Nachhaltige Finanzierung: Wer hilft Braun, Grün zu werden?

Die Bekämpfung des Klimawandels ist eines der wichtigsten und meistdiskutierte Themen unserer Zeit. Ein entscheidender Hebel dabei ist die Wirtschaft: Die Industrie muss Grün werden. Dazu brauchen die Unternehmen intrinsische Motivation, vor allem aber die nötigen Mittel. Kann die Finanzwirtschaft über nachhaltige Finanzierungsoptionen ausreichend Kapital für grüne Investitionen stellen?

Do we have a deal? Die Transformation der deutschen Volkswirtschaft ist eine Kraftanstrengung, die hohe Investitionen erfordert. Die Finanzwirtschaft steht bereit, die Regeln sind allerdings recht streng.

Do we have a deal? Die Transformation der deutschen Volkswirtschaft ist eine Kraftanstrengung, die hohe Investitionen erfordert. Die Finanzwirtschaft steht bereit, die Regeln sind allerdings recht streng. Foto: adobe stock

Die Europäische Union (EU) will bis 2050 klimaneutral sein. Deutschland bereits 2045. Die Politik tut etwas gegen den Klimawandel und nimmt dabei auch die Finanzwirtschaft in die Verantwortung: Im Rahmen des Europäischen Green Deal wurden 2021 über die EU-Taxonomie Umweltstandards und -kriterien für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten festgelegt. Ziel ist erstens, Transparenz zu schaffen: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten sind nachhaltig? Zweitens soll nachhaltige Finanzierung gefördert werden. Drittens will die Taxonomie Greenwashing vorbeugen.

Von 2025 an werden zudem für Unternehmen die Offenlegungspflichten verschärft. Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und/oder einem Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro und/oder einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro müssen nach den Maßgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen – Investoren dürften sich diesen genau ansehen und ihn als wichtige Quelle bei der Bewertung des Unternehmens nutzen. Dazu: „Durch die CSRD verbessert sich die Informationsbasis signifikant, das ist für die Banken ein immenser Vorteil“, sagt Marcus Thiel, bei der Deutschen Bank für das nachhaltige Kreditgeschäft verantwortlich. „Das Thema Umweltrisiken ist aus der Kreditbewertung nicht mehr wegzudenken – daran wird die Bonität eines Unternehmens zunehmend gemessen.“

Mittelfristig soll Nachhaltigkeit in der Industrie zum obersten Gebot werden – auch über den Zugang zu Kapital: braunes Geschäft, kein Geld. Die Finanzinstitute verschreiben sich dem Nachhaltigkeitsziel. Dafür werden eigene Programme aufgelegt. Deutsche Bank und Europäische Investitionsbank (EIB) beispielsweise kooperieren bei einem Garantieprogramm, über das Unternehmen bei der Deutschen Bank langfristige Kredite von insgesamt 400 Millionen Euro bekommen und eine 50-Prozent-Garantie der EIB als werthaltige Sicherheit nutzen können. Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass die geplante Investition den Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie entspricht sowie dem Deutsche Bank Sustainable Finance Rahmenwerk.

„Das Thema Umweltrisiken ist aus der Kreditbewertung nicht mehr wegzudenken – daran wird die Bonität eines Unternehmens zunehmend gemessen.“

Marcus Thiel, Deutsche Bank

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Auch Private-Equity-Gesellschaften (PEs) haben die Nachhaltigkeit entdeckt: Ihre Investoren erwarten, dass sie ESG-konform investieren und knüpfen Kapitalzusagen immer öfter an Nachhaltigkeitsvorgaben. Die PEs legen folglich zunehmend Fonds auf, die schwerpunktmäßig in nachhaltige Geschäftsmodelle investieren. Auch reine Impact-Fonds, die sich ausschließlich an ESG-konformen Firmen beteiligen, werden häufiger. In Deutschland wirbt beispielsweise BonVenture mit „sozialem Risikokapital“ und „Investitionen, die einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen“.

So weit, so sinnvoll. Was aber ist mit den Unternehmen, die bisher alles andere als „Grün“ sind? Im deutschen Mittelstand geht vor allem in energieintensiven Branchen die Sorge um, für die eigene Transformation zum nachhaltigen Geschäft keine Investoren mehr zu finden. Unbestreitbar haben Stahl- und Metallbranche, Automotive, Chemiekonzerne sowie andere energie- und ressourcenintensive Unternehmen unter ESG-Gesichtspunkten hohe Hürden zu überwinden. Und da könnte es für einige eng werden.

