KI in der Unternehmenspraxis

Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz (KI) sind riesig. Doch welche Use Cases gibt es bereits? Wir haben mit drei Unternehmen über ihre Projekte, Erfahrungen und Pläne gesprochen.

Die KI eröffnet Unternehmen ganz neue Möglichkeiten, Daten zu strukturieren und daraus Schlüsse zu ziehen, die zum Beispiel die Effizienz in der Lagerhaltung verbessern helfen. Foto: Quality Stock Arts / Shutterstock

Die KI eröffnet Unternehmen ganz neue Möglichkeiten, Daten zu strukturieren und daraus Schlüsse zu ziehen, die zum Beispiel die Effizienz in der Lagerhaltung verbessern helfen. Foto: Quality Stock Arts / Shutterstock

Beispiel 1: Faller Packaging – gemeinsam mit Start-ups

„Keine Gießkanne“, betont Gerardo Rendina gleich mehrfach. Darum spielen CoPilot oder ähnlich umfassende KI-Modelle bisher für den IT-Leiter von Faller Packaging bislang keine signifikante Rolle. „Das produziert bei 800 Mitarbeitern viele Kosten, aber wenig konkrete Ergebnisse.“ Stattdessen setzt Rendina auf definierte Use Cases mit Product Ownern und klaren Verantwortlichkeiten für Daten – und auf Partnerschaften mit Start-ups, die eine passgenaue Lösung für den jeweiligen Use Case anbieten. Mit ihnen schließt Faller einen Vertrag ab, um gemeinsam zu testen, wie wertschöpfend die KI-Lösung in der Unternehmenspraxis ist. „Das ist unser ‚Venture Capital‘, das wir riskieren. Denn wir betreten damit jeweils Neuland.“ Der Vorteil: Faller selbst muss nicht erst aufwendig eigene KI-Lösungen aufbauen, sondern lässt die Spezialisten arbeiten.

„KI ist kein IT-Thema, wir sind nur Enabler. Es braucht die Zuständigkeit des jeweiligen Fachbereichs.“

Gerardo Rendina, Faller Packaging

Bislang hat sich dieses Vorgehen bewährt, erläutert Rendina an mehreren Beispielen. Use Case 1 ist das „Demand Management“. Mit KI wird der Forecast für die nächsten Monate deutlich präziser. „Vorher haben wir uns allein auf das Bauchgefühl des Vertriebs und die Aussagen der Kunden verlassen. In der Praxis sind wir dann immer so bei Vorjahresumsatz plus 10 Prozent gelandet.“ Die KI hingegen zeigt auch, wenn es einmal in die andere Richtung geht – so wie bei Faller 2024, als es eine Auftragsdelle gab. Nach einer sechsmonatigen Probezeit ist das Tool nun fest in den Quartals- und Jahres-Forecast integriert.

Die Use Cases 2 und 3 betreffen das Wissensmanagement. Bei Ausschreibungen kann Faller Packaging nun auf die gesamten Daten aus bisherigen Ausschreibungen zugreifen. „Damit verkürzt sich die Bearbeitungszeit von vier Wochen und Beteiligung von vier Mitarbeitern auf wenige Minuten. Und die Qualität ist auch noch besser.“ Und mit einer anderen KI-Lösung wird in „Interviews“ erhoben, was Mitarbeiter wissen – damit sichergestellt ist, dass dieses Erfahrungs- und Arbeitswissen nicht verloren geht, wenn sie das Unternehmen beispielsweise für den Ruhestand verlassen. Weitere Use Cases sind das „Condition Monitoring“ mit der Auswertung von Maschinensensordaten für die frühzeitige Einleitung von Wartung oder Pausen, die autonome Auftragserfassung mit einer um 70 Prozent verbesserten Durchlaufzeit sowie „Smart Data Analytics“, die dem Sales-Team helfen, Kundenpotenziale besser zu erkennen.

Rendinas wichtigstes Zwischenfazit bisher: Vieles ist mit KI möglich geworden – doch nur wenn sich Mitarbeiter verantwortlich fühlen, dass In- und Output in die KI fachlich korrekt sind, gibt es belastbare Ergebnisse. „Darum ist KI auch kein IT-Thema, wir sind nur Enabler. Es braucht die Zuständigkeit des jeweiligen Fachbereichs.“ Klar ist ihm auch: Ohne KI wird es nicht mehr gehen, will Faller konkurrenzfähig bleiben. Daher wird es sicher nicht das letzte „Venture“ sein, das Faller mit neuen Use Cases eingeht.

Beispiel 2: Samson – Opex stärken

„In Deutschland stehen zu oft noch die Investitionskosten – CAPEX – im Vordergrund, dabei ließe sich über die Betriebskosten vieles optimieren“, bemerkt Andreas Widl, Vorstandsvorsitzender der Samson AG. Das Unternehmen ist auf Regelarmaturen spezialisiert, die im Betrieb eine Vielzahl von Daten erfassen können. Diese Daten wiederum können – sinnvoll ausgewertet – helfen, komplexe Anlagen wie in der chemischen Industrie zu optimieren. Das ist umso wichtiger, als jeder Stopp dieser Anlagen, jedes Herunter- und Hochfahren sehr aufwendig und teuer ist. Oft werden die anspruchsvollen Anlagen in der Prozessindustrie von routinierten Bedienern gesteuert, die nach Vorgaben und Erfahrung handeln. „Doch auch diese gehen in den Ruhestand – und wertvolles Wissen droht verloren zu gehen“, sagt Widl.

