Wer muss Steuern zahlen – und wie viel?

Besteuert werden kann fast alles – und wird es natürlich auch. Die Staaten verteilen die Lasten aber sehr unterschiedlich.

Manchmal ist der Name Programm: In dieser Straße – dem Firmensitz von Biontech – sprudelten die Gewerbesteuern für die Stadt Mainz überreichlich. In manchen Ländern wäre die Stadt ganz leer ausgegangen, die Steuerkonzepte sind überall auf der Welt anders.

Manchmal ist der Name Programm: In dieser Straße – dem Firmensitz von Biontech – sprudelten die Gewerbesteuern für die Stadt Mainz überreichlich. In manchen Ländern wäre die Stadt ganz leer ausgegangen, die Steuerkonzepte sind überall auf der Welt anders. Foto: adobe stock

Die Schildkröten zahlen zwar keine Steuern, aber sie locken viele Touristen an, die ordentlich Umsatzsteuer in die Staatskasse spülen.

Die Schildkröten zahlen zwar keine Steuern, aber sie locken viele Touristen an, die ordentlich Umsatzsteuer in die Staatskasse spülen. Foto: adobe stock

Urlaubsparadiese setzen auf Umsatzsteuer

Da werden Urlaubsträume wahr: auf den Seychellen, Jamaika, den Malediven, Kuba, Mauritius, Samoa oder den Solomonen. Diese Staaten eint nicht nur der Besitz wundervoller Strände, sondern auch eine hohe Abhängigkeit von Einnahmen aus der Umsatzsteuer. Das ist durchaus gewollt, denn sie weist einige Vorteile auf: Die Umsatzsteuer ist vergleichsweise einfach zu erheben und im Unterschied zu Gewinnsteuern wenig schwankungsanfällig. In Ländern, die viele gut situierte Touristen anziehen, ist die Umsatzsteuer außerdem ein einfacher Griff in die Tasche der Reisenden, durch den die Ausländer noch einmal ordentlich Geld im Land lassen.

Der Südseestaat Vanuatu kennt außer der Umsatzsteuer sogar nur noch die – allerdings vernachlässigbare – Grundsteuer. Das ist ein hierzulande kaum vorstellbarer Traum für Unternehmen und Erwerbstätige: Kostenaufstellungen und Einkommensteuererklärungen fallen einfach weg. Aber auch Staaten wie -Bulgarien oder Chile holen die Hälfte ihrer Einnahmen aus der Verbrauchssteuer. Den höchsten Umsatzsteuersatz weltweit hat allerdings Bhutan mit stolzen 50 Prozent, in Europa führen die Ungarn mit immerhin 27 Prozent.

Phosphat hat Nauru einmal reich gemacht – doch das Geld wurde einfach nur verprasst.

Phosphat hat Nauru einmal reich gemacht – doch das Geld wurde einfach nur verprasst. Foto: Mauritius Images / Axiom RF / David Kirkland

Löhne lohnen sich auch für den Staat

Wer ordentlich verdient, soll auch ordentlich was abgeben: So halten es zumindest die Dänen. Ein Viertel des BIP und mehr als die Hälfte aller Steuereinnahmen speisen sich aus der Einkommensteuer. Zum Vergleich: Bei uns stöhnen wir zwar auch gern über die hohen Lohnabzüge, führen aber nur gut 10 Prozent des BIP über unser Einkommen an den Staat ab – und liegen damit immer noch deutlich über dem OECD-Schnitt. Allerdings zahlen die Dänen praktisch keine Sozialversicherungsbeiträge, die Renten werden komplett aus den Steuereinnahmen finanziert.

Übertroffen werden unsere nördlichen Nachbarn in der Besteuerung von Einkommen und Gewinnen übrigens nur vom Zwergstaat Nauru. Die 21 Quadratkilometer kleine Insel in der Südsee hatte sich lange Steuerfreiheit gegönnt, weil der durch Vogelkot aufgehäufte Phosphat-Reichtum jahrzehntelang hohe Einnahmen bescherte. Da man vergessen hatte, für das Versiegen vorzusorgen, und die Vögel nicht so eifrig nachproduzierten wie abgebaut wurde, ist Nauru heute bitterarm und hat die höchste Gesamtsteuerquote der Welt.

Da lässt sich gut lachen: Die Iren zahlen wenig Steuern, die Kassen sind trotzdem (oder deswegen) voll.