Verschiedene Finanzierungsvarianten

Die Transformation hin zur Nachhaltigkeit ist für die Finanzierer eine Herausforderung. Allerdings: Nachhaltige Finanzierung ist nicht gleich nachhaltige Finanzierung – es existieren verschiedene Spielarten. Die erste Variante sind Kredite für Unternehmen, die bereits als nachhaltig qualifiziert sind. Diese Form der Finanzierung ist für „braune“ Firmen kaum realistisch.

Die zweite Variante sind sogenannte Sustainability Linked Loans, also an Nachhaltigkeitsziele geknüpfte Kredite. Hierbei wird vorab vertraglich festgehalten, welche Meilensteine auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit der Kreditnehmer zu erreichen hat. Im Erfolgsfall vergünstigt sich die Kreditmarge. Werden die Ziele nicht erreicht, kann sie allerdings über den eingangs vereinbarten Zinssatz steigen. Diese Option steht auch energieintensiven Unternehmen offen. Die Anforderungen sind allerdings hoch: Kreditgeber achten darauf, dass die Nachhaltigkeitsziele äußert ehrgeizig formuliert sind, um Greenwashing vorzubeugen.

Drei Wege zur nachhaltigen Finanzierung

Die dritte Spielart sind Finanzierungen mit nachhaltigem Verwendungszweck. Darunter fällt zum Beispiel die oben genannte Partnerschaft der Deutschen Bank mit der EIB. Das bedeutet in der Umsetzung: Die Bank finanziert nicht das Unternehmen, sondern eine konkrete, zweckgebundene nachhaltige Investition im selbigen, die zu mehr Nachhaltigkeit führt. Dafür kann der Kreditgeber einen Finanzierungsvorteil erhalten, den er weitergeben darf.

Kredite für „braune“ Branchen sind schon heute schwieriger zu bekommen und mitunter teurer. Dazu kommt, dass nachhaltige Finanzierungen sich künftig noch stärker durchsetzen und bald das „New Normal“ darstellen werden. Sowohl Politik als auch Finanzwirtschaft haben sich dem Ziel verschrieben, ESG-konforme Industrien und Maßnahmen zu unterstützen. Dass es langfristig noch ausreichend braune Finanzierungsoptionen geben wird, ist also nicht zu erwarten. Marcus Thiel verdeutlicht: „Es gibt Fälle, in denen die Kreditvergabe den Nachhaltigkeitsvorstellungen von Finanzierern widerspricht und scheitern kann.“

Unternehmen müssen aktiv werden

Das heißt aber nicht, dass jeder Stahlkonzern bereits die Insolvenz vorbereiten muss. Die Unternehmen haben über ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele durchaus die Chance, sich Sustainability Linked Loans zu sichern. Oder sie können einen nachhaltigen Verwendungszweck für eine Finanzierung nachweisen. Für Marcus Thiel ist klar: Das ist bei den deutschen Unternehmen angekommen. „Die betroffenen Branchen gehen proaktiv mit den Anforderungen um und arbeiten sowohl an einer ambitionierten Nachhaltigkeitsstrategie als auch an der Reduzierung ihrer Emissionen.“
Energie- und ressourcenintensive Branchen haben es also zu einem großen Teil selbst in der Hand. Sie müssen anpacken und aktiv werden. Denn: Wer sich ehrgeizigen Nachhaltigkeitszielen ernsthaft verschreibt, der wird auch künftig finanziert. „Wenn Transformation möglich ist, wird es Banken geben, die bereit sind zu finanzieren“, zeigt sich Marcus Thiel zuversichtlich.

Der Anleihe- und Aktienmarkt wird vielen Großunternehmen zum Teil helfen – aber auch dem Mittelstand ausreichend?

Eine Einschränkung aber gibt es, und sie hat das Potenzial, die groß angelegten europäischen Bemühungen für den Umbau zur Klimaneutralität zu torpedieren: Die Transformation, die Europa stemmen muss, ist insgesamt so teuer, dass sich eine viel größere Frage stellt: Ist der europäische Kapital- und Bankenmarkt in der Lage, sie zu finanzieren? „Bankenfinanzierung ist ein wichtiger Baustein, aber es braucht für dieses Thema mehr als nur diesen Baustein“, stellt Thiel klar.

Der Anleihe- und Aktienmarkt wird vielen Großunternehmen zum Teil helfen – aber auch dem Mittelstand ausreichend? Private Geldgeber wie Finanzinvestoren und Kreditfonds dürften sich in vielen Fällen schwertun, weil die Transformation gewollt ist, aber nicht immer die große Rendite winkt. Es kann also durchaus dazu kommen, dass „braunen“ Branchen zunehmend Schwierigkeiten bekommen an günstiges Kapital zu kommen. Damit stellt sich automatisch die Frage nach der Rolle des Staats. Garantien durch die EIB in dreistelliger Millionenhöhe sind schön – aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Unternehmen dürften wegen weitaus größerer Summen vorstellig werden.

10/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.


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