Der schwierigste Verkauf des Lebens

Die Grundsatzentscheidung ist gefällt, doch dann beginnt ein emotionaler Hindernislauf: Das eigene Lebenswerk zu verkaufen bringt viele Unternehmer an ihre Grenzen.

Hans Riegel hinter mehreren bunten Gummibärchen.

Haribo-Chef Hans Riegel war ein begnadeter Unternehmer. Die Nachfolgeregelung war nicht seine Stärke: 2013 starb er mit 90 Jahren ohne Nachfolger. Nach einigen Wirrungen wurde dann doch ein Familienmitglied Unternehmenslenker. Foto: laif / Juergen Bindrim

Am Ende halten alle noch mal die Luft an: Wird wirklich die Unterschrift unter den Kaufvertrag gesetzt? Bis die Champagnerkorken knallen, ist der Deal oft mehrfach abgeblasen worden – in Gedanken oder offen ausgesprochen. Krisensitzungen am Wochenende, schlaflose Nächte, Verletzungen und Überforderung – wenn Unternehmer ihr Lebenswerk verkaufen, ist das Emotion pur.

Schon die Ausgangslage ist meist schwierig. Viele haben eine frustrierende Phase hinter sich, die Hoffnung auf die Weitergabe an die Kinder hat sich zerschlagen. Andere sind schlicht ermüdet und wollen sich nach Finanzkrise und Corona durch kein weiteres Tal mehr quälen. In vielen Branchen verlangen die Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit grundlegende Transformationen, die die ganze Kraft des Managements und viel Geld erfordern. Die Krisen machen mürbe, der große Umbau Sorge – da erscheint der Verkauf als beste Lösung für Unternehmen und Unternehmer.

Wer sagt’s dem Chef?

Bis zu dieser Erkenntnis ist allerdings oft viel Zeit vergangen. Kaum jemand traut sich, den Unternehmer auf das Nachfolgethema anzusprechen. Die engsten beruflichen Vertrauten – die Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Anwälte – verlieren ungern einen wichtigen Mandanten durch den Verkauf. Darum beginnt die Beschäftigung mit der Nachfolge häufig viel zu spät.

Familie Faber-Castell

Nach dem Tod von Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell brach wegen der ungeklärten Nachfolgeregelung ein Familienzwist aus, der endlich geschlichtet zu sein scheint. Foto: Faber-Castell

Dabei gibt es eine Menge zu tun, bevor das Unternehmen überhaupt an den Markt gehen kann. Bei mehreren Gesellschaftern kochen schon bei den ersten Überlegungen die Emotionen hoch – hier rächt es sich, wenn nicht in guten Zeiten eine Satzung verabschiedet wurde, die Störer im Zaum hält. Um nicht vorwiegend das Finanzamt reich zu machen, muss manchmal die Rechtsform geändert werden. Und viele Unternehmen wollen erst einmal besenrein gemacht werden, bevor sie ins Schaufenster gestellt werden können: nicht betriebsnotwendige Immobilien raus, starke zweite Führungsebene rein, Geschäftsmodell justieren und offene Flanken beim Thema Nachhaltigkeit beseitigen. Drei bis fünf Jahre Vorlaufzeit sind üblich.

Kein noch so kluger Unternehmer kann das allein stemmen. Ohne Berater geht beim Verkauf des eigenen Unternehmens nichts. Und es braucht neue Köpfe, denn die rechtlichen und steuerlichen Themen sind so kompliziert, dass nur Spezialisten den richtigen Rat geben können. Noch wichtiger ist die Rolle des M&A-Beraters: Er ist nicht nur dafür da, den Verkaufspreis zu maximieren, sondern Mädchen für alles. Das verlangt neben Prozess-Know-how und Marktkenntnis vor allem psychologisches Geschick – denn am Ende muss eine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt werden.

Verkauf ja, Prozess nein

Der Weg dahin ist lang. Die Transaktionsphase ist schmerzhaft für den Unternehmer, am liebsten würde er sie überspringen. Ist die Entscheidung zum Verkauf gefallen, soll alles ganz schnell gehen. Aber ein Verkauf zieht sich über mehrere Monate und lässt sich kaum abkürzen. Das nervt, weil der Spagat zwischen Tagesgeschäft, Vertraulichkeit und Transparenz anstrengend ist. Außerdem haben nur wenige Erfahrung mit M&A-Prozessen, die Usancen des Markts treffen sie unvorbereitet.

Der Abbruch als Flucht ist eine Daueroption für den Unternehmer.

Bei Unternehmenskäufen geht es um viel Geld, darum sind taktische Manöver und harte Bandagen keine Seltenheit. Die Due Diligence genannte sorgfältige Prüfung des Unternehmens kann für einen unbedarften Verkäufer ein Schock sein. Geblendet von indikativen Mondpreisen, mit denen sich Kaufinteressenten gern in die erste Reihe katapultieren, hat er die Erlöserwartung in die Höhe steigen lassen. Die Ernüchterung lässt nicht auf sich warten: Die Käufer suchen gezielt die Risiken und die schwarzen Flecken. Die schonungslose Analyse fördert viel ans Tageslicht, was der Unternehmer selbst kaum wusste. Die kritischen Fragen und die teils gezielte negative Einschätzung des eigenen Lebenswerks nagen.

Nicht immer steckt Taktik hinter dem Verhalten der Käufer. Auch sie sind – egal ob Finanzinvestor oder Stratege – hart arbeitende Menschen mit Emotionen, die keine Fehler machen wollen. Manch ein Verkäufer hadert damit, tiefe Blicke in sein Unternehmen zuzulassen. Andere sind selbst beim besten Willen nicht lieferfähig: Im Datenraum muss oft erst sukzessive eine Historie aufgebaut werden. Das ist gefährlich, denn Kaufinteressenten reagieren empfindlich auf unangenehme Überraschungen. Vertrauen wird im M&A-Prozess mühsam erarbeitet und leicht verspielt.


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Kommt es zum Angebot, dann sind die Kaufpreise oft deutlich niedriger. Das ist ein potenzieller Dealkiller, obwohl die Vorstellungen des Unternehmers über den erzielbaren Erlös zu Beginn meist diffus und von wenig Marktkenntnis geprägt sind. Oft wird es aber emotional schwierig, wenn der Preis im Laufe der Transaktion sinkt. Selbst wenn die schlussendlich gebotene Summe oberhalb der vor Prozessbeginn vom M&A-Berater avisierten liegt, droht an dieser Stelle ein Abbruch. Scheitern kann ein Deal auch daran, dass der Käufer noch ein finanzielles Commitment des Unternehmers fordert. Das kann ein Verkäuferdarlehen oder auch eine Earn-out-Klausel sein. Allerdings will der Unternehmer – auch aus emotionalen Gründen – meist lieber alle Verbindungen kappen und kein Risiko mehr tragen. Andererseits können aber beide Komponenten die notwendige Brücke bilden, um unterschiedliche Kaufpreisvorstellungen zu überwinden.

Die letzte Leistung ist emotional

Der Abbruch als Flucht ist eine Daueroption für den Unternehmer. Erfahrene Berater kennen dieses Phänomen. Oft reicht es, Dampf abzulassen. Manchmal muss der Unternehmer verstehen, wie die Gegenseite tickt – und manchmal müssen auch die Käufer zur Ordnung gerufen werden. Die Entscheidung für den Verkauf ist eine rationale gewesen – darum sollten Emotionen die Umsetzung nicht verhindern. Das Durchhaltevermögen auf der Zielgeraden ist die letzte große Leistung des Unternehmers, um sein Unternehmen in die Zukunft zu führen.

2/2022
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.