„Der Eigentümer sollte nie selbst verhandeln“

Zahlen, Daten und Fakten sind entscheidende Kriterien in jeder M&A-Transaktion. Emotionen spielen allerdings ebenso eine Rolle – und können Gespräche zum Platzen bringen. Hermann Rock erklärt, wie man professionell verhandelt.

Dr. Hermann Rock ist Rechtsanwalt, Verhandlungsexperte, Dozent, Key Note Speaker und Autor verschiedener Sachbücher.

Dr. Hermann Rock ist Rechtsanwalt, Verhandlungsexperte, Dozent, Key Note Speaker und Autor verschiedener Sachbücher. Bildquelle Hermann Rock

Herr Rock, ich will als Eigentümer eines mittelständischen Unternehmens meine Nachfolge regeln – über den Verkauf. Wen brauche ich, damit die Verhandlungen kein Debakel werden?

Hermann Rock:
Als erstes braucht man den Käufer. Entweder habe ich bereits jemanden an der Hand und kann direkt mit den Verhandlungen starten oder ich mandatiere einen M&A-Berater, der über eine sogenannte „kontrollierte Auktion“ potenzielle Käufer identifiziert und Angebote einholt. Dann geht man zum Beispiel mit zwei bis drei Interessenten gleichzeitig in Verhandlungen.

Um den Verkaufsprozess optimal zu strukturieren, sollte sich der Unternehmer Experten an die Seite holen: seinen Steuerberater und einen versierten Rechtsanwalt. Darüber hinaus – und das ist dem Verkäufer nicht immer bewusst – braucht es einen geeigneten Verhandlungsführer. Der Eigentümer sollte nie selbst verhandeln. Er ist zu nah dran und läuft Gefahr, zu schnell, und damit möglicherweise schlecht zu entscheiden.

Mitunter hat man einen Anwalt, der verhandeln kann. Der Typ „nüchterner Technokrat“, der keine Nähe zu Menschen findet, sollte aber bitte nicht die Verhandlungsführung übernehmen. In diesem Fall muss jemand anders her: ein Profi, der weiß, wie es geht. Dieser Verhandlungsführer holt den Verkäufer regelmäßig zum aktuellen Stand ab und lässt sich vom Verkäufer Weisungen erteilen. Der Eigentümer selbst sitzt nämlich im Idealfall gar nicht mit am Tisch. Will der Unternehmer dabei sein, dann ausschließlich als stiller Beobachter und bitte ohne Mimik, Gestik oder Gesprächsbeiträge. Der Unternehmer sollte immer „aus der Distanz“ entscheiden, niemals spontan.

Über den Interviewpartner:

Dr. Hermann Rock ist Rechtsanwalt, Verhandlungsexperte, Dozent, Key Note Speaker und Autor verschiedener Sachbücher. Er hat über 150 mittelständische M&A-Transaktionen beraten, über 80 davon höchstpersönlich vertraglich gestaltet und verhandelt. Rock hat unter anderem das innovative „Driver-Seat-Konzept“ entwickelt, das die Best Practice der Verhandlungsführung beschreibt.

In der Verhandlung will jede Partei die eigenen Forderungen durchsetzen. Wie gelingt Annäherung?

Ein Profi wird erst einmal alle Konflikte sammeln und dabei durch Nachfragen herausfinden, was der anderen Partei wirklich wichtig ist. Aktives Zuhören ist entscheidend, ebenso wie taktische Empathie. Bitte nicht direkt dagegenreden, stattdessen alle Ausführungen sacken lassen. Ein Profi will zuerst sein Informationsdefizit reduzieren und hört deshalb sehr intensiv zu.

Möglichst viel wird aufgeschrieben und mit den eigenen Positionen abgeglichen. Die Diskrepanzen treten dadurch klar zu Tage, und man sollte die unterschiedlichen Positionen zu einer Liste offener Punkte verdichten. Wenn die Liste vollständig ist, hat man alle Konflikte, die aktuell bestehen, analysiert. Genau so steigt ein Profi ein.

„Wenn die Stimmung zu negativ ist, sollte man eine Pause einlegen und sollte durchaus aus der Verhandlungssituation heraustreten. Durchatmen hilft.“

Hermann Rock

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Was tun, wenn es am Verhandlungstisch emotional wird?

Das offene Wort, sogar die Beleidigung anzunehmen, ist für den professionellen Verhandlungsführer richtig, Belehrungen hingegen sind unbedingt zu vermeiden. Daneben sollte Problembewusstsein gezeigt werden: „Ich verstehe, dass Sie sich aufregen.“ Im Anschluss geht es gemeinsam an die Frage, wie man das Problem lösen kann. Oberstes Gebot ist der Fokus auf das Ziel: den Vertragsschluss. Das Ego muss immer hintenanstehen.

Wenn die Stimmung zu negativ ist, sollte man eine Pause einlegen und sollte durchaus aus der Verhandlungssituation heraustreten. Durchatmen hilft.

Aufstehen und Gehen als Machtdemonstration?

