Die Supermacht der Broligarchen
Einen großen Einfluss hatten US-Industrielle immer. Doch Techunternehmer wie Elon Musk können dank ihres Kapitals, ihrer politischen Gewalt und ihrer Technologien die globale Ökonomie nach ihren Vorstellungen formen. Das wirkt sich auch auf die deutsche Wirtschaft aus.

Besuch mit Sohn im Weißen Haus: Elon Musk erklärt, der US-Präsident hört zu. FOTO: PICTURE ALLIANCE/ASSOCIATED PRESS/ALEX BRANDON
Enge Beziehungen zwischen Unternehmern und Politikern sind nicht neu. Ob Silvio Berlusconi (Italien), Michael Bloomberg (USA) oder Malcolm Turnbull (Australien), Thaksin Shinawatra (Thailand) oder Binod Chaudhary (Nepal): Viele Unternehmer hat es in der jüngsten Vergangenheit in die Politik gezogen. Manche von ihnen verfügten über eine große mediale Reichweite (Berlusconi), andere hatten wichtige IT-Unternehmen gegründet (Shinawatra). Doch noch nie gab es eine solche Konzentration von finanzieller, global-medialer und technologischer Macht wie in den Händen weniger US-Techunternehmer wie Elon Musk, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos. Und noch nie waren ihre Aussichten, zu ihrem Vorteil auch direkten politischen Einfluss zu nehmen, so gut wie in der zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump.
Tech, Medien, Geld – und Politik
Bei Trumps Amtseinführung war die erste Liga der „Tech Bros“ da: Zuckerberg und Bezos, Sundar Pichai (Google) und Musk saßen direkt hinter der First Family. In der Reihe dahinter fanden Tim Cook von Apple, Shou Zi Chew von TikTok und Sam Altman von OpenAI Platz. Die „Broligarchen“, wie sie mancher nennt, saßen damit weiter vorn als die möglichen Kabinettsmitglieder. Die Plätze am Machtzentrum hatten sich die Unternehmer zuvor mit viel Geld und Entgegenkommen erworben: Musk gab 277 Millionen US-Dollar für die Trump-Kampagne aus; Bezos verhinderte eine Wahlempfehlung seiner „Washington Post“ für Kamala Harris und zahlte durch Amazon 40 Millionen US-Dollar für die Lizenzierung und das Streaming einer Dokumentation über Melania Trump; Zuckerberg beendete die Faktenprüfung von Inhalten auf Facebook, Instagram und Threads.
Das sieht aus wie eine Unterwerfung der Milliardäre unter die Politik. Doch in der Regierungszeit von Trump wird sich zeigen, wer am längeren Hebel sitzt. Denn Trump ist vom Wohlwollen der Unternehmer abhängig. Sein Versuch, mit Truth Social eine eigene Plattform aufzubauen, ist weitgehend gescheitert. Musk, Zuckerberg und Chew hingegen kontrollieren die weltweit beliebtesten Social-Media-Plattformen. Allein Meta erreicht 3,6 Milliarden Nutzer monatlich. Die Suchmaschine Google wird von fünf Milliarden Menschen genutzt. Mit den Algorithmen können die Unternehmer beeinflussen, welche Informationen in Suchmaschinen und auf Social Media gezeigt werden – und welche kaum Verbreitung finden. Die Regierung kann einfacher regieren, wenn die Algorithmen in ihrem Sinne laufen.
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Interessenkonvergenz
Außerdem sind die USA nicht nur beim Raumfahrtprogramm längst abhängig von Unternehmen wie SpaceX. Musks Unternehmen kontrolliert mehr als 60 Prozent aller Satelliten. Die USA benötigen das Satelliten-Kommunikationsnetz Starlink bei ausländischen Konflikten und Naturkatastrophen. Als Musk die kostenlose Weiternutzung von Starlink durch die Ukraine verweigerte, gab es eine Krise im Pentagon – das umfangreiche Verträge mit Starlink über Hunderte Millionen US-Dollar abgeschlossen hat.

Foto: picture alliance/via REUTERS/Ricky Carioti
Erste Reihe für die Techgrößen
Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Sundar Pichai (Google) und Elon Musk bei Amtseinführung des neuen und alten US-Präsidenten.
