Drohnen außer Sicht

Weltweit wird an den technischen und regulatorischen Voraussetzungen gearbeitet, die neue Mobilität in der Luft erlaubt. Das eröffnet Chancen für bemannte und unbemannte Flugobjekte – und Unternehmen, diese für sich einzusetzen.

Eine Einsatzmöglichkeit für Drohnen: Die Überprüfung von Infrastrukturbauten wie Brücken, die sonst nur schwer und teuer zugänglich wären. Foto: Imago / Arnulf Hettrich

Eine Einsatzmöglichkeit für Drohnen: Die Überprüfung von Infrastrukturbauten wie Brücken, die sonst nur schwer und teuer zugänglich wären. Foto: Imago / Arnulf Hettrich

Das fliegende Auto, Utopie zahlloser Science-Fiction-Zeichnungen, ist näher denn je. Eine Vielzahl an Startups und etablierten Luftfahrtkonzernen arbeiten an der neuen Individualmobilität in der Luft. Lufttaxis und Drohnen als Paketboten stehen vor der Realisierung über Pilotprojekte hinaus. Drohnen bieten auch abseits der militärischen Einsatzmöglichkeiten, über die aktuell viel zu lesen ist, viele neue Möglichkeiten. Möglichkeiten, von denen auch viele branchenfremde Unternehmen profitieren werden: von der Logistik über die Lagerhaltung, vom Bau über die Erschließung von Ressourcen, von der Inspektion bis zur Sicherheit. Doch damit es nicht zum Chaos – und vielen Unfällen – in der Luft kommt, braucht es ein umfassendes Regelwerk und die passende Infrastruktur. Erste Vorschläge zur Regulierung gibt es, und Unternehmen wie Skyports arbeiten an der Infrastruktur. Was geht heute schon, welche Hindernisse müssen noch überwunden werden?

Akzeptanz der Bevölkerung

Erstes Problem – wie bei so vielen technischen Veränderungen – ist die Skepsis der Bevölkerung, die schnell in Ablehnung umschlagen kann. Das ist bei Drohnen nicht anders, auch wenn sich die Einstellung der Menschen mit ihrer zunehmenden Verbreitung ändern dürfte. Unklar ist nur, in welche Richtung. Eine Befragung von fast 4.000 EU-Bürgern 2021 zeigte, dass eine Mehrheit von 56 Prozent sich unsicher fühlt, wenn eine unbemannte Paket-Drohne über sie fliegt.*

„Eine Befragung von fast 4.000 EU-Bürgern 2021 zeigte, dass eine Mehrheit von 56 Prozent sich unsicher fühlt, wenn eine unbemannte Paket-Drohne über sie fliegt.“

Doch die Industrie drängt darauf, genau solche Lösungen möglichst rasch zu realisieren. Das Stichwort heißt „BVLOS – Beyond visual Line of Sight“ – also das Fliegen außer Sichtweite des Piloten. Damit eröffnen sich ganz neue Einsatzfelder für Drohnen. Bereiche, die bislang zu unzugänglich oder gefährlich für Menschen waren, können so von Drohnen erreicht werden, während der Pilot in sicherer Ferne bleibt. Vor allem ermöglicht BVLOS aber eine Skalierung des Drohnenbetriebs: Statt einzeln von einem Piloten in Sichtweite könnten sie zentral über weite Distanzen gesteuert werden. Das wäre die Voraussetzung für die massenhafte Paketausgabe.

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Technologiefrage Sicherheit

Noch fehlen aber Technologie und regulatorische Vorgaben, die einen sicheren Betrieb ermöglichen – Problem Nummer 2. Sicherheit bedeutet dabei, dass die Drohnen auch bei unvorhergesehenen Hindernissen oder technischen Schwierigkeiten wie einem Verbindungsabbruch keine Schäden verursachen. Bislang sind die Sicherheitssysteme der Drohnen aber noch nicht so weit, dass sie den Anforderungen der Regulierer genügen, darum unterliegt der Flug außerhalb der Sichtweite engen Restriktionen. So ist bislang in Europa der BVLOS-Betrieb nur in ausgewiesenen Gebieten möglich, von denen Ballungsräume typischerweise ausgenommen sind.

