Was sind nachhaltige Finanzierungen?

Der Trend zur Nachhaltigkeit hat längst auch die Finanzierungen erfasst. Die Banken treiben das Thema mit Macht voran. Und sie legen fest, was eine nachhaltige Finanzierung eigentlich ist.

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Macht die Welt nicht unbedingt schöner, aber nachhaltiger: die Wasseraufbereitungsanlage Sonia Vihar in Neu Delhi, Indien. Foto: imago images / Hindustan Times

Die traditionellen Jahresgespräche mit den Firmenkundenbetreuern haben einen klar strukturierten Verlauf. Doch zunehmend wird der Katalog um eine Facette ergänzt: In den Gesprächen mit mittelständischen Kunden setzen die Berater mittlerweile auch das Thema Nachhaltigkeit auf die Agenda.

Nachhaltigkeits-Finanzierungen trotzen Corona

Auch wenn zwischenzeitlich immer wieder Befürchtungen zu hören waren, die Mischung aus Pandemie, Lieferkettenproblemen, Energiekosten und allgemeiner Inflation könnten die Sustainability-Anstrengungen der deutschen Wirtschaft bremsen, so ist mittlerweile klar geworden: Das wird nicht passieren. Im Gegenteil, der Zug nimmt gerade mächtig Fahrt auf. Und die Finanzwirtschaft treibt die Unternehmen voran. Banken und institutionelle Investoren sind gleichermaßen erfasst vom Trend zur Nachhaltigkeit.

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Jetzt wird es pragmatisch

Nach Jahren der Verunsicherung und Ratlosigkeit wird nun zugepackt. Vorbei sind die Zeiten, in denen diskutiert wurde, ob nur Unternehmen oder auch Finanzierungen „grün“ sein können und ob der sauberste in einer „schmutzigen“ Branche nachhaltig ist oder nur ein Feigenblatt. Der Finanzierungsmarkt ist über diesen Streit hinweggegangen und hat gezeigt, dass es für alle Ansätze Argumente und Investoren gibt. Und es haben sich Standards herausgebildet, an denen sich alle orientieren können.

Noch ist der Markt nicht klar ausdifferenziert, aber die Lähmung ist verschwunden – nun soll alles ganz schnell gehen. Keine Bank, die das Thema nicht als geschäftliches Wachstumsfeld besetzen will, das auch noch positiv auf das eigene Image abstrahlt. Auch Deutschlands größte Bank hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Die Deutsche Bank hat bis Ende 2022 bei nachhaltigen Finanzierungen und Anlagen ein kumuliertes Volumen von mehr als 200 Milliarden Euro erreicht. Für die Jahre 2023 bis 2025 will die Bank pro Jahr ein zusätzliches Volumen von jeweils 100 Milliarden Euro ermöglichen. Somit soll zum Jahresende 2025 ein kumuliertes Volumen von mehr als 500 Milliarden Euro seit Januar 2020 erreicht werden. Geregelt werden die Anstrengungen der Bank in einem Rahmenwerk, dem „Sustainable Finance Framework“.

Ein Blick in das Rahmenwerk hilft Mittelständlern zu verstehen, wie Banken das Thema nachhaltige Finanzierung angehen. Für den eiligen Leser hier die gute Nachricht: Das Rad wird nicht neu erfunden, das Rahmenwerk orientiert sich an der sogenannten EU-Taxonomie und an internationalen Standards. Das ist gut, weil Mittelständler wenig Lust haben dürften, sich mit gänzlich unterschiedlichen Ansätzen ihrer Hausbanken zu beschäftigen.

Drei Wege zur nachhaltigen Finanzierung

Auf drei Wegen gelangt man zu einer nachhaltigen Finanzierung. Der erste Weg führt über die Verwendung der Mittel. Unternehmen müssen die Finanzierung entweder dafür einsetzen, die Umwelt zu erhalten, zu verbessern oder zu schützen. Oder sie ermöglichen die soziale Entwicklung insbesondere von Randgruppen. Was so lapidar formuliert noch nebulös bleibt, wird nach Sektoren mit Beispielen unterfüttert: Die Produktion von Bauteilen für die Gewinnung regenerativer Energie fällt genauso darunter wie Investitionen in verbessertes Recycling oder in bezahlbaren Wohnraum. Hier wird also ein Anreiz geschaffen, eine Investition in eine bestimmte Richtung zu lenken. Im Zweifel hilft ein Gespräch mit der Bank, um zu verstehen, ob eine geplante Ausgabe die Kriterien erfüllt.