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„Mit KI ergeben sich Muster und Trends, die echten kommerziellen Nutzen haben.“

Andreas Widl, Samson AG

Darum hat Samson selbst schon vor einem Jahrzehnt die digitale Transformation im Unternehmen gestartet. Die eigenen Maschinen wurden, wo bislang nicht vorhanden, mit Sensoren ausgestattet. Dadurch lassen sich relativ einfache Parameter wie Geräuschpegel und Stromverbrauch messen. „Allein die systematische Information darüber, welche Maschine wann eigentlich läuft, schläft oder ausgeschaltet ist, hat uns geholfen, die Produktivität um bis zu 30 Prozent zu erhöhen und dabei noch Stromkosten zu sparen.“ KI hilft, in einem Meer aus Daten Muster zu erkennen und Verschwendung konsequent zu reduzieren. Dies gelte auch für Samson-eigene Produkte: „Ein Stellungsregler speichert 1.500 bis 2.000 Datenpunkte. Diese sind für einen Anlagenbetreiber erst einmal unverständlich und damit irrelevant. Mit Algorithmen und Methoden der KI ergeben sich aber Muster und Trends, die echten kommerziellen Nutzen haben. Daten und Kommunikation im Feld sind die Voraussetzung für den automatisierten Anlagenbetrieb bis hin zur zukünftigen Autonomie einzelner Produktionsbereiche.“

Damit das funktioniert, braucht es aber Menschen, die die KI trainieren und die Ergebnisse auf Plausibilität überprüfen. Sorgen um ihren Arbeitsplatz müssten sich die Samson-Mitarbeiter nicht machen, betont Widl. „Wir setzen Digitalisierung und KI gerade zur Sicherung und Aufwertung von Arbeitsplätzen ein. Davon profitieren Softwareentwickler, Controller und Qualitätsbeauftragte genauso wie Maschinenbediener.“

Auch bei der ESG-Berichterstattung oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hilft KI dem Unternehmen. „Wir ersticken regelrecht in unsinnigen deutschen und europäischen Reportingpflichten“, kritisiert Widl. Samson hat das Ziel, KI überall dort einzusetzen, wo aus strukturierten Daten ganze Berichte generiert oder repetitive Prozesse automatisiert werden können. „Hier dient KI quasi als Schadensbegrenzer für den Mittelstand.“

Beispiel 3: Deutsche Bank Unternehmensbank – KI in einem streng regulierten Umfeld

Kirsten Bremke weiß, wie sensibel der Umgang mit Daten in einer Bank ist, wie schnell Fehler teuer werden können. Der Datenschutz und die Qualität der Ergebnisse sind zentrale Aspekte bei der Arbeit mit großen Sprachmodellen, die in der Regel umfassende Daten benötigen und nicht frei von Halluzinationen sind. Doch das bremst die KI-Begeisterung der Daten- und KI-Spezialistin bei der Deutschen Bank keinesfalls. In einer Partnerschaft mit Google hat die Deutsche Bank eigene KI-Lösungen wie „dbLumina“ entwickelt, die kontrolliert innerhalb der Bank betrieben werden. Beispielsweise erleichtert dbLumina den Analysten von Deutsche Bank Research, schneller hochwertige Berichte zu erstellen. Die KI hilft, frühere Research-Berichte, Branchenstudien und andere Veröffentlichungen zu erfassen, interessante Entwicklungen zu identifizieren und strukturiert aufzubereiten. Darüber hinaus bietet dbLumina vielfältige Einsatzmöglichkeiten im täglichen Bankgeschäft, etwa bei der Zusammenfassung von Marktinformationen, der Auswertung von Finanzkennzahlen sowie dem Ausfüllen von Formularen. Die KI-Lösung wird immer weiterentwickelt und kann nun auch Echtzeitinformationen aus dem Internet direkt verarbeiten.

„Die Verantwortung – und damit auch die Aufgabe der Verifizierung – liegt bei den Mitarbeitern.“

Kirsten Bremke, Deutsche Bank

„Bei allen KI-Lösungen in der Bank legen wir besonderen Wert auf die Qualität und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse – zum Beispiel durch die transparente Nennung von Quellen“, sagt Bremke. Dennoch weiß sie, dass es ohne menschliche Kontrolle nicht geht. „Die Verantwortung – und damit auch die Aufgabe der Verifizierung – liegt bei den Mitarbeitern.“ Außerdem fehle der KI ein grafisches Vorstellungsvermögen. „Die KI kann Unmengen von Daten replizieren. Aber sie hat keine Augen und keine Hände, die Realität ist für sie sehr abstrakt. Darum braucht es immer den Menschen“, betont Bremke.

Ein nächster Schritt sind KI-Agenten, die selbstständig handeln können. Die Grundlagen sind gelegt, doch bevor diese über Pilotprojekte hinaus skaliert werden, ist es noch ein anspruchsvoller Weg. „Das ist etwas, was unseren Firmenkundenbetreuern zum Beispiel bei der Terminvorbereitung hilft, relevante Unterlagen zusammenstellt, standardisierte Rückfragten stellt und Aufgaben verteilt. Bis aus solchen Assistenten verlässliche Partner werden, braucht es vorher noch klare Regeln und sehr viele Tests“, sagt Bremke.

Dass die Bankenaufsicht das Thema KI in der Bank grundsätzlich ausbremsen wird, erwartet Bremke nicht. Im Gegenteil: „Es ist denkbar, dass regulatorische Anforderungen den Einsatz von KI sogar fördern, um Risiken oder Problemfelder zu entdecken, die wir mit unseren bisherigen Mechanismen und Regeln gar nicht entdecken können.“

12/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.

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