Der Licht-Macher

Um Großprojekte wie die Elbphilharmonie zu stemmen, musste Volker Schubert sein Elektrounternehmen auf nachhaltiges ­Wachstum ausrichten. Eine strukturierte Finanzierung half ihm dabei

TEXT: HEINZ-PETER ARNDT

Der Licht-Macher

Der Unternehmer und sein Projekt: Volker Schubert gründete sein Elektrounternehmen nördlich von Magdeburg knapp vor der Wende. Heute beschäftigt er mehr als 200 Mitarbeiter FOTO: WILLING-HOLTZ

Alle Menschen werden Brüder“: Als am 11. Januar die letzten Töne von Beethovens 9. Sinfonie beim Einweihungskonzert im Großen Saal erklangen, war die Elbphilharmonie endgültig angenommen. Mit ihrer weltweit einzigartigen Fassade aus 1100 unterschiedlichen Glas­elementen war die bereits zärtlich „Elphi“ genannte Konzerthalle für die Hansestadt mit 789 Millionen Euro zwar mehr als zehnmal so teuer geworden wie ursprünglich kalkuliert. Aber schließlich hätten nach dem Zoff zwischen Architekten und Generalunternehmer und einer langen Baupause nur wenige darauf gewettet, dass der Traum mitten in der Elbe noch Wirklichkeit werden würde – und eine so schöne dazu.

Volker Schubert war einer dieser wenigen Optimisten. Der Unternehmer und seine Elektrotechniker von der Schubert GmbH waren direkt am Bau: „Die gemeinsame Anstrengung nach der Bau­pause hat sich gelohnt“, sagt er stolz: Das 110 Meter hohe Gebäude mit seinen drei Konzertsälen, dem Fünfsternehotel, Gewerbe und Luxuswohnungen erforderte die Installation baumstammdicker Kabelbäume. Rund 400 Kilometer Elektrokabel wurden verlegt. Für Schubert war die Anstrengung – wie für alle Beteiligten – größer als erwartet. Ursprünglich war sein Umsatz mit der Elbphilharmonie mit 3,6 Millionen Euro berechnet, es wurden schließlich 24 Millionen Euro – immer neue Anforderungen trieben Komplexität und Kosten.

Die Arbeit am neuen Hamburger Wahrzeichen war die vorläufige Krönung der Unternehmer­karriere des 55-jährigen Volker Schubert. Einer Karriere, die für den Mann aus Tangerhütte bei Stendal im Jahr 1988 mit einem Auftrag für Elektro­installationen im Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft „Erich Weinert“ begann. Auftragswert damals: 6000 Mark, DDR-Mark. Wer solche Großprojekte wie die Elbphilharmonie stemmt, weiß, wie wichtig Struktur und Ordnung sind: In seinem Kerngeschäft ist der Selfmademan in dieser Beziehung optimal aufgestellt. „Bei den Finanzen allerdings war die Ordnung nicht immer so ausgeprägt“, gibt Volker Schubert schmunzelnd zu. Das teilweise stürmische Wachstum über mehr als zwei Jahrzehnte wurde immer wieder kurzfristig bei verschiedenen Banken finanziert. Schubert selbst bürgte oft mit seinem Privatvermögen. Regelmäßig mussten sich er und seine Finanz­chefin Maren von Bach mit Kreditverhandlungen belasten. Der findige Unternehmer suchte einen Befreiungs­schlag. Der Vorschlag der Deutschen Bank: strukturierte Finanzierung.

