Garantien und Bürgschaften komplett digitalisiert

Garantien und Bürgschaften spielen für MULTIVAC, einen Hersteller von Verarbeitungs- und Verpackungslösungen eine große Rolle. Das einst aufwendige Aval-Geschäft wurde digitalisiert und sorgt so für eine enorme Entlastung im Finanzbereich.

Garantien und Bürgschaften komplett digitalisiert

Verpackungsanlagen von MULTIVAC werden auf der ganzen Welt eingesetzt – und sind nicht ganz billig. Die Anzahlungen werden mit Avalen abgesichert, die mittlerweile komplett digital abgewickelt werden können. Foto: MULTIVAC Sepp Haggenmüller SE & Co. KG

Lebensmittel, Medizin, Industriegüter – es gibt kaum ein Produkt, das nicht in speziellen Verpackungen den Weg zum Kunden findet. Damit kennt sich die MULTIVAC Sepp Haggenmüller SE & Co. KG aus Wolfertschwenden im Allgäu bestens aus. Das Familienunternehmen entwickelt und produziert seit mehr als 60 Jahren hoch automatisierte Verpackungsanlagen und liefert sie über Tochtergesellschaften in mehr als 80 Ländern an Abnehmer auf der ganzen Welt. Wenn etwa geschnittener Lachs – ob in Chile oder Norwegen – verpackt wird, geschieht das sehr oft mit Maschinen, die im Allgäu entwickelt wurden.

Für das in der Regel langfristige Kundengeschäft erhält MULTIVAC Anzahlungen, die das Unternehmen mit Avalen absichert. „Ohne diese Anzahlungen müssten wir den Produktionsprozess selbst vorfinanzieren. Entsprechend wichtig ist das Aval-Geschäft für unser Liquiditätsmanagement“, erklärt Thorsten Busenius, Head of Corporate Treasury bei MULTIVAC.

Ohne Avale kein (inter-)nationales Geschäft

Avale sind ein Sammelbegriff, unter dem gängige Instrumente zur Risikominimierung wie Bürgschaften und Garantien zusammengefasst werden. Banken übernehmen dabei für den Auftraggeber des Avals die Funktion des Garanten beziehungsweise Bürgen und verpflichten sich, den Begünstigten unter bestimmten Voraussetzungen schadlos zu halten. Vor allem im internationalen Geschäft hilft das, neue Märkte und Kunden zu erobern.

„Wir haben nun einen genauen Überblick über das gesamte Aval-Geschäft und über die dafür gewährten Kreditlinien.“

Thorsten Busenius,
MULTIVAC

Unternehmen haben in der Regel mehrere dieser Instrumente im Gebrauch und sind häufig sowohl Auftraggeber als auch Begünstigter. MULTIVAC beispielsweise ist bei 80 Prozent der unterzeichneten Avale Auftraggeber, bei 20 Prozent Begünstigter.

In der Vergangenheit waren Avale reine Papiersache: Erst mit einer signierten Urkunde konnte MULTIVAC seinen Geschäftspartnern die geforderte Sicherheit präsentieren. Alles natürlich auf dem langsamen Postweg mit dem Risiko des Verlusts. In Kombination mit einer hohen Anzahl an Avalen war das ineffizient und führte zu einer hoher Ressourcenbindung in der Finanzabteilung. Hinzu kam, dass nicht immer ein zentraler Überblick über den aktuellen Aval-Bestand existierte, da die entsprechenden Instrumente dezentral von den Auslandstöchtern bearbeitet wurden.

Multibankenplattform Guarantee Vault

Zwischenzeitlich ging das mit E-Banking-Lösungen einfacher und deutlich schneller, nachdem der Zwang zum papierhaften Ausstellen und Unterschreiben von Avalaufträgen eingeschränkt oder abgeschafft wurde. Bei drei Aval-ausstellenden Banken war das für MULTIVAC aber immer noch ein hoher manueller Aufwand. Denn die Administrierung der Bürgschaften musste über Excel-Listen, E-Mails und verschiedene E-Banking-Lösungen zwischen den MULTIVAC-Auslandstöchtern, der Finanzabteilung in Wolfertschwenden und den garantiegebenden Banken orchestriert werden.

Zusammen mit der Deutschen Bank hat MULTIVAC sein immer umfangreicheres Aval-Geschäft deshalb auf der Plattform des Fintechs Digital Vault Service (DVS) gebündelt. DVS ist 2018 aus einer Marktinitiative von Unternehmen, Banken und Kreditversicherungen heraus mit dem Ziel entstanden, den gesamten Lebenszyklus eines Avals auf einer multibankfähigen Plattform, dem Guarantee Vault, zu digitalisieren.

