Inflationen der Neuzeit

Die deutsche Hyperinflation von 1922/23 kennt jeder und die aktuelle durch Lieferengpässe und Energiepreissteigerungen verursachte Inflation macht vielen Sorgen. Doch verglichen mit anderen Geldentwertungen in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart ist unser Wertverlust niedrig. Wir haben uns ein paar drastische Fälle angeschaut: Einmal war sogar akuter Energiemangel die Inflationsursache.

Brennende Euro-Noten

Inflation verbrennt zwar kein Geld, aber Geldwert. Ein bisschen Inflation ist ja gewünscht, aber manchmal geraten die Dinge außer Kontrolle – aus den unterschiedlichsten Gründen. Foto: picture alliance / CHROMORANGE / Christian Ohde

Mehrere 1mrd Pengö-Noten

Eine Milliarde Pengö waren 1946 buchstäblich nichts wert. Auch für eine Milliarde dieser Scheine gab es am Ende der Inflation: nichts. Foto: adobe stock

Ungarn: die größte Inflation aller Zeiten

Inflation während eines Krieges oder in der Nachkriegszeit ist nicht ungewöhnlich: Während des Krieges sinkt die Produktion wichtiger Güter, sind internationale Handelsbeziehungen eingeschränkt; nach dem Krieg sollen mit einer Ausweitung der Geldmenge Kriegsschulden beglichen bzw. weginflationiert werden. Doch niemals erreichte Inflation solche Ausmaße wie in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg: 41,9 Billiarden Prozent binnen eines Monats. Innerhalb nur eines Tages verdreifachten sich die Preise.

Während des Krieges war in Ungarn die Wirtschaftskraft des Landes etwa halbiert worden. Was danach übrig war, wurde entweder beim Rückzug von Nazi-Deutschland oder von der Sowjetunion als Reparationsleistung abgebaut. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, erhöhte die Regierung Ungarns ihre Ausgaben und lieh Geld zu günstigen Zinsen an Banken, die dieses wiederum Unternehmen zur Verfügung stellten. Arbeiter wurden direkt beim Staat angestellt, günstige Kredite an Konsumenten ausgereicht und Geld verteilt.

Weil der Staat aber über keine nennenswerten Steuereinnahmen verfügen konnte, warf Ungarn die Notenpresse an. Hatten schon die Versorgungsengpässe eine Inflation ausgelöst, so trieb die Geldschwemme die Preise in bislang ungeahnte Höhen. Diverse Währungsreformen halfen nicht, erst die Einführung des Forint ein Jahr nach Beginn der Hyperinflation setzte der Inflation ein Ende. Aus 400.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Pengö wurde ein Forint. Die Geldpolitik hatte zwar die Arbeiter 80 Prozent ihres Lohns gekostet, doch auch geholfen, die Industrie wieder aufzubauen.

Das Kernkraftwerk Mezamor lieferte als erstes keinen Strom mehr, dann blieben auch noch Öl und Gas aus.

Das Kernkraftwerk Mezamor lieferte als erstes keinen Strom mehr, dann blieben auch noch Öl und Gas aus. Foto: picture alliance / dpa / Jan Woitas

Kein Strom in Armenien

Kurz vor dem Ende der Sowjetunion wurde die armenische Sowjetrepublik von einem schweren Erdbeben erschüttert, das nicht nur 25.000 Menschen das Leben kostete, sondern 500.000 weitere obdachlos machte. Das Kernkraftwerk Mezamor, das nur 100 Kilometer vom Epizentrum des Bebens lag, wurde sicherheitshalber heruntergefahren. Doch die Angst vor einer nuklearen Katastrophe war so groß, dass eine Umweltbewegung für die Stilllegung des gesamten AKW sorgte. Mezamor, das einzige AKW des Landes, hatte mehr als ein Drittel des armenischen Energiebedarfs gedeckt.