Alle Banken an einen Tisch

Gemeinsamkeit schafft Stärke – Volker Schubert weiß noch genau, wie ihn zwei Bilder überzeugten: Auf dem einen zeichneten die Experten der ­Deutschen Bank die Finanzierungsstruktur des Unternehmens auf – ein Tohuwabohu aus Verträgen mit zahlreichen Banken und Versicherern, mit unterschiedlichen Klauseln und Bürgschaften, die sich zum Teil widersprachen. „Ich hatte selbst Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden – obwohl ich die Verträge ja alle mal unterzeichnet hatte“, lacht Schubert. Auf dem zweiten Bild fand sich die künftige schlanke Struktur: ein einziger Konsortialvertrag, der vom Konsortialführer Deutsche Bank erstellt und verwaltet wird. Daran beteiligten sich vier Banken (Kreissparkasse Stendal und Volksbank Stendal, DZ Bank, Deutsche Bank) und zwei Versicherungen (Euler Hermes, R & V). Die Konditionen sind für alle gleich, an den Sicherheiten partizipieren die Finanz­institute nach der jeweiligen Kreditsumme quotal. Und kündigen können sie nur gleichzeitig nach Mehrheitsentschluss – ein unwahrscheinlicher Fall.

„Strukturierte Finanzierungen werden zunehmend stärker gefragt, denn das Produkt ist in den vergangenen Jahren zunehmend gereift“, erklärt Christian Reuter, Leiter Strukturierte Finanzierung Nord bei der Deutschen Bank: „Zunächst haben Konzerne das Instrument gewählt, dann der große, international orientierte Mittelstand. Heute kommen auch national oder selbst regional tätige Unternehmen dafür in Betracht, wenn sie ein Finanzierungsvolumen in zweistelliger Millionenhöhe mitbringen.“ Bei Mittelständlern gelten modifizierte Kriterien: „Auf Kennzahlen wie den Verschuldungsgrad oder den Zins­deckungs­grad können wir mitunter verzichten“, sagt Christian Reuter. „Denn diese sogenannten Financial Covenants sind bei Mittelständlern – anders als bei Großkonzernen – meist keine zentralen Steuerungsgrößen.

Lokale Finanzierung ist in mehr als 30 Ländern möglich

Bilateraler Kredit

  • mehrere Ansprechpartner bei den unterschiedlichen Banken
  • unterschiedliche Klauseln und Formulierungen; erhöhter Abstimmungsaufwand beim Kreditnehmer
  • Jede Bank entscheidet individuell über eine Kündigung
  • Bilaterale Kredite eignen sich üblicherweise nicht für große Akquisitions- und Investitionsvorhaben
  • hoher Zeitaufwand

Strukturierte Finanzierung im Mittelstand ist eine Einzelfallprüfung, bei der die Umsatz- und Ertragsentwicklung, die Unternehmenshistorie und vor allem auch die Unternehmerpersönlichkeit und die Zukunftsaussichten seines Unternehmens eine wichtige Rolle spielen.“ Das gilt auch bei einem Vorzeigeunternehmer wie Schubert, der 1998 den „Großen Preis des Mittelstandes“ erhielt und 2005 vom damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff als „Mutmacher der Nation“ ausgezeichnet wurde. Schon als 15-jähriger Konfirmand in der DDR hatte sich Schubert vorgenommen, als Elektriker selbstständig zu arbeiten. Nach einem schweren Motorradunfall studierte er Elektrotechnik in Magdeburg. Im Gegenzug musste er die Anstellung im dortigen Schwermaschinenbau-Kombinat „Ernst Thälmann“ (SKET) akzeptieren. Dreimal stellte er dort dann den Antrag, sich selbstständig machen zu dürfen. „Beim dritten Mal habe ich mit der Presse gedroht, weil meine Schwiegereltern drei Jahre auf neue ­Elektrik in ihrem Haus warten sollten“, erinnert er sich an den entscheidenden Trick: „Diese Schlagzeilen wollten die DDR-Behörden nicht haben.“