Nein, eine Pause oder Vertagung sollte immer gemeinsam entschieden werden. Ein Profi regt zum Beispiel sehr höflich an, die Verhandlung „gemeinsam in ein paar Tagen fortzusetzen“. Wer unabgestimmt aufsteht und geht, der muss irgendwann wieder reinkommen. Das ist ein Gesichtsverlust, der das kurzfristig befriedigende Gefühl nicht wert ist. Man muss immer an das übergeordnete Ziel denken: Die Transaktion soll erfolgreich über die Bühne gehen. Diesem Ziel ist man verpflichtet, auch wenn es rau wird.

Letztlich will ich den Deal eintüten. Wie komme ich zum Abschluss?

Da sind wir wieder bei der Liste offener Punkte, die im Laufe des Gesprächs entsteht. Nach einer ersten abschließenden Verhandlungsrunde gehen die Parteien auseinander und erarbeiten für sie vertretbare Pakete: Ein bestimmter offener Punkt ist dem Unternehmer vielleicht sehr wichtig, hier wird er nicht nachgeben – eine andere Forderung wiederum kann er teilweise oder ganz akzeptieren und macht ein Zugeständnis.

Das Paket bietet dann der Verhandlungsführer der Gegenseite an, diese ergänzt beziehungsweise ändert und der neue Entwurf kommt wieder zurück. Mit diesem Verfahren der Reziprozität nähert man sich automatisch immer weiter an und gelangt schließlich zu einer Einigung oder sehr selten zur Nicht-Einigung. In dieser Phase gibt es ständig Abstimmungen zwischen dem Verhandlungsführer und dem Unternehmer, der ja immer aus der Distanz entscheidet.

„Verhandlungsführer sollte aber nur sein, wer es liebt, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, wer Ruhe bewahrt und sich in andere einfühlen kann.“

Hermann Rock

Kann jeder verhandeln lernen – oder muss der vorhin angesprochene „nüchterne Technokrat“ sich endgültig eingestehen: „Das wird nichts mehr.“?

So würde ich es nicht sagen. Als Verhandlungsführer mag ein kurz angebundener, sehr rationaler Mensch nicht passen, aber dann kann er noch immer den Bad Guy geben – eine Rolle, die immer ihre Berechtigung hat. Für den Good Guy gilt „Beziehung geht vor Position“, für den Bad Guy gilt „Position geht vor Beziehung“.

Ich habe schon Termine orchestriert, in denen eine Rolle nur in dem Satz bestand: „Ich werde meinen Mandaten empfehlen, Sie zu verklagen.“ Die Botschaft ist gesetzt, der Gedanke angekommen, aber der Verhandlungsführer, der Good Guy, hat nicht selbst gedroht und die Beziehung nicht beschädigt.

Verhandlungsführer sollte aber nur sein, wer es liebt, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, wer Ruhe bewahrt und sich in andere einfühlen kann. Es braucht taktische Empathie, aber auch echte. Und nochmals: Das Ego wird dem Ziel untergeordnet, immer, insbesondere wenn es rau wird.

Wie oft erleben Sie professionelle M&A-Verhandlungen im Mittelstand?

Zu oft wird nicht professionell verhandelt – auch weil Unternehmer mitunter mit einer gewissen Arroganz an das Thema herangehen und überzeugt sind, das selbst zu können. Dabei ist es absolut entscheidend, dass einer der Beteiligten Verhandlungsexpertise mitbringt und die Verantwortung übernimmt. Ein guter Verhandlungsführer rechnet sich. Nicht selten coache ich als Experte auch als sogenannter „Shadow Negotiator“ im Hintergrund den Verhandlungsführer einer Seite.

Welchen Nutzen hat die Verhandlungsberatung bei M&A-Verhandlungen im Mittelstand?

Ein Profi, also ein Praktiker, der die psychologischen Grundlagen der Best Practice kennen und beherrschen muss, berät in Bezug auf drei Aspekte: Bestimmen der Aufgaben der Mitglieder des Verhandlungsteams, Einsatz der Konfliktstrategien beziehungsweise Struktur der Verhandlung und professionelles Verhalten am Tisch. Diese drei Faktoren sind aus Sicht der Verhandlungsführung wesentliche Erfolgsfaktoren. Sie dienen allein dem möglichst weitgehenden Erreichen der Ziele des eigenen Mandanten.

Aus aktuellem Anlass: Wie verhandelt man mit jemandem wie Donald Trump?

Es wäre eine große Freude, mit ihm zu verhandeln. Seine Eitelkeit ist ausreichend belegt, und mit eitlen Menschen kann man einfach umgehen: Sie wollen gelobt, höflich und respektvoll behandelt werden. Mit offenen Fragen und ehrlichen Vorschlägen kann man ihm sicher am ehesten begegnen. Das Wort Fairness ist ihm besonders wichtig. Härte und Großspurigkeit sind auf keinen Fall angezeigt. Giorgia Meloni beispielsweise ist es gelungen, eine Beziehung zu Trump aufzubauen. Er meinte sogar nach dem Gespräch mit ihr, dass es zu 100 Prozent einen Deal mit der Europäischen Union geben wird. Meloni ist entweder ein Naturtalent oder sehr gut beraten.



04/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.






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