Mit Highspeed aufs Konto

Zahlungssicherheit, besseres Rating, gesunde Bilanz: Factoring wird im Mittelstand immer beliebter. Aber für wen eignet sich welche Form des Forderungsverkaufs?

Text: Stephan Schlote

Mit Highspeed aufs Konto

Fashionlogistiker Meyer & Meyer setzt auf neue Dienstleistungen: Die Osnabrücker beraten und begleiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Und so kommunizieren sie ihr Portfolio auch bei ihren Kunden: „From sheep to shop“. Foto: MEYER & MEYER HOLDING SE & CO. KG

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Wenn der Hamburger Holz- und Papierhändler Stefan Prodöhl zu seinen Lieferanten fliegt, dann geht es mitunter tief hinein nach Russland. Archangelsk oder der Ural sind die Ziele, stundenlange Flüge über die scheinbar endlosen Wälder der Taiga. Der sogenannte boreale Nadelwald ist ein gigantisches Rohstoffreservoir, hier wächst, was Jacob Jürgensen weltweit vermarktet. Den Vertrieb von Hölzern, Papieren und Pappen einschließlich aller Services beherrscht sein vor über 130 Jahren gegründetes Handelshaus Jacob Jürgensen wie nur wenige globale Lieferanten – und auch Kundenbeziehungen bestehen oftmals seit Jahrzehnten.

Nach Indien etwa liefern die Hanseaten Papier für den boomenden Zeitungsmarkt. Zwei oder drei Millionen Auflage sind dort keine Seltenheit. 2015 machte dieses Geschäft einen großen Sprung nach vorne – rund ein Drittel mehr Umsatz binnen Jahresfrist. Das stellt selbst kern­gesunde Unternehmen vor eine Herausforderung. „Wir mussten auf einen Schlag ein Viertel mehr finanzieren als zuvor“, sagt Finanzchef und Mitgesellschafter Jörg Wendt. Und dass die Kreditoren schnell bezahlt werden, die Debitoren aber erst Monate später überweisen, ist gängige Praxis im Überseehandel. So stand das ehrwürdige Hamburger Handelshaus plötzlich vor dem bekannten Paradox schnell wachsender Unternehmen: Erfolg im Markt, doch die Kennziffern rutschen ab. Und die Bank? Die hatte noch eine andere Idee als Alternative zum klassischen Kredit. Der zuständige Betreuer empfahl, die gewohnte Finanzierung einfach mit einem weiteren Instrument zu ergänzen. Konkret: einen Teil der Forderungen per Factoring zu verkaufen. „Ohne diesen Vorschlag“, sagt Wendt heute, „hätten wir den Umsatzsprung nicht geschafft.“ Rund ein Drittel des Forderungsbestands verkauft Wendt derzeit an die Postbank Factoring, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bank. So gelang Jacob Jürgensen ­etwas, das alles andere als selbstverständlich ist: kräftiges Wachstum ohne zusätzlichen Kredit, ohne zusätzliche Belastung der Bilanz, mit stabilen Finanzkennzahlen und stabilem Rating. Mehrere Jahre hat Jörg Wendt inzwischen Erfahrungen gesammelt mit dieser Form der Finanzierung. Sein knappes Urteil: „voll zufrieden“

Factoring etabliert sich auch bei kleinen Firmen

Mit dieser Einstellung steht er nicht allein. Der Markt wächst kontinuierlich, von „dynamischen Neukunden­zahlen, gerade aus dem Mittelstand“, berichtet der Deutsche Factoring-Verband. Vorstand Michael Menke: „Das starke Neukundenwachstum belegt, dass sich diese ­Finanzierungsform auch bei kleinen und mittelständischen Kunden immer weiter etabliert.“