Finanzierung mit Langfrist-Wirkung

In der Scheune ebenjener Schwiegereltern ging es los. Der unternehmerische Durchbruch kam dann mit dem Mauerfall. Schuberts erster Großauftrag waren die Installationsarbeiten in der Schalterhalle der AOK in Magdeburg, die er zum Jahresende 1990 abschloss. So pünktlich und akkurat, dass er danach landesweit eine Vielzahl von AOK-Schalterhallen ausbauen durfte. Mit dieser Referenz ergatterte er 1996 den Großauftrag für das Frankfurter Congresscenter Messe und das Maritim Hotel – das erste Millionenprojekt. Umsatz und Mitarbeiter wuchsen über die Jahre nahezu stetig. Mit über 200 Mitarbeitern in der 2006 erworbenen, denkmalgeschützten Firmenzentrale in Tangerhütte und Dependancen in Hamburg und Wismar erwirtschaftet die Schubert GmbH inzwischen Jahresumsätze jenseits der 30 Millionen Euro.

Mehr als ein Jahr dauerte es von der ersten Idee bis zum Abschluss des Konsortialvertrags, der schließlich über 50 Seiten dick war. „Viele Steine in der Firma mussten umgedreht werden“, erklärt Schubert: „Aber anschließend haben die Banken und wir selbst unser Unternehmen besser verstanden.“ So konnten die beteiligten Banken ein überzeugendes Angebot machen. Dabei kam es Schubert nicht auf den letzten Zehntelpunkt bei den Zinskonditionen an. Dafür sind strukturierte Finanzierungen auch nicht das passende Instru­ment. Viel wichtiger war dem Unternehmer die langfristige Sicherung der Finanzierung. Und dieses Ziel wurde überzeugend erfüllt. Denn insgesamt kann die Schubert GmbH jetzt über Kreditlinien von 23,5 Millionen Euro verfügen, rund 50 Prozent mehr als zuvor. Und die Finanzierung ist nicht kurzfristig, sondern auf fünf Jahre gesichert.

Nur einen geringen Teil der Kreditlinie braucht Schubert als klassischen Kontokorrentkredit. Rund 90 Prozent dagegen machen Avallinien aus. Mit diesen Avalkrediten stellt er über die Konsortialpartner Garantien für seine Auftraggeber – für bereits überwiesene Vorauszahlungen, aber auch für Gewährleistungen bei fertiggestellten Gebäuden. Zehn bis 15 Prozent eines Auftrags müssen so jeweils über einige Jahre abgedeckt werden und binden Kapital. „Ohne eine Ausweitung der Linien hätten wir nicht wachsen können“, sagt Schubert. Jetzt ist das möglich: 2016 hat Schubert als neuen Großauftrag die gesamte Elektroinstallation des Neubaus des Universitätsklinikums Lübeck gewinnen können – ein Auftrag in zweistelliger Millionenhöhe, durch den die Avallinie längst nicht am Limit ist.

Weitere Informationen
Christian Reuter, Leiter Strukturierte, Finanzierung Nord bei der Deutschen Bank
E-Mail christian-a.reuter@db.com
Infos auch unter www.deutsche-bank.de/strukturierte-finanzierungen

Konsortialer Kredit

  • effiziente Verhandlung und Betreuung; Kreditnehmer verhandelt Kreditvertrag mit „Arranger“, „Agent“ ist Ansprechpartner in administrativen Angelegenheiten
  • einheitlicher Kreditvertrag, unter dem alle beteiligten Banken gleich behandelt werden, reduzierte Komplexität durch einheitliche Dokumentation und Bedingungen
  • Zur Kündigung sind Mehrheitsver­hältnisse im Konsortium erforderlich; Kreditnehmer geschützt vor Einzelentscheidung eines Kreditgebers
  • Konsortialkredit bietet Plattform für Finanzierungserhöhungen bzw. berücksichtigt bereits erhöhten Finanzierungsbedarf durch organisches Wachstum, Investition oder Akquisitionen etc.

Video: Struktur und Transparenz in den Finanzen – eine Hausaufgabe die sich lohnt

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results. Das Unternehmer-Magazin der Deutschen Bank 1-2017