Was wurde aus den innovativen Geschäftsmodellen?
Erinnern Sie sich noch an Pay per Use, Sharing Economy oder On-Demand? Rasch zeigte sich, dass die Kundennachfrage hinter den Erwartungen zurückblieb. Was ist aus den Neuerungen geworden?
Überangebot – Roller kreuz und quer. Nicht überall fand die „Sharing Economy“ Beifall. Inzwischen wurde der Markt aufgeräumt. Foto: Adobe Stock / Ralph Hoppe - www.FooTToo.de
Still ist es um Non-Fungible Tokens (NFT) geworden, diese Blockchain-basierten Zertifikate und Kunstwerke. Mitte 2022 war die Nachfrage nach digitalen Originalen wie dem „Bored Ape“ groß, für eine digitale Collage aus 5.000 Bildern des amerikanischen Künstlers beeple wurden 69 Millionen US-Dollar bezahlt. Solche Preise sorgten nicht nur für einen beständigen Nachschub an weiteren Originalen, sondern auch für Stirnrunzeln bei vielen Beobachtern. Der Hype hielt nicht lange an, schon ein Jahr später waren viele NFTs nur noch einen Bruchteil wert.
Hinter NFTs stand nicht allein die Idee neuer Spekulationsobjekte, sondern auch die eines ganz neuen Kunsthandels – fälschungssicher und jedes Werk einmalig. Künstler, aber auch Publizisten und Publishing-Tech-Anbieter hofften auf neue Erlösquellen. Denn die Digitalisierung von Musik, Film oder Buch hatte viele Verlage empfindlich getroffen, da ihre Werke als digitale Kopie kostenlos oder zu minimalen Beträgen von neuen Anbietern vertrieben wurden. Doch die Hoffnung dürfte sich nur in den wenigsten Fällen erfüllt haben. Wie auch die in manch anderes neues Geschäftsmodell.
Zurückhaltende Kunden
Insbesondere in Deutschland tun sich Kunden mit neuen Ansätzen wie Sharing Economy oder „Pay per Use“ schwer. 2017 hatten laut einer PwC-Studie zwar 39 Prozent der Deutschen binnen eines Jahres einen Sharing-Economy-Dienst genutzt. Doch das war der zweitniedrigste Wert unter sechs Ländern, nur Belgien lag noch darunter. Dabei war das Thema Sharing Economy medial sehr präsent, wurde Sharing schon als Nachfolger der „Besitz-Ökonomie“ gehandelt.
Die Grundidee war bestechend: Warum ein Auto besitzen, das doch größtenteils ungenutzt steht? Warum eine Bohrmaschine erwerben, die noch seltener gebraucht wird? Teilen, Leihen, Vermieten versprachen eine effizientere und damit sowohl günstigere als auch ressourcenschonendere Nutzung sowie weniger Überkapazitäten. Trends wie die Urbanisierung und eine Kultur des (Mit-)Teilens auf Social Media sollten helfen. Die Utopisten sahen eine Abkehr von etablierten Statussymbolen wie dem Auto, eine Hinwendung gerade junger Konsumenten zum „Erlebnis“. Die Gig Economy boomte, Flexibilität schien immer wichtiger zu sein. Manche prognostizierten gar eine gestärkte Gemeinschaft, die vertrauensvoll vieles miteinander teilt. Und Investoren sahen die Chance, ganz neue Märkte zu erobern. Denn die Internet-Wirtschaft hatte gezeigt: Die erfolgreichste Plattform könnte später einen gesamten Markt beherrschen. Entsprechend viel Wagniskapital floss.
In Deutschland sorgten aber nicht nur das Sicherheitsbedürfnis oder die hohe Bestandseigentumsquote von Autos oder Fahrrädern für Zurückhaltung. Auch der relativ hohe Bevölkerungsanteil abseits von Metropolen erschwerte hierzulande den Durchbruch der Sharing Economy. Dennoch ist die Idee nicht tot, es gibt weiterhin etliche Carsharing-Angebote, mittlerweile in über 1.000 Städten. Das Angebot bleibt aber oft kleinteilig und damit stationsbasiert. Weil dann das Leihauto nicht einfach dort abgestellt werden kann, wo man hinfahren möchte, sinkt die Attraktivität: Es ist umständlich, die Wege sind teilweise lang.