Tatsächlich ist Factoring für viele Unternehmen im Mittelstand sinnvoll. Etwa wenn die Kreditlinien so gut wie ausgereizt sind. Oder wenn Kunden lange, mitunter mehrmonatige Zahlungsziele erwarten. Oder die Außenstände längst ein Drittel oder mehr der Bilanzsumme ausmachen. Dann löst der Verkauf dieser Forderungen meist eine ziemlich positive Wirkungskette aus: Mit der gewonnenen Liquidität werden die Verbindlichkeiten reduziert, die Bilanz wird verkürzt, die Eigenkapitalquote steigt. Da der Forderungskäufer, der Factor, das Ausfallrisiko übernimmt, ist das Unternehmen abgesichert. Das wiederum steigert die Bonität. Wesentliche Bilanzkennziffern verbessern sich, neues Wachstum lässt sich ohne zusätz­liche Verschuldung finanzieren. Und, auch das ein Argument: Der Kunde muss vom Ganzen nichts erfahren. Stilles Factoring nennt sich das. Es ist, anders als das offene Factoring, der Standard im Markt.

Jacob Jürgensen: Wachsendes Geschäft
Jacob Jürgensen: Wachsendes Geschäft

Jacob Jürgensen: Wachsendes Geschäft

Wachstum ist bei diesen Produkten ganz natürlich: Das Hamburger Handelshaus Jacob Jürgensen handelt mit Forstprodukten, das sind Holz, Papier, Pappe. Zwischen Bezahlung der Lieferanten und Zahlungseingang vom Kunden liegen oft Monate, die Beträge schnell im siebenstelligen Bereich. Als plötzlich große neue Aufträge vor der Tür standen, fand Finanzchef Jörg Wendt im Factoring eine zusätzliche Finanzierungsform. Seitdem ist Wachstum auch für das Unternehmen wieder ganz natürlich. 

FOTOS: GETTY IMAGES/CAIAIMAGE/MARTIN BARRAUD, JACOB JÜRGENSEN GMBH & CO. KG

Für die Banken selbst, einige mag dies erstaunen, gehört Factoring nicht zum Produktportfolio. Meist muss der Kunde ein Haus weiter ziehen zu einem externen Partner. Bei der Deutschen Bank läuft das ein wenig anders: Mit der Postbank Factoring (PBF) hält die Bank eine eigene Factoringgesellschaft im Konzernverbund. Die ist unangefochtener Marktführer und unter den Top 5 der einzige Anbieter mit deutschem Gesellschafterhintergrund. Die Tochter der Deutschen Bank ist der Platzhirsch im Markt, erledigt das Factoring für Unternehmen mit fünf Millionen Euro Jahresumsatz genauso wie für Dax-Konzerne. Schon seit 2001 arbeiten die beiden Banken hier Hand in Hand. Monika Loock-Weber, die  langjährige Geschäftsführerin, kommt gar von der Deutschen Bank. PBF ist Vollanbieter im Factoringmarkt, deckt alles ab, was an Varianten möglich ist. „Wir sind auch für Sonderlösungen offen“, sagt Loock-Weber, und deshalb gilt oftmals: „Wenn’s kompliziert wird, sind wir dabei.“ Entschieden ist dann schnell, sind alle Unterlagen da, meist binnen wenigen Tagen.

Einst galt Factoring als teuer und umständlich. Das ist längst vorbei. „Die Kosten liegen fast auf dem Niveau einer Bankfinanzierung“, sagt Jörg Wendt von Jacob Jürgensen. Zudem bringt die Digitalisierung Effizienz­gewinne: denn das Verarbeiten großer Datenmengen, vormals ein ungeliebter Extraaufwand, ist heute kein Thema mehr. „Das Produkt“, sagt Klaus-Walter Müller, Leiter Trade Finance und Corporate Cash Management bei der Deutschen Bank, „hat sich extrem entwickelt.“ Das bestätigen auch die Kunden: „Der administrative Aufwand“, sagt Finanzmann Wendt, „ist wirklich überschaubar.“ So ist Factoring als Finanzierungsinstrument längst anerkannt.

Keine Umsatzvorgaben oder Mindestmengen

Das hat auch der Osnabrücker Fashionlogistiker Meyer & Meyer erkannt. Das Familienunternehmen erbringt umfassende logistische Dienstleistungen für namhafte Textilkunden. Den reinen Transport oder die Lagerung können auch andere, doch was Meyer & Meyer so erfolgreich macht, ist das Komplettangebot als Partner der Modebranche. Es ist der Zusatznutzen über den Lkw-Container hinaus, und das sind Services entlang der gesamten textilen Wertschöpfungskette. „From sheep to shop“ heißt das hier, und man darf es wörtlich nehmen. Meyer & Meyer unterstützt schon bei der Rohwaren­beschaffung: Die Osnabrücker waschen Jeans auf „stone­washed“, brennen trendige Löcher in die Hosen.