Der zweite Weg ist der schwierigste. Über ihn kommen nur solche Unternehmen zu einer nachhaltigen Finanzierung, die mindestens 90 Prozent ihres Umsatzes aus nachhaltiger Tätigkeit erwirtschaften. In diesem Fall ist die Verwendung der Mittel egal.

Drei Wege zur nachhaltigen Finanzierung

Der dritte Weg wiederum steht vielen Unternehmen offen. Finanzierungen werden als nachhaltig eingestuft, wenn sie an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt sind. Diese Ziele müssen – nach Einschätzung der Bank – ehrgeizig formuliert sein und die Kernaktivitäten des Unternehmens betreffen. Hier werden Anreize geschaffen, das eigene Geschäft möglichst rasch auf Nachhaltigkeit umzustellen. Typischerweise winken dem Kunden niedrigere Finanzierungskosten, wenn die selbst gesteckten Ziele tatsächlich erreicht werden.

Bankenrating und Reporting

Die drei Wege bieten für fast jeden Mittelständler die Möglichkeit, eine nachhaltige Finanzierung abzuschließen. Allerdings nicht für jede Investition. Auch im Kunden-Rating der Banken spiegelt sich die Nachhaltigkeit zunächst nur qualitativ wider. „Die Einbindung der Nachhaltigkeit in die klassische Risikobeurteilung befindet sich noch in einer sehr frühen Phase“, sagt Viktoriya Brand, die den Bereich Group Sustainability bei der Deutschen Bank leitet. Doch die Datenerfassung und die Modellierung haben längst begonnen Auch wenn es noch viele Fragen dazu gibt, inwiefern diese Themen auf ein Rating Einfluss nehmen werden: Künftig könnten auf Unternehmen, die sich der Nachhaltigkeit konsequent verweigern, höhere Kosten zukommen.

„Auch Kunden und Lieferanten werden für ihre eigenen Reportings Fragen stellen.“

Viktoriya Brand, Leiterin des Bereichs Group Sustainability bei der Deutschen Bank

Dabei hapert es oft mehr an der Kommunikation als am Handeln. Oft wird der Aufwand gescheut, obwohl Reporting-Standards für mittelständische Unternehmen schon lange zur Verfügung stehen, zum Beispiel von der gemeinnützigen Global Reporting Initiative (GRI). Sinnvoll ist weder die Scheu vor dem Umbau noch die Verschlossenheit. „Künftig werden nicht nur die Banken mittelständische Unternehmen auffordern, ihre Aktivitäten zu beziffern, die zur nachhaltigen Entwicklung beitragen“, sagt Viktoriya Brand. „Auch Kunden und Lieferanten werden für ihre eigenen Reportings Fragen stellen.“

Auf der Finanzierungsseite gehen also zwar nicht gleich die Lichter aus, wenn man das Thema Nachhaltigkeit ein bisschen schleifen lässt. Noch ist Nachhaltigkeit Kür, nicht Pflicht. Aber wer Nachhaltigkeit ernst nimmt und seine Anstrengungen dokumentiert, der kann in der Finanzierung sogar profitieren: Die Investoren am Kapitalmarkt hungern nach nachhaltigen Assets, die Banken haben sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben und auch der Staat stützt Initiativen mit vergünstigter Refinanzierung. Im Klartext: Es ist absehbar, dass Finanzierungen, die als nachhaltig qualifiziert werden können, zu besseren Konditionen erhältlich sein werden. Darum spricht viel dafür, dass sich nicht nur Nachhaltigkeits-Reportings, sondern auch nachhaltige Finanzierungen im Mittelstand auf breiter Front durchsetzen werden.

03/2021 aktualisiert 01/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.