Sharing für Metropolen
In Metropolen ist die Nachfrage hingegen deutlich höher: Hier sind Parkplätze rar, werden viele Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad und zu Fuß zurückgelegt. Oder mit dem E-Scooter. Auch der Markt der Carsharing-Anbieter scheint sich inzwischen stabilisiert zu haben, Leihfahrräder und E-Roller sind zum festen Bestandteil des Straßenbilds geworden. Nun sind viele Anbieter wieder vom Markt verschwunden. Keine ungewöhnliche Entwicklung, nicht jeder kann den Verteilkampf überleben und nur im Oligo- oder Monopol ist eine flächendeckende Verbreitung wirtschaftlich möglich. Das Überangebot in der Frühphase hat aber auch Gegenreaktionen provoziert. In der Pariser Innenstadt wurden bereits E-Scooter-Anbieter gänzlich verboten, in vielen anderen gelten enge Abstellzonen. Weil zudem herumliegende, kaputte Sharing-Scooter den Nachhaltigkeitsgedanken der Angebote ad absurdum geführt hatten, büßte das Sharing-Modell auch in dieser Hinsicht an Glanz ein.
„Capex-to-Opex-Modelle können ein entscheidender Hebel sein, um den bestehenden Investitionsstau zu überwinden.“
Anne-Katrin Brehm, Deutsche Bank
Pay-per-Use-Modelle
Die Aussicht, in diesen volatilen Zeiten nutzungsabhängige Entgelte – Pay per Use oder kurz PPU genannt –, statt einer hohen Einmalinvestition zu zahlen, ist weiterhin ein Thema für Unternehmen und den öffentlichen Sektor gleichermaßen. Doch es zeigte sich, dass das Modell eher für Nutzer interessant war, die keine klaren Prognosen über ihr Nutzungsverhalten haben. Das aber machte eine Risikoeinschätzung vor allem für größere Finanzierungsvolumina sehr schwer.
Anne-Katrin Brehm, Embedded-Asset-Verantwortliche bei der Deutschen Bank, betont die Vorteile von Pay per Use: „Nutzungsbasierte Modelle können helfen, Liquidität zu schonen und gleichzeitig die notwendige Skalierung sicherzustellen. Gerade Capex-to-Opex-Modelle können ein entscheidender Hebel sein, um den bestehenden Investitionsstau zu überwinden. Denn sie ermöglichen es Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, notwendige Investitionen ohne hohe Einmalzahlungen zu tätigen.“
Um diese Vorteile viel häufiger auch nutzen zu können, brauche es aber eine Anpassung von Fördermittelvorgaben, sagt Brehm: „Nutzungsbasierte Modelle ließen sich viel einfacher und breiter umsetzen, wenn Fördermittel auch für Assets wie technische Anlagen greifen würden, die im Rahmen eines Eigentümerwechsels genutzt werden. Doch bislang können Capex-to-Opex-Modelle nur selten Anwendung unter den Fördermodellen finden. Würden Fördergelder so ausgestaltet, dass sie auch für ‚as a Service‘-Assets gelten, könnte Pay per Use wesentlich schneller an Dynamik gewinnen.“
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Neue Möglichkeiten
Ihr Kollege Günther Pöttler von der Deutschen Bank erkennt weiteres großes Potenzial im Pay-per-Use-Ansatz – wenngleich weniger im ursprünglichen Ansatz, sondern in der Weiterentwicklung bzw. der Abteilung damit einhergehender Finanzierungsansätze. „Das iPhone wurde auch nicht auf einen Schlag entwickelt, sondern brauchte zahlreiche Entwicklungsrunden.“ Er sieht Anwendungsmöglichkeiten, die derzeit bereits in größerem Umfang nachgefragt und umgesetzt werden, in Bereichen wie Energy-Efficiency-as-a-Service und Verfügbarkeitsmodellen. Banken und andere Geldgeber wären bereit, notwendige Investitionen zur Transformation der deutschen Industrie bzw. Energielandschaft bilanzeffizient zu finanzieren, benötigten dafür aber eine belastbare Absicherung ihrer Risiken – nicht zuletzt auch aus regulatorischen Gründen. Pöttler rät daher: „Gerade für die anstehenden Finanzierungserfordernisse in Deutschland kann der Staat – wie selbst umfassend propagiert – durch zielgerichtete und haushaltseffiziente Förderinstrumente diese Risikolücke füllen und damit eine umfassende Finanzierung in Deutschland sicherstellen, bspw. mit synthetischen Differenzkontrakten“. Liegen Nutzung (und damit die entsprechenden Erlöse für den Finanzierer) unter dem erwarteten Wert, zahlt die öffentliche Hand nur die Differenz.