Längst ist Big Tech eine relevante Größe im Wirtschaftswachstum der USA. Zwischen 2017 und 2022 wuchs die Digitalwirtschaft durchschnittlich um 7,1 Prozent pro Jahr, während die Gesamtwirtschaft lediglich um 2,2 Prozent zulegte. Mit einem Anteil von rund zehn Prozent am Bruttoinlandsprodukt der USA ist die Branche die zweitgrößte, deutlich vor Einzelhandel und verarbeitender Industrie. Die Marktkapitalisierung der Techaktien machte im Herbst 2024 rund zwei Drittel des US-BIP aus. Geht es der Techbranche schlecht, leiden die USA.
Darum gab es auch unter anderen US-Regierungen eine große Interessenkonvergenz mit der Techbranche. Die Trump-Regierung dürfte jedoch viel weiter gehen als bisherige US-Administrationen. Welche der zahlreichen Ankündigungen letztlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Doch weitere Entlastungen von Milliardären und eine systematische Verlagerung bislang staatlicher Aufgaben an private Unternehmen gehören zu den Grundüberzeugungen der neuen Regierung.
Umverteilung
Trump will nicht nur das 2025 auslaufende Steuergesetz seiner ersten Amtszeit beibehalten, das einen reduzierten Spitzensteuersatz vorsieht, sondern auch die Körperschaftsteuer von 21 auf 18 oder sogar 15 Prozent und die Kapitalertragsteuer von 20 auf 15 Prozent senken. 21 Prozent der Steuererleichterungen würden allein dem reichsten einen Prozent der US-Bevölkerung zugutekommen.
Auch der Rückbau von Regulierungen hilft dabei, profitabler zu werden. Einen Schlüssel dazu hat Elon Musk ausgehändigt bekommen. Als Chef der Regierungsstelle DOGE (Department of Government Efficiency) ist Musk in der Lage, unliebsame Mitarbeiter in Regulierungsbehörden direkt zu entlassen. 47 Umweltschutzverordnungen aus der Biden-Ära, die Teslas Batterieproduktion betrafen, wurden bereits zurückgenommen. Beamte, die mit Ermittlungen gegen die Unternehmen des Milliardärs befasst waren, sind entlassen worden oder zurückgetreten. Elon Musk baut Aufsichtsbehörden nach seinem Gusto um.
Zugleich kann er Einsicht in Regierungsverträge und -zahlungen an staatliche und privatwirtschaftliche Konkurrenten nehmen und mit dem radikalen Abbau staatlicher Arbeitsplätze und Budgets bislang öffentliche Funktionen privatisieren. Dabei war Musk einer der größten Nutznießer von Regierungssubventionen. Mindestens 20 Milliarden US-Dollar aus dem Staatshaushalt sollen seine Firmen wie Tesla und SpaceX in Form von Staatsaufträgen, Steuererleichterungen und anderen Subventionen erhalten haben.
Doch es ist anzunehmen, dass die Broligarchen von den Kürzungen verschont bleiben werden. Das Außenministerium will offenbar für 400 Millionen US-Dollar „gepanzerte Elektrofahrzeuge“ bei Tesla bestellen. Laut „New York Times“ ist die Ausschreibung speziell auf die Spezifikationen des Cybertruck zugeschnitten.
Privatisierung
Musk hat ebenfalls Zugriff auf gigantische, auch sensible Datenmengen der öffentlichen Verwaltung. Daten bedeuten im digitalen Zeitalter Wettbewerbsvorteile, nicht zuletzt für die Schulung von KI-Programmen. Fehlen KI-Modellen bislang viele Daten in sensiblen Bereichen, könnten ausgesuchte Unternehmen diese Lücken künftig vielleicht schließen.
Andere US-Techgrößen könnten ebenfalls profitieren. Kurz nach seiner Amtsübernahme kündigte Trump gemeinsam mit Sam Altman von OpenAI Investitionen in KI-Infrastruktur für die kommenden fünf Jahre in Höhe von 500 Milliarden US-Dollar an. Name des Projekts: Stargate. Welchen Beitrag der US-Staatshaushalt dazu leisten wird, ist noch unklar. Sollten private Investoren die halbe Billion US-Dollar nicht aufbringen, könnte Trump einspringen. Das wäre allerdings ein sehr riskantes Unterfangen, da – wie das chinesische KI-Modell Deepseek gezeigt hat – die Investitionen rasch wertlos werden können. Den Schaden hätten die Steuerzahler.