„Mit der Anbindung an die Multibankenplattform Guarantee Vault lässt sich das Aval-Management nun vollständig digitalisieren.“

Karin Sollena,
Deutsche Bank

Pilottransaktionen realisierte MULTIVAC Anfang 2023 – mit Erfolg. Inzwischen übermitteln die Tochtergesellschaften über einen zentralen Kanal die für die Bank notwendigen Aval-Informationen wie Betrag, Laufzeit und Warenbeschreibung. Im Treasury werden die Daten im Einzelfall nur noch komplettiert und freigegeben. Über diesen Kanal bekommt MULTIVAC die Avale als digitale Urkunde auch zurück. Das spart neben Porto- und Kurierkosten vor allem Zeit, und es minimiert Fehlerquellen.

Weiterer Vorteil aus Sicht von MULTIVAC: „Wir haben so auch einen genauen Überblick über das gesamte Aval-Geschäft und über die dafür gewährten Kreditlinien“, sagt Busenius.

Digitalisierung zu Ende gedacht

Banken ermöglichen ihren Kunden zwar schon seit geraumer Zeit, Avale bilateral digital zu beantragen. Doch erst mit dem Guarantee Vault können auch Aval-Begünstigte in den Prozess eingebunden werden. Das war bislang so nicht möglich. „Mit der Anbindung an die Multibankenplattform Guarantee Vault lässt sich das Aval-Management nun vollständig digitalisieren“, erklärt Karin Sollena aus dem Bereich Trade Flow Advisory & Service der Deutschen Bank.

Die Digitalisierung erfolgt umfassend: von der Avisierung über die Freigabe und Änderung bis hin zum Reporting und der Rückgabe der Garantien und Bürgschaften, und zwar für alle im Prozess beteiligten Parteien (auch die Begünstigten) in Echtzeit und in einer standardisierten und sicheren Umgebung. Wurden früher mehrere bilaterale E-Banking-Lösungen für das Aval-Management genutzt, ist jetzt nur noch ein Tool nötig.

Multivac

Technische Mindeststandards gibt es grundsätzlich keine. „Der Zugang und die Nutzung der Plattform ist bereits mit den gängigen Webbrowsern möglich“, sagt Ludger Janßen, Geschäftsführer bei DVS. Über Programmierschnittstellen lässt sich die Plattform aber auch in bestehende Treasury-Management-Systeme einbinden.

Zudem sind die Aval-Auftraggeber frei in der Gestaltung und der Vergabe der Nutzungsrechte. Das ist gerade für weltweit agierende Unternehmen mit vielen Tochtergesellschaften wie MULTIVAC ein äußert sinnvolles Feature.

Akzeptanz muss noch besser werden

Ganz grundsätzlich steht der Guarantee Vault Unternehmen jeglicher Größe und Branche offen, richtet sich aber naturgemäß an Firmen mit nennenswertem Aval-Geschäft. Begünstigte zahlen für eine Anbindung an die Plattform grundsätzlich nichts. Auftraggebern werden einmalige Transaktionsgebühren je Aval berechnet – unabhängig von Höhe oder Laufzeit.

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„Der Zugang und die Nutzung der Plattform ist bereits mit den gängigen Webbrowsern möglich.“

Ludger Janßen,
Digital Vault Service

DVS verspricht Effizienzgewinne und Kosteneinspareffekte von im Schnitt 40 Prozent, die umso größer sind, je mehr Banken und Versicherer auf der Plattform zur Verfügung stehen. Und je mehr Begünstigte digitale Avale akzeptieren. In diesem Punkt gibt es noch Luft nach oben. Vor allem im Ausland spielt die papierhafte Urkunde für MULTIVAC noch eine gewisse Rolle. Busenius sieht deshalb die Banken in der Pflicht, für mehr Traffic und Marktakzeptanz auf der Plattform zu sorgen. Begünstigte von den Vorteilen digitaler Avale zu überzeugen ist im Projektgeschäft mit ständig neuen Kunden sicherlich schwieriger als bei fortlaufenden Kundenbeziehungen und erfordert immer auch eine gründliche juristische Analyse. Doch Busenius geht fest davon aus, dass sich das E-Aval durchsetzen wird.

04/2024
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor Andreas Knoch. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.


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