„Wenn’s kompliziert wird, sind wir dabei.“

Meyer & Meyer: Erfolg mit Service
Meyer & Meyer: Erfolg mit Service

Meyer & Meyer: Erfolg mit Service

Einen Anzug oder ein Kleid vom weit entfernten Hersteller knitterfrei zum deutschen Lager zu transpor­tie­ren, das ist für Meyer & Meyer Kerngeschäft pur. Doch den Vorsprung im Markt hat der ­führende Fashionlogistiker Europas durch ­zusätzliche Services geschafft. Nachdem er die dazu nötigen Investitionen gestemmt hatte, wollte CEO Jan Weber unabhängiger von der klassischen Banken finanzierung werden – und setzte auf Factoring. Die Zahlungen von 270 Kunden werden dabei einbezogen. 

FOTOS: MEYER & MEYER HOLDING SE & CO. KG

„Das Produkt Factoring hat sich extrem entwickelt“

All das verlangte hohe Investitionen. Großwaschanlagen für Textilien, neue automatisierte Lager- und Fördertechnik, neue EDV, kontinuierliche Überwachung der gesamten Lieferkette. Das Wachstum stieg – und damit die Kreditlinien. Bei einem gesunden Unternehmen wie Meyer & Meyer eigentlich kein Problem. Und doch wollte CEO Jan Weber „ein Stück unabhängiger werden von der klassischen Bankenfinanzierung“. Im Factoring, so die Vorgabe an den damaligen CFO, sah er „eindeutig einen zusätzlichen Finanzierungsbaustein“.

Webers Vorgabe war strategisch richtig, operativ aber ziemlich anspruchsvoll. Denn die Osnabrücker fakturieren für jedes ihrer Logistikzentren getrennt, eine hohe Zahl kleinteiliger Belegbuchhaltung inklusive. Das Ganze mit Rechnungen an rund 270 Kunden, allesamt Textilhersteller im In- und Ausland. Das klingt nach Komplexität pur, doch Weber lobt das „sehr einfache System in der Administration: Wir melden die Umsätze, die wir ins Factoring geben wollen, zwei Tage später ist das Geld auf dem Konto“. Einen Punkt findet er „besonders angenehm“: die hohe Flexibilität seines Factors, der PBF. Eine über­raschende Eingangsrechnung außerhalb der Reihe? „Bezahle ich aus dem Factoring.“ Es gibt keine Umsatzvor­gaben, keine Mindestmengen, Weber entscheidet von Fall zu Fall, ob und wie er das Instrument des Factorings einsetzen will. Und auch Jörg Wendt gibt nur ausgewählte Rechnungen weiter. Die Regel: hohe Beträge, zahlungs­sichere Kunden. Ist der Kunde dann doch mal in Verzug, soll das nicht Sorge der Factoringbank sein. „Das ist unser Partner“, sagt Wendt, „da fragen wir sanft nach, kein Dritter.“ Ein freundlicher Umgang ist nicht nur in Indien entscheidend, das weiß auch ein Finanzmensch.

Die Finanz- und Firmenchefs von Jacob Jürgensen und Meyer & Meyer besitzen heute langjährige Erfahrungen mit Factoring. „Ich kann das wirklich nur empfehlen“, sagt Meyer-&-Meyer-Chef Jan Weber. „Factoring als Baustein einer gesunden Finanzierung, das sollte eigentlich jeder haben.“ Jacob Jürgensens Finanzmann Wendt mag da nicht widersprechen. Das Hamburger Handelshaus erlebt gerade wieder einen neuen Schub, ausgelöst diesmal durch Wellpappen für den boomenden Onlineversand. Wie er diesen Umsatzsprung nun finanziert? Diese Frage, sagt er, sei doch nicht ernst gemeint?

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results. Das Unternehmer-Magazin der Deutschen Bank 2-2019