
Eingekauft statt hausgemacht: Corporate Venture Capital
Großkonzerne kaufen Innovation oft ein, manche sogar mit speziellen Venture-Capital-Armen über Beteiligungen an Start-ups. Doch Corporate Venture Capital ist auch für den Mittelstand ein sinnvoller Ansatz.

Axel Springer Digital Ventures beteiligt sich bereits seit 2013 an Start-ups – unter anderem an der E-Scooter-Firma Dott. Foto: DOTT
Innovation ist die Fähigkeit, Veränderung als Chance zu sehen, nicht als Bedrohung.“ Diese Worte stammen von Steve Jobs. Als Mitgründer und langjähriger CEO von Apple hat er beinahe im Jahrestakt innovative Produkte entwickelt und Apple zum Weltkonzern geformt. Auch Geschäftsführer und Eigentümer deutscher Mittelständler haben längst erkannt, dass das Weiterso in die roten Zahlen führt und der künftige Erfolg entscheidend davon abhängt, inwieweit neue Technologien und disruptive Entwicklungen Einzug in ihre Häuser halten. Eine wichtige Rolle spielen traditionell interne Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (F&E).
„CVC ist ein sinnvoller Baustein innerhalb einer guten Innovationsstrategie.“
Luise Gruner, Axel Springer Digital Ventures
Die F&E-Teams kennen das Geschäftsmodell, verstehen die Prozesse und wissen um die Herausforderungen. Das Problem: Im eigenen Haus geht man eher die bekannten Pfade und optimiert Abläufe, anstatt komplett neu zu denken. „Evolutionären Fortschritt“ nennt das die Unternehmensberatung Mücke Roth & Company in ihrem „Corporate Venture Capital Trendreport“.
Echte Disruption entsteht dagegen oft über externe Impulse. Hier kommen Start-ups ins Spiel: Die jungen Wilden haben die Freiheit, ohne Rücksicht auf Verluste – sei es an Kunden, Lieferanten oder Kreditgebern – unvoreingenommen eine Branche und ihre Gegebenheiten aufzumischen. Junge Gründer wetten auf neue Technologien – und transformieren im Erfolgsfall ganze Industrien: Lösungen wie der Terminbuchungsservice Doctolib erleichtern der Bevölkerung den Zugang zu medizinischen Leistungen, mit der Software des Processmining-Start-ups Celonis arbeiten Tausende Kunden, und Forto hat mit seiner digitalen Plattform der gesamten Logistikbranche ein einfaches System zum effizienten Frachtmanagement bereitgestellt.
Nicht immer muss aus den Neuankömmlingen ein Wettbewerber werden. Kooperationen sind das Gebot der Stunde – oft digitalisieren Start-ups einfach einen Prozessschritt. Darum sind viele Mittelständler interessiert, die Ideen für sich zu nutzen. Nun führen viele Wege nach Rom – die Unternehmensberatung BCG unterscheidet in einem Report verschiedene Ansätze, sich Innovation ins Haus zu holen. Neben F&E listen die Berater weitere Optionen auf, die von lockeren Kooperationen bis zu klassischem M&A reichen.
Ein Ansatz, den vor allem Großkonzerne gern nutzen, ist Corporate Venture Capital (CVC): Das Unternehmen investiert Eigenkapital und beteiligt sich analog zu Venture-Capital-Fonds oder Business Angels an Start-ups. Die CVC-Einheiten sollen dem Konzern Zugang zum Ökosystem verschaffen, Ergänzungen des eigenen Geschäftsmodells identifizieren und den Zugriff auf diese sichern. Neben Schwergewichten wie Bertelsmann oder BMW unterhalten auch Unternehmen wie Fielmann eigene CVC-Arme.
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Erfolg mit mehreren Ansätzen
„CVC ist ein sinnvoller Baustein innerhalb einer guten Innovationsstrategie“, sagt Luise Gruner, Managing Director bei dem seit 2013 aktiven Corporate-Venture-Capital-Arm Axel Springer Digital Ventures (ASDV). Sie betont aber, dass Erfolg nur in Kombination mit weiteren Kanälen zu erwarten sei, und verweist auf die M&A-Aktivitäten von Axel Springer, auf regelmäßige Hackathons, strategische Partnerschaften und Kooperationen ohne Equity-Beteiligung. „Unterschiedliche Ansätze werden unterschiedliche Ideen zurückspielen, die alle gewinnbringend sein können.“

