Wenn aus Raider Twix wird

Viele Produkte und Unternehmen werden umbenannt. Selbst bei lang etablierten Namen kommt das vor – mit entsprechend hohen Kosten und Risiken, Kunden zu verlieren. Wie die Umbenennung zum Erfolg wird und welcher Aufwand entsteht.

Mann mit JYSK Plakat

Nach 37 Jahren wird aus dem Dänischen Bettenlager auch in Deutschland „Jysk“ – so wie im Rest der Welt. Foto: JYSK

Nach 37 Jahren wird aus dem Dänischen Bettenlager nun die Handelskette Jysk. Viele Kunden werden mit dem neuen Namen fremdeln. Während das „Bettenlager“ bei vielen Deutschen Assoziationen weckt, ist Jysk hierzulande noch eine Tabula Rasa. Das Unternehmen fängt, so scheint es zumindest beim Blick von außen, quasi bei null an – nach Jahrzehnten des Markenaufbaus in Deutschland. Das klingt nach einem hohen Preis für das Ziel, die deutschen Handelshäuser im Zuge der Umbenennung in die internationale Jysk-Familie einzugliedern, denn so heißt das Dänische Bettenlager in 50 anderen Märkten weltweit.

Doch Armin Bastl, geschäftsführender Gesellschafter der auf Namensgebung und entsprechende Vermarktung („Naming“ und „Branding“) spezialisierten Agentur Increon, gibt Entwarnung. „Bei allen Unternehmen, die sich selbst oder ihr Produkt umbenennen wollen, ist die Angst groß, Kunden zu verlieren. Wenn sie es aber sorgfältig angehen, geschieht das nicht – Kunden gewöhnen sich sehr schnell an neue Namen und begrüßen die Umbenennung meist auch, wenn es dafür überzeugende Gründe gab“, sagt er. Das wohl bekannteste Renaming erfolgte einst mit dem Werbespruch: „Aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix.“

Kosten und Zeitaufwand einer Umbenennung

Verbindliche Schätzungen gibt es nicht; zu unterschiedlich können die Komplexität und Zielgruppenansprache sein. Insgesamt gilt: Je weniger Märkte betroffen sind, desto günstiger wird es. Eine rechtlich begleitete Anmeldung einer Marke im Expressverfahren kostet in Deutschland etwa 1.500 Euro; hinzu kommen der Aufwand für die Namensentwicklung und Recherche sowie Marketingkosten – schließlich muss der neue Name kommuniziert werden. Das bedeutet unter anderem neue Produktmaterialien, Marketingkampagnen, Internet-Domains etc. Die Umbenennung von digitalen Produkten ist dabei in der Regel deutlich günstiger als bei analogen Produkten; das Produkt-Renaming ist meist weniger aufwendig als die Namensänderung eines Unternehmens. Auch kleinere Firmen sollten mit mindestens 10.000 bis 15.000 Euro rechnen; größere Renaming-Projekte inklusive internationalem Rollout werden schnell sechs- oder siebenstellig.

Auch der Zeitaufwand sollte nicht unterschätzt werden. Zwar ist eine Umbenennung in Deutschland schon binnen vier Wochen möglich; zwei bis drei Monate sind jedoch realistischer. Je nach Land kann es auch deutlich länger dauern. Größere Namensänderungen benötigen für den Roll-out auch schon ein bis zwei Jahre.