Da lässt sich gut lachen: Die Iren zahlen wenig Steuern, die Kassen sind trotzdem (oder deswegen) voll. Foto: Tourism Ireland

Niedriger Steuersatz, hohe Einnahmen: das irische Paradox

Europas Steuerparadies liegt in Irland: Nicht einmal 20 Prozent beträgt die gesamte Steuerquote auf der Grünen Insel. Berühmt geworden ist Irland als Oase für Unternehmen mit einem Steuersatz von 12,5 Prozent. Das Paradoxe: Mit 3,6 Prozent vom BIP liegen die Einnahmen aus Unternehmenssteuern deutlich über Deutschland oder dem benachbarten Großbritannien. Die Erklärung liegt in der enorm erfolgreichen Anwerbung vor allem US-amerikanischer Unternehmen, deren schiere Zahl die Staatskasse füllt.
Im weltweiten Vergleich liegt Irlands Steuerquote allerdings nur im Mittelfeld.

Unangefochtener Spitzenreiter unter den Staaten mit halbwegs verlässlichen Daten (also ohne „failed states“ wie Somalia) ist Nigeria: Das bevölkerungsreichste Land Afrikas nimmt nur gut 5 Prozent des BIP als Steuern ein. Auch wenn der größere Teil der Staatseinnahmen aus dem Verkauf von Öl stammt, steht Nigeria mit einer Staatsquote von 13 Prozent auf einem der hintersten Plätze. Dahinter finden sich fast nur noch von Unruhen geschüttelte Länder wie Haiti, Jemen, Sudan – und eben Somalia.

Wenn die Eliten kein Verantwortungsgefühl haben, verfehlen Steuern ihren Zweck.

Wenn die Eliten kein Verantwortungsgefühl haben, verfehlen Steuern ihren Zweck. Foto: picture alliance / EPA / Rodrigo Sura

Viel Geld – aber nichts verändert

Man muss Steuern nicht nur einnehmen, man muss sie auch richtig ausgeben können. Bei uns haben der Bundesrechnungshof und der Bund der Steuerzahler ein Auge auf Mittelverschwendung – aber die wirkliche Gefahr droht anderswo, nämlich im strukturellen Missbrauch der Steuern, wenn die Umverteilung nicht klappt. Genau das kritisieren nicht etwa Sozialaktivisten, sondern supranationale Institutionen wie IWF und Weltbank an einigen lateinamerikanischen Staaten.

Nach Berechnungen der Vereinten Nationen verändert die Steuerpolitik die Einkommensverteilung in den OECD-Staaten signifikant, in Lateinamerika dagegen fast gar nicht. Das liegt auch daran, dass in etlichen Ländern bereits auf sehr niedrige Einkommen Steuern fällig werden und die durchschnittliche Steuerlast anders als bei uns mit steigendem Einkommen oft sinkt. Vermögen und Kapitaleinkünfte werden kaum besteuert, Steuerhinterziehung und Korruption sind an der Tagesordnung – alles Anzeichen für den großen Einfluss von Eliten, die sich ein ihnen genehmes System gezimmert haben.

Wo die Schätze aus der Erde die Volkswirtschaft prägen, sind die Steuern von Unternehmen oft besonders wichtig.

Wo die Schätze aus der Erde die Volkswirtschaft prägen, sind die Steuern von Unternehmen oft besonders wichtig. Foto: picture alliance / REUTERS / TIM WIMBORNE

Unternehmenssteuern hängen an Rohstoffen

In Europa ist die Besteuerung von Unternehmensgewinnen von untergeordneter Bedeutung, die Einnahmen machen in Deutschland nur 2,3 Prozent des BIP und nicht einmal 6 Prozent des Gesamtaufkommens aus. Die große Ausnahme ist Norwegen: Unternehmenssteuern stehen für rund ein Viertel aller Steuereinnahmen, in der Vergangenheit waren das schon mal mehr als 12 Prozent des BIP. Dahinter verbirgt sich der große staatliche Pensionsfonds, der sich aus dem Ölgeschäft speist.

Im Rest der Welt zeigt sich ein differenziertes Bild. In den meisten Ländern spielen Unternehmenssteuern keine Rolle. Anders in vielen rohstoffreichen Staaten: In Australien, Chile und Kolumbien stehen sie – stark schwankend – für 15 bis 30 Prozent der Steuereinnahmen. Auch Mexiko hat den Anteil kontinuierlich auf mittlerweile 20 Prozent ausgebaut. Daneben hat offenbar auch die Wirtschaftskultur einen Einfluss. In den wirtschaftsstarken ostasiatischen Ländern Japan und Südkorea, in denen großen Arbeitgebern auch große gesellschaftliche Verantwortung zukommt, steuern Unternehmen weit über 10 Prozent zum Gesamtaufkommen bei.

06/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.


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