US-Big Tech dominiert die IT-Infrastruktur von Europas Unternehmen.
Das von Peter Thiel, Mentor und Sponsor von Vizepräsident JD Vance, mitgegründete Techunternehmen Palantir geht davon aus, von Lockerungen im Datenschutz und dem verschärften Zollregime der Trump-Regierung zu profitieren. Palantir bietet KI-gestützte Softwaresysteme zur Terrorabwehr oder gegen Finanzbetrug an, aber auch Analysedienste für Lieferketten und Logistik. Bislang sind vor allem öffentliche Stellen Kunden von Palantir, aber auch internationale Konzerne nutzen die Leistungen.
Turbowachstum
So groß die finanzielle und die technologische Macht der Broligarchen bereits vorher waren, unter der Trump-Regierung wird der Turbo gezündet. In der Folge dürften die ohnehin schon reichsten Unternehmen der Welt finanziell noch potenter werden. Dabei reicht Musks Vermögen an die Größe der norwegischen Volkswirtschaft heran, Bezos’ ist bald doppelt so hoch wie das BIP von Ungarn. Ihre Unternehmen können mehr als ganze Länder in Forschung und Entwicklung investieren. Sie können sich den Zugang zu den größten Rechenkapazitäten verschaffen. Sie können noch einfacher auch große Wettbewerber übernehmen. Und sie können sich den Zugriff auf die Energieversorgung sichern, die für den Betrieb der Serverfarmen unverzichtbar ist. All das haben sie in der Vergangenheit bereits getan. Allein Amazon hat Investitionen von mehr als 500 Millionen US-Dollar in die Entwicklung von „Small Modular Reactors“ und anderen Formen zur Nutzung der Kernenergie angekündigt.
Ob sich das Investment am Ende lohnen wird, ist unsicher. Doch Amazon & Co. können Fehlinvestitionen eher verschmerzen, weil die Taschen tiefer sind. Mehr finanzielle Mittel bedeuten mehr Chancen, mehr talentierte Mitarbeiter, mehr Rechenpower. Der virtuelle „Zaun“, der den Wettbewerb auf Abstand hält, wächst.
Transatlantische Rivalität
All das betrifft zuerst einmal die USA selbst – und könnte anderen Ländern egal sein. Doch die US-Regierung geht so weit, Gegenmaßnahmen anzudrohen, sollten andere Staaten den Techriesen Einhalt gebieten wollen. Außerdem behält sich die US-Regierung vor, Daten selbst von ausländischen Unternehmen per Dekret einzufordern. Auch das ist kein Novum der Trump-Administration, sondern seit Jahren Rechtslage. Europäische Unternehmen versuchen, sich mit innereuropäischen Cloud-Lösungen dagegen abzusichern. Doch umsatzstärkster Cloud-Anbieter in Europa ist Amazon, gefolgt von Microsoft, Google, Oracle, Salesforce und IBM. US-Unternehmen dominieren mit 70 Prozent den europäischen Cloud-Markt.
In anderen Bereichen ist die Lage nicht viel anders. Der Online-Bezahldienst PayPal, gegründet unter anderem von Peter Thiel, ist die meistgenutzte Zahlungsmethode im deutschen Onlinehandel. Allein auf die großen vier, Alphabet, Amazon, Meta und Apple, entfällt mehr als die Hälfte des deutschen Internetdatenverkehrs.
Bislang haben – trotz des NSA-Skandals, den Edward Snowden schon vor mehr als zehn Jahren publik gemacht hatte – viele Unternehmen die Übergriffe der USA stillschweigend geduldet. Zu attraktiv ist das Angebot der US-Konzerne, und der transatlantische Bündnispartner, meinte man, würde schon nicht über die Stränge schlagen. Doch seitdem Trump diesen Konsens aufgekündigt hat, scheint sich der „neugierige Vertraute“ in einen mächtigen Gegenspieler zu verwandeln.