Eine solche internationale Harmonisierung, wie sie nun auch bei Jysk der Fall ist, hilft mittelfristig, Marketingkosten, aber auch Verpackungs- und Logistikkosten einzusparen. Andere Gründe für eine Umbenennung sind meist eine Internationalisierung – wenn zum Beispiel deutsche Namen in anderen Sprachen oder Kulturräumen negativ konnotiert oder einfach nur schwer auszusprechen oder zu verstehen sind –, aber auch ein Imagewechsel oder gesellschaftsrechtliche Veränderungen wie Spin-offs oder Unternehmensfusionen. „Wer möchte nach einem Zusammenschluss schon einen langen Doppelnamen“, fragt Bastl, „wenn ein neuer Name zugleich auch mögliche Minenfelder wie ‚Welcher Name steht vorne?‘ räumt?“

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Tradition weniger wichtig

Auch wenn keine belastbaren Zahlen vorliegen, scheint die Scheu vor einem Namenswechsel in den vergangenen Jahren gesunken zu sein. „Der Stellenwert von Tradition hat deutlich abgenommen“, beobachtet der Namensberater. „Heute zählen andere Werte wie Technologie deutlich mehr.“ So wurde aus dem früheren „Tuch-, Manufactur- und Confectionsgeschäft Karstadt“ viele Jahrzehnte später etwas kompakter „Karstadt-Quelle“ und zuletzt Arcandor. Das sollte (vor allem gegenüber Finanziers) Verlässlichkeit und Modernität zugleich suggerieren. Im vergangenen Jahrzehnt wurden deshalb vielen Unternehmen Kunstnamen wie Celesio, Evonik, Healthineers oder Eon verliehen. Damit lösten sich die Unternehmen auch im Namen zum einen von überkommenen Geschäftsmodellen wie der Kohleproduktion. Zum anderen konnten sie damit relativ frei den Empfehlungen von Namensentwicklern – „kurz, viele Vokale“ – folgen. Und es war einfacher, die neue Marke rechtlich zu schützen, relevante Internet-Domains zu sichern und den Markennamen bei späteren Google-Ergebnissen weit oben zu platzieren.

„Kunden gewöhnen sich sehr schnell an neue Namen.“

Armin Bastl, Geschäftsführer Increon

Die rechtliche Prüfung ist aber nur ein Teil der Aufgabe. Spezialisten raten selbst bei (vermeintlichen) Kunstnamen dringend zu einer umfassenden Prüfung des Namens in allen wichtigen Kernmärkten, Sprachen, Slangs etc. „Einen neuen Markennamen zu entwickeln ist zu mehr als 70 Prozent Recherche; der kreative Teil ist entsprechend gering“, sagt Bastl. So sollten immer auch lokale Gepflogenheiten und mögliche Fachtermini berücksichtigt werden, die sich nicht unbedingt im Standardwörterbuch finden. Beispiel Medizin: Ein neues Produkt floppte im Testmarkt Südamerika. Schnell kam heraus, dass das Problem im Markennamen lag: Aber nicht etwa, weil er wie beim vielzitierten Beispiel des „Mitsubishi Pajero“ auf Spanisch anzüglich war, sondern weil er auf Altgriechisch „Eiter“ bedeutete – und somit nicht zum Produkt passte. Der Hersteller hatte übersehen, dass die Zielgruppe der Mediziner oft nicht nur in Latein, sondern auch in Altgriechisch bewandert ist.

Peinliche Bedeutungen und andere Risiken

Auch wenn sich die Namensgebung deutlich professionalisiert hat, gibt es selbst bei Konzernen immer wieder Fehlgriffe. So heißt der neue „Audi e-tron“ im Französischen „Kackhaufen“ („étron“). Meist reagieren Unternehmen mit einer regionalen Umbenennung. Der „Mitsubishi Pajero“ heißt im spanischsprachigen und nordamerikanischen Raum längst „Montero“.

Neue Namen bergen noch zahlreiche weitere Risiken. Neben möglichen Namensrechtsverletzungen ist insbesondere die Akzeptanz des neuen Namens entscheidend.

Drei typische Fehler bei der Umbenennung

Fehler 1: Mangelhafte Recherche. Ohne saubere Recherche kann es leicht zu Verletzungen bestehender Markenrechte oder unerwünschten Assoziationen in anderen Sprach-, Berufs- oder Kulturräumen kommen. Doch auch die Akzeptanz einer Marke in der Zielgruppe sollte vorher umfassend getestet werden. Die Liste der zurückgezogenen Umbenennungen reicht von Dash bis Thomas Cook – die Kunden haben den neuen, meist international etablierten Namen nicht angenommen.