Auch Banken sind als strategische Investoren aktiv. Martin Hemmeter verantwortet die CVC-Aktivitäten im Unternehmenskundenbereich der Deutschen Bank und sieht sie als wichtiges Instrument, um Nähe zum Start-up-Ökosystem aufzubauen. „Jede Industrie, die mit Disruption konfrontiert ist, muss sich positionieren – früher Einblick in relevante Entwicklungen und schneller Zugang können entscheidend sein“, berichtet er. Nur auf Corporate Venture Capital zu setzen, hält auch Hemmeter nicht für richtig. „CVC kann ein geeignetes Instrument sein, um strategische Partnerschaften zu stärken. Beteiligungen können jedoch auch Komplexitäten mit sich bringen, weshalb oft eine einfache Kooperation ausreichend ist.“ Als strategischer Investor sichert man sich regelmäßig das Recht, über ein Board-Mandat einen gewissen Einfluss auszuüben. Daneben sind die Aktivitäten laut dem Experten auch hilfreich in der Außenwirkung: „CVC-Investitionen setzen ein starkes Signal im Markt und stärken die Reputation als innovatives Haus.“
Nun sind Axel Springer und die Deutsche Bank keine mittelständischen Unternehmen. Aber rechnen sich Kosten und Aufwand von Corporate Venture Capital auch für den Mittelstand?
„Beteiligungen können jedoch auch Komplexitäten mit sich bringen, weshalb oft eine einfache Kooperation ausreichend ist.“
Martin Hemmeter, Deutsche Bank
Ja, meint Enrico Reiche. Er leitet das Venture Deal Team bei PwC – und entkräftet Sorgen: „Kleine und mittlere Unternehmen können sich vielleicht keine großen Teams oder Fonds leisten. Es bleibt aber die Möglichkeit, CVC über indirekte Investitionen in passende, geschäftsnah investierende Venture-Capital-Fonds zu nutzen.“ Die Fonds öffnen sich zunehmend für Strategen, und ihre kleinsten Tickets liegen zwischen einer Million und drei Millionen Euro – Summen, die auch für den Mittelstand interessant sind.
Indirekt investieren
Damit ein indirektes Investment über einen klassischen Fonds sich mit Blick auf Innovationen auszahlt, muss der Mittelständler einige Punkte beachten. Die Venture-Capital-Gesellschaft sollte in Branchen und Technologien investieren, die für die Geschäftstätigkeit relevant sind. Einige Häuser bieten an, dass Corporates sich über Co-Investitionen nur an solchen Start-ups beteiligen, die strategisch passen. Auch die enge Zusammenarbeit mit den Fondsmanagern erhöht die Chance, die richtigen Investitionen zu initiieren. Wer clever selektiert, eng kooperiert und Beziehungen pflegt, wird sehr wahrscheinlich strategische Vorteile realisieren.
Und es gibt einen weiteren Pluspunkt: Diese Art des Investierens bringt Zugriff auf ein erfahrenes Investmentteam. Die Wahrscheinlichkeit, sich an einem Rohrkrepierer zu beteiligen, sinkt. Denn auch der Stratege ist interessiert am finanziellen Return.

FOTO: VISSMANN
Viessmann kauft Innovation ein:
Der Heizungsbauer hat beispielsweise in Thermondo investiert und das Unternehmen später sogar übernommen.
Entscheidender als die Ressourcen ist die Einstellung, mit der Corporate-Venture-Capital-Aktivitäten betrieben werden. CVC bringt keine kurzfristigen Erfolge, Wertschöpfung braucht Zeit. Das erfordert Weitsicht und ein langfristiges Bekenntnis des Unternehmers und seines Führungsstabs, das auch Wechsel an der Spitze übersteht. Die Unternehmenskultur sollte CVC insgesamt mitdenken – Schnittstellen in andere Bereiche der Firma sind essenziell.
Und ja, es braucht auch Geld und Personal. Das Unternehmen muss Kapital für die CVC-Aktivitäten freistellen und darf die Mittel nicht sofort wieder einkassieren, wenn etwa im Kerngeschäft die Umsätze sinken oder der schnelle Erfolg ausbleibt. Ein unabhängiger Manager mit Erfahrung im Bereich Venture Capital sollte die Leitung übernehmen – inwieweit ihm ein Team zur Seite gestellt wird, darf sich durchaus an den individuellen Möglichkeiten orientieren.
Wird die CVC-Einheit entlang dieser Voraussetzungen aufgesetzt, kann sie dem Mittelstand wunderbar dienen. Das beweisen erfolgreiche Beteiligungen, die in Übernahmen gipfelten. Der Maschinenbauer Trumpf hat nach einem CVC-Investment das IoT- und Indoor-Tracking-Start-up Zigpos gekauft. Viessmann hingegen investierte früh in Thermondo, ein Unternehmen für digitale Heizungsmodernisierung. Später übernahm der Heizungshersteller die Mehrheit an dem Start-up.
„Kleine und mittlere Unternehmen können CVC über indirekte Investitionen in passende, geschäftsnah investierende Venture-Capital-Fonds nutzen.“
Enrico Reiche, PwC
Noch mehr als im Konzern lautet die Devise für kleinere Unternehmen aber, CVC als einen Baustein innerhalb eines breiten Spektrums an Innovationsansätzen zu denken und die Erwartung an Ergebnisse nicht zu überfrachten. Ob am Ende die Kooperation mit einem Start-up, die Übernahme im Rahmen von M&A oder aber die CVC-Beteiligung die entscheidende Innovation ins Unternehmen bringt, lässt sich nicht vorhersagen. Klar ist aber: Je mehr Pfeile im Köcher, desto wahrscheinlicher landet man den Treffer.
07/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.