(KfW-)Hilfe – oder lieber lassen?

Die Politik versucht, von der Pandemie betroffenen Unternehmen finanziell zu helfen. Während Zuschüsse wie die Novemberhilfe gefragt sind, ist das Interesse an KfW-Hilfen in der zweiten Welle erstaunlich gering. Wird sich das bald ändern?

Restaurants müssen schließen, doch der Bund versucht zu helfen. Aber auch andere Branchen leiden. Foto: picture alliance/Sven Simon

Als im Frühjahr der erste Shutdown kam, war die Nachfrage nach KfW-Hilfen groß. Zwar waren es in der Mehrzahl kleinere Kreditsummen, die beantragt wurden, doch beim Gesamtvolumen lagen Kreditvolumina ab mehr als 100 Millionen Euro vorne. Seit dem Sommer hat sich die Situation deutlich beruhigt. Das hat sich auch jetzt, mitten in der zweiten Pandemie-Welle, nicht wirklich verändert. Es gibt zwar erste Banker im Geschäftskundenbereich, die sich an den März erinnert fühlen und von anziehender Nachfrage berichten. Im Firmenkundenbereich jedoch herrscht Flaute, das Interesse an KfW-Hilfen ist gering. „Das liegt natürlich auch daran, dass die meisten KfW-Hilfsprogramme zum Jahresende auslaufen“, erläutert Christoph Westerburg, Leiter Marktgebiet Berlin bei der Deutschen Bank. „Bis auf Überbrückungshilfen für Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige enden die Programme zunächst Ende des Jahres.“ Es ist wenig strittig, dass die Programme in die Verlängerung gehen werden, doch die Details stehen bislang nicht fest.

„Etliche Anträge wurden nicht ausgeschöpft,
andere haben ihren Antrag ganz zurückgezogen."

Christoph Westerburg, Deutsche Bank

Aber das Auslaufen der Programme ist nicht der einzige Grund für die gesunkene Nachfrage nach den Krediten. Tatsächlich ist das Gesamtantragsvolumen bei den größeren Krediten im Zeitverlauf sogar gesunken – vor drei Monaten vermeldete die KfW Kreditanträge über 100 Millionen Euro im Gesamtvolumen von 16,045 Milliarden Euro, heute sind es 530 Millionen Euro weniger. „Etliche Anträge wurden nicht ausgeschöpft, andere haben ihren Antrag ganz zurückgezogen“, weiß Westerburg. Das Geld wird offenbar nicht gebraucht. „Die größeren Unternehmen haben noch immer Speck auf den Rippen.“ Hinzu kommt, dass ab dem siebten Monat eine Bereitstellungsprovision gezahlt werden muss – ein aktueller Anlass, nicht benötigtes Volumen zurückzugeben. Andere Finanzierungsberater berichten Ähnliches: Die wirtschaftlichen Einbrüche waren weniger schlimm als befürchtet, oder es wurden alternative Finanzierungen gefunden. So haben zum Beispiel regionale Bürgschaftsbanken manches aufgefangen, weil sie ihre Programme und den Haftungsrahmen ausgeweitet haben.

Das Volumen ist bei den größeren Kreditsummen seit dem Sommer sogar gesunken, weil Anträge zurückgezogen wurden.

Scheu vor persönlicher Haftung

Doch selbst kleinere Unternehmen, die nur über eine dünne Kapitaldecke verfügen, üben sich in Zurückhaltung. Es sind weiterhin die „üblichen Verdächtigen“ aus Handel, Touristik, Gastronomie und Hotellerie, die dringend nach Finanzierungslösungen suchen. Allerdings schrecken auch hier Unternehmer zunehmend vor der persönlichen Haftung zurück (siehe auch https://www.deutsche-bank.de/ub/results/finanzierung/kfw-kredite_zwischen-akuthilfe-und-zombieunternehmen.html). Im Frühjahr, erzählen Banker, sei Unternehmern das Risiko der persönlichen Haftung zeitlich eng begrenzt erschienen. Inzwischen setze sich jedoch die Einsicht durch, dass sich die Pandemie noch über viele weitere Monate erstrecken wird. „Da wird eher das Unternehmen geopfert als auch noch die persönliche Existenz aufs Spiel zu setzen“, sagt ein Geschäftskundenbanker. Bei größeren Unternehmen wiege das persönliche Haftungsrisiko nicht so schwer, da es z.B. auf mehrere Gesellschafter verteilt sei oder die Bank andere Sicherheiten habe.

Wer vor allem prophylaktisch KfW-Kredite anzapfen will, wird immer wieder vom Verbot der Gewinnausschüttung abgehalten. Zu unberechenbar war der bisherige Krisenverlauf: Einige Unternehmen konnten die Umsatzausfälle aus dem Frühjahr (teilweise) wieder kompensieren, so dass sogar noch ein Gewinn erzielt werden kann. Warum also auf eine mögliche Ausschüttung verzichten für einen KfW-Kredit, der am Ende doch gar nicht nötig war?

Zu früh für Entwarnung

Und noch etwas hat sich bei den Unternehmen verändert: In der zweiten Welle ist der ganz harte Schock des Frühjahrs, als Lieferketten rissen und ganze Geschäftsmodelle in Gefahr waren, bislang ausgeblieben. Autohändler berichten von gestiegener Nachfrage, Handel und Grenzen sind trotz hoher Infektionszahlen weiterhin offen. Dies gilt natürlich nicht für alle Branchen. Restaurants & Co. sind vom „Lockdown light“ stark betroffen. Anders als zu Pandemie-Beginn hat der Bund die Konditionen für direkte Hilfen aber deutlich entspannt. Der Zuschuss der Novemberhilfe bezieht sich nicht mehr auf die Fixkosten, die gerade in kleinen Dienstleistungsbetrieben vernachlässigbar sind, sondern auf frühere Umsätze – und bietet sogar die Möglichkeit, mit Außer-Haus-Verkauf etc., besser dazustehen als vor der Krise. Lücken im Hilfsnetz wie bei Konditoreien, indirekt betroffenen Logistikern oder Lieferanten von Restaurants werden sukzessive geschlossen, die Überbrückungshilfe III steht bereits in den Startlöchern. Für viele Unternehmen in Gastronomie und Touristik könnte die Hilfe dennoch nicht reichen. Auch die strukturellen Veränderungen unterworfene Branche Automotive mit angehängtem Maschinenbau steht vor großen Herausforderungen.

Ob es außerdem beim „Lockdown light“ bleiben wird oder auch Deutschland wie etliche Nachbarländer wieder zu größeren Restriktionen greifen wird, ist schwer einzuschätzen. Unrealistisch ist es nicht – und dann könnten auch die KfW-Hilfskredite mit ihren „bitteren Pillen“ wieder an Attraktivität gewinnen. Unternehmen sollten sich auf alles vorbereiten, rät Westerburg: „Mindestens sollten sie sich mit ihren Finanzierungspartnern fortlaufend über die aktuellen Entwicklungen in ihrem Haus austauschen – umso schneller können alle Beteiligten im Notfall reagieren.“


11/2020

Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.