7 Einsatzmöglichkeiten für Drohnen

  1. Fotografie: 
    Schon heute haben Drohnen teure Helikopterflüge bei Film- und Fotoaufnahmen weitgehend ersetzt. Da sie nicht nur deutlich günstiger sind, sondern auch längst Möglichkeiten wie „Verfolgungsflug“ und Ausweichmanöver beherrschen, werden sie bereits gerne bei Sport, Werbung oder Reisevideos und -Fotos eingesetzt, da sie auch bei geringerem Budget oftmals ungekannte Perspektiven ermöglichen. Angeblich werden Immobilien, die auch mit Drohnen-Aufnahmen vermarktet werden, deutlich schneller verkauft als „terrestrisch“ fotografierte und gefilmte.
  2. Auslieferung:
    Die große Hoffnung der Logistiker liegt auf der Lieferung per Drohne. Das verspricht nicht nur höhere Geschwindigkeit in staugeplagten Ballungsräumen, sondern könnte auch lange, teure Wege zu abgelegenen Empfängern einsparen. Autonom fliegende Drohnen sparen zudem Personalkosten ein. Unternehmen wie Amazon und UPS testen die neuen Möglichkeiten bereits aus.
  3. Katastrophenhilfe:
    Bei Erdbeben, Großbränden und anderen Naturkatastrophen können Drohnen wertvolle Aufklärungsarbeit über die Lage in schwer zugänglichen Gebieten leisten. Mit entsprechenden Kameras (zum Beispiel Wärmebild) ausgestattet, können sie wichtige Daten sammeln oder Überlebende finden; außerdem können sie Hilfspakete gezielt ausliefern.
  4. Fernanalyse und -wartung:
    Auch schwer zugängliche Stellen wie Brücken, Dämme oder Förderanlagen können günstig inspiziert werden, ohne Menschenleben zu riskieren. Drohnen, die auch ungewöhnliche Perspektiven einnehmen können, erlauben aufgrund niedriger Kosten und Risiken häufigere Inspektionen und helfen wiederum, mögliche Schäden frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen.
  5. Inventur:
    Bislang mussten Menschen auf dem Boden zeitaufwändig umfangreichere Inventuren vornehmen. Mit Drohnen lassen sich Außenanlagen wie Abstellplätze für Container, Autos etc. leicht erfassen, so dass aktuelle Warenbestände möglich werden. Auch in großen Hochlagern ermöglichen kleine Drohnen die rasche Identifizierung von Waren.
  6. Unterhaltung:
    Das Drohnen-Ballett am Himmel hat bereits manches Feuerwerk und manche Laser-Show abgelöst. Mit einer Vielzahl leuchtender Drohnen lassen sich gezielt Bilder in den Himmel malen, die die Zuschauer bannen. Das machen sich nicht nur Städte etc. zunutze, die Besucher anziehen möchten, sondern in Zukunft möglicherweise vermehrt auch Unternehmen mit ihren Werbebotschaften.
  7. Senden und empfangen:
    In abgelegenen Gebieten können Drohnen als Sende- und Empfangsstationen eingesetzt werden, um Arbeiter oder Einwohner kurzfristig auch fernab von Sendemasten mit individuellen Live-Audio, Video oder Daten zu versorgen.

Es wird aber fieberhaft an der technischen Verbesserung der Systeme gearbeitet. Eine Lösung könnte das israelische Startup Wonder Robotics zuliefern, die auf jeder Drohne installiert werden kann und die Freigabe von Landezonen in Echtzeit ermöglicht. Damit können sichere Notlandungen an unvorbereiteten, nicht kartierten und unbeaufsichtigten Orten stattfinden, beschreibt Wonder Robotics. Eine andere Antwort möchte Droniq – ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Flugsicherung (DFS) und der Deutschen Telekom – mit ihrem Verkehrsmanagementsystem für Drohnen geben. Dieses „UTM“ (UAS Traffic Management System; UAS steht dabei für unbemanntes Luftfahrsystem) setzt auf Signale, die jede Drohne aussendet, und die – ähnlich wie bei der bemannten Luftfahrt – zentral bei der DFS analysiert werden, um rechtzeitig Kollisionen etc. zu verhindern.

Erste Projekte wurden bereits erfolgreich durchgeführt, doch die Unsicherheit bleibt, wie die Systeme bei starkem Drohnenverkehr oder – da sie u.a. auf Mobilfunkverkehr setzen – bei Ausfall von Mobilfunkmasten oder Überlast reagieren: Werden sie schnell genug Signale empfangen und senden können, um niemanden zu gefährden?

Noch müssen sich die Nutzer und Betreiber von Drohnen-Diensten mit Pilotprojekten begnügen. Doch mit jedem erfolgreichen Versuch und der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Technologie werden auch die Luftfahrtaufsichtsbehörden sich nicht dauerhaft querstellen. Wann der Startschuss für das Drohnenzeitalter „außer Sichtweite“ fällt, ist allerdings noch unklar. Es wäre nicht das erste Mal, dass Übergangsfristen nach hinten geschoben werden. Erst im März 2022 hat die EU-Kommission die ursprüngliche Übergangsfrist für die Einführung bestimmter Drohnen-Modellklassen, die auch BVLOS-Möglichkeiten reguliert, um ein Jahr auf den 1. Januar 2024 verschoben.

* Study on the societal acceptance of Unmanned Air Mobility in Europe

08/2022
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.


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