„Finanzinvestoren sind fokussierter als Mittelständler“

Den Wert steigern möchte jedes Unternehmen, aber wie geht das konkret? Markus Contzen von der h&z Unternehmensberatung erklärt, was der Mittelstand von Private Equity lernen kann.

Dr. Markus Contzen ist Partner der h&z Unternehmensberatung und berät sowohl Unternehmen im Besitz von Finanzinvestoren als auch klassische Mittelständler. Foto: Joerg Koch / sternthaler

Dr. Markus Contzen ist Partner der h&z Unternehmensberatung und berät sowohl Unternehmen im Besitz von Finanzinvestoren als auch klassische Mittelständler. Foto: Joerg Koch / sternthaler

Herr Contzen, sind Unternehmen im Besitz von Finanzinvestoren anders als „klassische“ Mittelständler?

Ja, das sind sie. Finanzinvestoren sind sehr fokussiert und haben eine klare Zeitachse – nach fünf Jahren wollen die meisten das Unternehmen wieder verkaufen. Für Wertsteigerung bleibt da nicht viel Zeit. Deshalb wird sehr strukturiert und ehrgeizig geplant und umgesetzt. Nicht zur Strategie passende Mitarbeiter werden schnell ausgewechselt, während klassische Mittelständler oft eher nachsichtig sind. Die handelnden Personen in der ersten Führungsebene geben gemeinsam mit dem Eigentümer eine hohe Taktzahl vor. Finanzinvestoren haben einen klaren Plan für die nächsten fünf Jahre. Ich plädiere dafür, dass auch Mittelständler wenigstens alle drei Jahre eine neue Langfriststrategie erarbeiten.

Wie lange dauern Projekte zur Wertsteigerung?

Bei Finanzinvestoren sind die Prozesse sehr stringent. Sie benötigen nach dem Kauf maximal drei Monate für die Erstellung des Maßnahmenplans. Nach sechs Monaten sind alle Aktivitäten angestoßen, nach einem Jahr ist alles auf den Weg gebracht, nach spätestens 18 bis 24 Monaten sind die Maßnahmen umgesetzt. Im zweiten Jahr sind Effekte in der GuV sichtbar, und im dritten Jahr wirken sich die Maßnahmen bereits umfassend auf die Zahlen aus, sodass im vierten Jahr der Exit vorbereitet werden kann. Im Prinzip ist dieser Zeitplan auf jeden Mittelständler übertragbar, zumeist denken und handeln diese aber in anderen Zeithorizonten.

"Mittelständler wollen Zukäufe oft gar nicht voll integrieren, sie suchen punktuell Synergieeffekte."

Sehen Sie neue Themen, die in den Vordergrund rücken?

Die Digitalisierung ist im Mittelstand immer noch ein Thema mit viel Nachholbedarf. Das gilt für die Digitalisierung des Geschäftsmodells, der Produkte, des Vertriebs und auch der Wertschöpfung. Verstärkt setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass das eingesetzte ERP-System dringend einer Erneuerung bedarf. Dieses Rückgrat der Digitalisierung hält den neuen Anforderungen nicht mehr stand. Die Auswahl des richtigen Systems und die Implementierung erfordern Geschäftsverständnis und Transformationskompetenz und gehen weit über reines IT-Wissen hinaus. Finanzinvestoren schauen sich dieses Thema direkt zu Beginn an und handeln schnell.

Mit welchen Projektkosten muss man rechnen?

Natürlich ist das sehr unterschiedlich und abhängig vom Reifegrad des Unternehmens und vom jeweiligen Marktumfeld. Aber ganz grob kann man für umfassende Maßnahmen zur Wertsteigerung etwa zwei bis vier, manchmal bis zu fünf Prozent des Umsatzes für Beraterkosten veranschlagen. Dazu kommen vielleicht maximal zwei weitere Prozentpunkte für interne Kosten und Investitionen in zum Beispiel Maschinen oder IT. Auf drei Jahre gerechnet sind das rund zwei Prozent Margenverzicht. Allerdings stellen sich die ersten positiven Ergebniseffekte meistens schon im zweiten Jahr ein.

