Uns zwickst’s an allen Ecken und Enden“, sagt der Finanzchef, „wir sind aus unserem alten Anzug rausgewachsen.“ Stolz zeigt er die Baupläne einer neuen und wesentlich größeren Fertigung am Stammsitz, bald schon rollen die Bagger. Es wird die größte Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte. Was für viele Bereiche im Unternehmen zutrifft, gilt auch für die Finanzierung: Sie muss mitwachsen. Vollert, der sich selbst als einen „klassisch bilateralen Typ“ bezeichnet, hat sich dennoch für einen völlig neuen Weg entschieden. Im Mai 2018 vereinbart er mit drei Banken einen Konsortialkredit, die Deutsche Bank ist federführend dabei. Bis zum Schuldscheindarlehen hat er alle möglichen Formen der Finanzierung durchgerechnet und verworfen, „der Konsortialkredit war das Sinnvollste“. Seitdem hat der Anzug wieder Luft, denn mit dem Vertrag konnte Binder seinen finanziellen Spielraum deutlich erweitern. Damit ist nicht nur der Neubau finanziert. Kommentar des zuständigen Firmenkundenberaters bei der Deutschen Bank: „Aus Finanzierungssicht sind die nächsten Jahre für Binder kein Thema mehr.“

      Banken verzichten auf individuelle Kündigung

      Strukturierte Finanzierung, Club Deal oder Konsortialkredit – diese drei Begriffe meinen alle das Gleiche: den Abschied von der traditionell zweiseitigen Finanzierung zwischen Bank und Unternehmen. Viele einzelne Kredite, viele Laufzeiten, Konditionen und Fälligkeiten, viel Papier. Da noch den Überblick zu behalten fällt schwer ab einer gewissen Umsatzgröße. Deshalb stellen inzwischen auch immer mehr Familienunternehmen ihre Finanzierung unter das gemeinsame Dach eines Bankenkonsortiums. Alle Banken für einen Kunden, ein Vertrag für alle. Ist der erst mal verhandelt, wird das Leben eines CFO meist deutlich einfacher.

      Binder folgt den eigenen Regeln

      Konsortial-Kredit war „Meilenstein“

      Denn anders als zuvor erhält das Unternehmen Finanzierungs- und Planungssicherheit. Eine strukturierte Finanzierung ist kaum zu kippen und längerfristig als die meisten bilateralen Kreditverträge. Einfacher auch, denn der Finanzchef muss nicht wegen jeder einzelnen Investition die Banken abtelefonieren. Die mitunter wenig aufgeräumte Kredit- und Bankenlandschaft wird sortiert und geordnet, es kommt im Wortsinne „Struktur“ in die ganze Sache. Und: Die einseitige Abhängigkeit von einer Bank entfällt. Zudem gibt es klare Spielregeln, alle Beteiligten wissen vorab, was geht und was nicht. Zwar ist das Reporting an die führende Bank meist aufwendiger als zuvor. Dafür aber haben die beteiligten Banken auf ihr individuelles Kündigungsrecht verzichtet. Für eine Bank, die naturgemäß auf Nummer sicher gehen muss, auch keine Selbstverständlichkeit.

      Die nötigen Fremdmittel hätte ein so renditestarkes Unternehmen wie Binder wahrscheinlich immer bekommen. Doch Vollert schätzt auch die Flexibilität: Kommt plötzlich eine Chance um die Ecke, etwa eine potenzielle Übernahme, kann der CFO handeln. „Wir haben Luft nach oben“, sagt er. Mehr noch: Bei Bedarf kann das ganze Volumen mit überschaubarem Aufwand deutlich erhöht werden.

      Berechenbarkeit macht stark

      Einen Rat an die Finanzkollegen in anderen Unternehmen? Den Konsortialvertrag so kurz und einfach wie möglich halten. Und: nur langjährig vertraute Banken nehmen. Vollert weiß um den Stellenwert einer berechenbaren Beziehung zur Bank. In der Wirtschaftskrise 2008 waren die Umsätze des Industriezulieferers vorübergehend dramatisch eingebrochen. „Die Deutsche Bank“, sagt Vollert, „hat uns die Treue gehalten.“

      Im Spätsommer wollte sich der Finanzchef noch einmal bei den beteiligten Mitarbeitern der drei Konsortialbanken bedanken. Gemeinsam traf man sich gut schwäbisch im Heilbronner Ratskeller. Jedem der Anwesenden übergab er einen kleinen Plexiglas-Quader, einen jener „Tombstones“, mit denen in der Finanzindustrie ein erfolgreich vollzogener Corporate Deal verewigt wird. Für Vollert machte das absolut Sinn. „Der Konsortialkredit“, sagt er heute, „war für uns ein Meilenstein.“

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      results. Das Unternehmer-Magazin der Deutschen Bank 1-2019