Fehler 2: Bauchentscheidung. Weil der Name Teil der Identität ist, ist die emotionale Bindung besonders hoch. Doch wie andere Unternehmensentscheidungen auch, sollte Professionalität vorherrschen. Das heißt: Ob der Ehefrau des Gesellschafters der sorgfältig recherchierte Namensvorschlag nicht gefällt, muss egal sein.

Fehler 3: Unzureichende Kommunikation. Wer einen neuen Namen entwickelt, hat oft schon sehr konkrete Assoziationen mit dem Endergebnis. Dabei wird schnell übersehen, dass weder Mitarbeiter noch Zulieferer noch Kunden noch Finanzierungspartner die Genese kennen und teils ganz andere Konnotationen haben können. So assoziierte mancher mit Arcandor eher die Würgeschlange „Anakonda“ denn goldene Arkaden. Der direkte Austausch mit den Stakeholdern zu Motiv und Ergebnis sollte daher nicht zu kurz kommen. Die Arbeit beginnt mit dem neuen Namen erst richtig.

Bastl betont darum immer wieder, dass die Entscheidung für die Umbenennung ernst genommen wird. Am Anfang jeder Umbenennung stehe darum immer die Analyse: Was soll mit dem neuen Namen erreicht werden, wo liegen die Schwächen des aktuellen Namens, stimmen Eigen- und Fremdwahrnehmung des Unternehmens überein? Manchmal kann am Ende der Analyse auch das Ergebnis stehen, dass eine Umbenennung gar nicht sinnvoll ist. Dann kann schon ein „Rebranding“ genügen: ein neuer Claim, ein modernisiertes Logo, eine Aktualisierung des Marketings. Die Kosten wären entsprechend niedriger. Bastl empfiehlt, mindestens alle fünf Jahre das Erscheinungsbild eines Unternehmens oder Produkts zu modernisieren, der Name sei alle zehn bis zwanzig Jahre auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls auszutauschen. Denn in diesen Zeiträumen ändern sich Geschäftsmodelle, Zielgruppen und Werte oftmals grundlegend; was vor zwanzig Jahren zeitgemäß erschien kann nun überkommen wirken. „Der Namenswechsel ist oft der härteste denkbare Schnitt, den ein Unternehmen machen kann“, betont Bastl. Dies sei Chance und Risiko zugleich: Wenn die Namensänderung misslingt, hat das Unternehmen nicht nur das Ziel der Erneuerung verfehlt, sondern zugleich auch bestehende positive Elemente zerstört.

Mehr als ein neuer Anstrich

Die wichtigste Empfehlung der Namensprofis lautet darum unisono: Kunden und Mitarbeiter mitnehmen. Die Beweggründe für die Umbenennung überzeugend kommunizieren. Im Fall von Arcandor etwa kam die Umbenennung zu spät, ein überzeugender neuer Weg war nicht erkennbar – das Unternehmen hätte sich den Aufwand zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich sparen können. Auch andere angeschlagene Unternehmen werden sich nicht einfach mit einem neuen Namen retten können; es braucht einen tiefergreifenden Wandel, um Kunden und Mitarbeiter von einer grundlegenden Erneuerung zu überzeugen. So macht ein Namenswechsel aus einem Billiganbieter nicht über Nacht ein Qualitätsunternehmen; aus einem Skandalhaus keinen honorigen Geschäftspartner.

Umgekehrt gilt aber auch: Wer den Namen nicht verändert, kann nicht erwarten, dass Mitarbeiter und Kunden der „Neuerfindung“ oder Modernisierung des Unternehmens auch im Kopf folgen. Zu stark können die traditionellen Assoziationen mit der Marke sein; das Unternehmen wird dann durch die eigene Historie am weiteren Wachstum gehindert.

08/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.