"Wertsteigerung gelingt nur, wenn Ziele und Anreize aufeinander abgestimmt sind."

Funktioniert die Beratung auch „virtuell“?

Ja, erstaunlich gut. Schwieriger ist es nur bei Projekten in der Fertigung. Da sind wir manchmal live mit einer Kamera zugeschaltet, aber natürlich ist es viel besser, direkt mit den Mitarbeitern an der Maschine zu stehen. Ansonsten hängt es stark davon ab, ob wir die Projektbeteiligten schon kennen. Wenn das nicht der Fall ist, machen wir einen persönlichen Kick-off. Viele Dinge, die man normalerweise zu zweit bei einem Kaffee bespricht, lösen wir heute über kurze Telefonate. Und wir trinken auch gern einen virtuellen Cappuccino oder ein virtuelles After-Work-Bier mit unseren Kunden – ganz ohne Teilnahmezwang. Das wird sehr gut angenommen.

Welche Projekte werden bei Zukäufen umgesetzt?

Da gibt es große Unterschiede zwischen Private Equity und dem Mittelstand. Finanzinvestoren setzen zumeist gezielt auf „Buy and Build“-Strategien. Sie kaufen zügig zu und integrieren vollumfänglich, weil zusätzlicher Unternehmenswert entsteht. Mittelständler dagegen wollen oft gar nicht voll integrieren, sie suchen punktuell Synergieeffekte. Oft werden die Finanzen und der Vertrieb harmonisiert, später manchmal auch der Einkauf. Aber der lokale Werksleiter darf weiterarbeiten wie bisher, gemeinsame Produktionssysteme sind selten. Oft wollen die Mittelständler der Tochtergesellschaft unternehmerische Freiheit lassen. Außerdem ist Integration aufwendig und schwierig. Mittelständlern fehlen dafür teilweise die Kapazität und die Kompetenz.

Value Creation –
so wird der Unternehmenswert gesteigert

Alle klassischen Projekte zur Wertsteigerung eines Unternehmens setzen entweder beim Umsatz oder bei den Kosten an. Weil der Gewinn im Einkauf liegt, wie jeder Kaufmann weiß, steht dieser Bereich oft im Mittelpunkt. Aber auch Lean-Management-Projekte sind nach wie vor en vogue, und zwar sowohl in der Fertigung als auch in der Finanzabteilung oder im Vertrieb. Auf der Umsatzseite erfahren die Klassiker Produktmanagement und Pricing im Mittelstand immer noch zu wenig Aufmerksamkeit.

In den vergangenen Jahren haben sich zwei weitere Dimensionen hinzugesellt, die für die mittelfristige Wertentwicklung prägend sind: der Digitalisierungsgrad und die Nachhaltigkeit des Unternehmens. Die Digitalisierung treibt auch die Entwicklung des Geschäftsmodells. Während zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau die Produkte unter Margendruck geraten, ist der Service über digitales Ersatzteilmanagement oder Fernwartung nicht nur margenstark, sondern kann auch den Umsatz deutlich steigern.

Wie misst man die Wertsteigerung?

Finanzinvestoren messen immer EBITDA und Cashflow. Beim Mittelstand sind das leider keine ausgeprägten Steuerungsgrößen, die Unternehmen schauen eher auf das EBIT. Spezifische KPIs für die einzelnen Projekte gibt es natürlich auch, im Einkauf sind das zum Beispiel die Lieferfähigkeit und die Materialkostensenkung, im Vertrieb das Verhältnis von Angeboten und Aufträgen mit entsprechenden Margen sowie in der Fertigung die Durchlaufzeiten und die Bestände. Dabei muss man immer darauf achten, den Mitarbeitern die richtigen Anreize zu setzen. Ganz aktuell wird derzeit viel an der Sicherheit der Lieferkette gearbeitet, die Lieferfähigkeit steht nun also gleichwertig neben der Materialkostensenkung. In der Praxis wird der Einkauf aber nur für die Einsparungen belohnt. Wertsteigerung gelingt nur, wenn Ziele und Anreize aufeinander abgestimmt sind.

04/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.