Schwache Gegenwehr
Die demokratische EU tut sich schwer mit Maßnahmen gegen die US-Tech-Übermacht. Und das liegt nicht allein am 100-Millionen-US-Dollar-Lobbybudget von Big Tech. Europa fehlen große eigene Digitalunternehmen, der Kontinent hinkt in der technologischen Entwicklung hinterher und ist von den US-Techkonzernen abhängig. Diese nutzen das bereits aus: Sperrt sich Europa bei Datenschutz oder Monopolverfahren, müssen Unternehmen und Privatleute in Europa beispielsweise deutlich länger auf den Roll-out von KI-Leistungen von OpenAI oder Apple warten als im Rest der Welt. Das schmerzt, denn 75 Prozent der globalen KI-Patente liegen in den USA. Faktisch wird beispielsweise der Digital Markets Act, der Apple, Google und andere Plattformen verpflichtet, sich Drittanbieter-Apps gleichberechtigt zu öffnen, durch komplexe Gebührenstrukturen oder eine minimale Anpassung der Suchalgorithmen ausgehebelt.

Foto: picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Rebecca Blackwell
Ein Helfer der ersten Stunde
Peter Thiel, Mitgründer von PayPal, Palantir und anderen Techunternehmen, ist Mäzen von Vizepräsident JD Vance und langjähriger Trump-Unterstützer.
Einen europäischen Digital-Champion aufzubauen ist seit SAP nicht mehr gelungen. Zwar sorgt Mistral vereinzelt für KI-Schlagzeilen, doch die Vormacht von OpenAI oder Google gefährdet das französische Unternehmen nicht. Dabei gibt es durchaus Cluster und einzelne Unternehmen, die das Potenzial zu einem europäischen Gegengewicht hätten. Europa versucht, mit dem Projekt „8a“ die digitale Souveränität im Cloud-Computing wiederherzustellen. Eine Super-Cloud soll unterschiedliche Cloud-Anbieter auf Basis offener Standards vereinen. Bis 2030 sollen 10 000 „Edge-Cloud-Knoten“ entstehen, perspektivisch könnten es europaweit 100 000 Rechenzentren werden. Die Daten europäischer Unternehmen wären damit vor dem Zugriff der US-Regierung und der US-Unternehmen geschützt.
Ungleiches Rennen
Auch wenn Europa es in den kommenden Jahren schaffen sollte – die US-Unternehmen dürften dank ihrer breiten Machtposition den bestehenden Vorsprung weiter ausbauen, selbst in einer von Disruptionen geprägten Welt. Mit Geld, Daten und politischem Einfluss haben sie die Möglichkeiten, ihre Vorrangstellung zu festigen. Für deutsche Unternehmen heißt das: Noch bestehen in der Nische Chancen, unterhalb des Radars von Big Tech zu gedeihen. In der Kombination von Automatisierung und KI, Maschinenbau und smarter Robotik, Big Data und Pharma liegen weiterhin attraktive Marktchancen. Doch sie müssen auch wissen: Wie ein „KI-Wrapper“ – also eine KI-Firma, die das KI-Modell gut verpackt und einfach zugänglich macht – könnten sie schon morgen ihr Geschäftsmodell verlieren.
Noch sind die Techunternehmen damit beschäftigt, ihre KI-Modelle weiterzuentwickeln, ihre Rechnerkapazitäten aufzubauen und diese digitale Intelligenz möglichst breit zu verkaufen. Schon jetzt haben sie aber auch damit begonnen, die Modelle in der Arzneimittelforschung, zur Robotersteuerung, zur Softwareentwicklung einzusetzen. Ein nächster Schritt könnte die Übernahme von Pharma-, von Robotik- oder von Spezialsoftwareanbietern sein, um deren Markt-Know-how und Netzwerk zu nutzen. Es muss nicht so kommen. Apple hat auch kein eigenes Auto gebaut, Musks Ideen von einem alternativen Transportsystem kommen nicht voran. Aber ob das so bleibt, wenn die Broligarchen noch viel mächtiger werden? Willkommen in einer Welt, in der Digitaltechnologie fast alle Branchen beeinflusst oder schon beherrscht – regiert von ganz wenigen.
PS: Aber wer weiß? Vielleicht implodiert das System Trump auch bald, überwirft er sich mit den Techunternehmern, disrumpieren chinesische Tech-Start-ups die bestehenden Geschäftsmodelle der US-Größen. Vielleicht nutzen europäische Unternehmen die Infrastruktur von Amazon, Apple & Co. noch klüger als bislang, vielleicht gibt es eine Annäherung der Europäer an andere Machtzentren zu neuen Konstellationen. Klar ist nur eins: Die Welt ist im Umbruch, die Karten werden ganz neu gemischt. Und das birgt neben Risiken immer auch Chancen für mutige Unternehmer.
06/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.