Mit der Unabhängigkeit Armeniens kam es zum Krieg mit dem benachbarten Aserbaidschan über die Region Bergkarabach. Um den Gegner zu schwächen, unterbrach Aserbaidschan eine wichtige Gasleitung aus Turkmenistan, über die Armenien 90 Prozent seines Gases erhielt. Erdöllieferungen wurden ebenfalls boykottiert; auch durch die Türkei als westlichen Nachbar Armeniens. Der Bau einer alternativen Gasleitung aus Georgien wurde immer wieder von Saboteuren gesprengt. Die Jahre 1992 bis 1995 wurden oft nur als „die Dunkelheit“ bezeichnet.

Durch den Energiemangel sank die gesamte Wirtschaftsproduktion im Land massiv; entsprechend stiegen die Preise auch für grundlegende Güter stark. Die monatliche Inflationsrate lag in der Spitze bei 438 Prozent. Erst als 1995 das Kernkraftwerk Mezamor wieder in (Teil-)Betrieb genommen wurde, entspannte sich die Energieversorgung. Mezamor ist bis heute aktiv und gilt als unsicherstes AKW weltweit.

Einst heiß begehrt, jetzt abgeschafft: der CUC hat ausgedient.

Einst heiß begehrt, jetzt abgeschafft: der CUC hat ausgedient. Foto: picture alliance / AP / Ramon Espinosa

Verdeckte Inflation in Kuba

Wer bis Ende 2020 nach Kuba reiste, der merkte schnell: Alle Einheimischen waren hinter der 1994 eingeführten Touristenwährung CUC her, dem konvertiblen Peso. Der Kubanische Peso (CUP) war zwar reichlich vorhanden, aber kaum jemand mochte dafür etwas verkaufen. Erst gab es nur „Luxuswaren“ ausschließlich gegen CUC, später auch Dinge des täglichen Bedarfs – das schuf eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Als Brasilien für kubanische Ärzte und Corona für die Touristen die Türen schloss, kam das System an sein Ende, weil keine Devisen mehr flossen.

Seit Anfang 2021 gibt es nur noch den CUP. Die Löhne im Staatssektor wurden mehr als verdreifacht, Renten mehr als verfünffacht. Darüber freuten sich viele Kubaner anfangs. Aber nicht lange: Viele Waren sind nun nur noch gegen harte Dollar erhältlich. Für den offiziellen Wechselkurs von 1:24 bekommt niemand Devisen, der Schwarzmarktkurs lag im Januar 2022 über 100. Dadurch schätzen Ökonomen die Inflation trotz Preiskontrollen etwa für Wasser und Strom auf 300 bis 500 Prozent. Die Einkommenszuwächse sind also schon wieder weg.

Sieht viel aus, reichte dem kleinen Jungen aber nicht mal für ein Brot.

Sieht viel aus, reichte dem kleinen Jungen aber nicht mal für ein Brot. Foto: picture alliance / AP

Simbabwes Hyperinflation

Eine Trilliarde ist eine Eins mit 21 Nullen. 89,7 Trilliarden Prozent betrug die Inflation bis zum 14. November 2008 in Simbabwe nach Schätzungen des renommierten Cato Institute, die Preise vervielfachten sich am Schluss täglich. Damit konkurriert der Preisanstieg in Simbabwe nur noch mit der legendären Hyperinflation in Ungarn 1945/46, die allerdings eine direkte Kriegsfolge war. In Simbabwe dagegen hatte Diktatur Robert Mugabe das Land durch Repression wirtschaftlich und durch die Notenpresse finanziell ruiniert.

2009 wurden ausländische Währungen offiziell als Zahlungsmittel zugelassen und der Simbabwe-Dollar schlicht abgeschafft. Damit kehrte ein paar Jahre Ruhe an der Inflationsfront ein. Doch der Preis war hoch: Weil Simbabwe nur wenige Devisen erwirtschaftete, gab es kaum Geld im Land. Daher führte die Regierung sogenannte Bond Notes ein, die per Gesetz genauso viel wert waren wie ein US-Dollar. Der Markt bewertete sie allerdings nur mit einem Bruchteil. 2019 wurde auch der Simbabwe-Dollar wieder eingeführt und seitdem liegt die Inflation wieder im dreistelligen Bereich – das Gespenst der Hyperinflation geht erneut um.

04/2022
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.


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