„Für die anstehenden Finanzierungserfordernisse in Deutschland kann der Staat durch effiziente Förderinstrumente synthetischen Differenzkontrakten Risikolücken schließen.“
Günther Pöttler, Deutsche Bank
Der Vorteil: Zum einen senkt der Staat seine Initialkosten gegenüber bisherigen Förderinstrumenten, zum anderen kann er – wird der Erwartungswert deutlich überschritten – sogar Einnahmen erzielen. Das „Amortisationskonto“ der Bundesregierung sei ein erster Schritt hierzu, betont Pöttler. Derzeit wird weiterhin intensiv seitens der Deutschen Bank daran gearbeitet, die Rolle als Innovator bei derartigen Finanzierungsmodelle weiter auszubauen und Skalierbarkeit sicherzustellen.
Erfolgreiche Abo-Modelle
Anders ist die Lage beim Geschäftsmodell „Subscription Economy“. Sie ist längst fester Bestandteil des Alltags vieler Konsumenten. Hier wird nicht geteilt, sondern abonniert. Ob Video- und Musikstreaming, digitale Fitnessprogramme oder Cloud-basierte Software: Der Umsatz mit den regelmäßigen Zahlungen hat sich in wenigen Jahren vervielfacht. Selbst die Anzahl der Auto-Abos ist von rund 40.000 im Jahr 2020 auf rund 500.000 Neuverträge im Jahr 2023 gestiegen.
Doch selbst bei diesem Erfolgsmodell gibt es Einschränkungen. Auto-Abos machen weiterhin nur etwa 0,5 Prozent des Pkw-Bestands in Deutschland aus. Ob die Auto-Abos, wie mancher Anbieter erwartet, schon 2030 auf 10 Prozent Marktanteil kommen und Leasing überholen, bleibt abzuwarten. Der große Nachteil der Autos: Anders als bei den digitalen Subscription-Geschäftsmodellen lassen sie sich nicht mit Grenzkosten nahe null skalieren. Außerdem sind Subscription-Geschäftsmodelle nicht wirklich neu. Zeitungs- und Zeitschriftenhäuser bieten ihre Waren schon seit Jahrzehnten so an, jetzt eben auch digital. Außerdem ist bei Kunden eine Abo-Müdigkeit zu beobachten, da sich die Monatsbeiträge summieren. Das Angebot wächst zugleich in vielen Bereichen weiter, die Kunden wechseln nur häufiger als zuvor.
Die neuen Geschäftsmodelle bleiben
Die ganz großen Erwartungen in innovative Geschäftsmodelle haben sich nur selten erfüllt. Nach Jahren der Marktbereinigung und Adaption an regionale Marktbegebenheiten haben sich die Anbieter aber weitgehend etabliert. Selbst mit den digitalen NFTs gibt es noch einen aktiven Handel. Auf Webseiten wie nftpricefloor.com sieht man beispielsweise, welche Affen-NFTs gerade zu welchen Preisen gehandelt werden. Stündlich wechseln Exemplare zu Preisen von unter 7 Ether (ETH) den Besitzer. Doch die niedrige Summe täuscht: Weil der ETH aktuell nicht fern von seinem Höchststand Ende 2021 notiert, sind das Preise von deutlich über 20.000 US-Dollar je NFT.
11/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder