
Totgesagte leben länger: Dokumentengeschäft zur Exportabsicherung
Internationaler Handel verändert sich – neue Handelsrouten, neue Absatzmärkte, unbekannte Partner, ungekannte Unsicherheiten. Exportabsicherung über Dokumentengeschäfte wie Akkreditive schafft Sicherheit.

Internationaler Handel schafft und sicher Wohlstand. Export aber ist nicht immun gegen Fehler, Ausfälle oder Betrug. Wer fertige Ware auf ein Schiff laden lässt, sollte sich absichern. Foto: picture alliance / Sipa USA
Handel ist beinahe so alt wie die Menschheit selbst. Wir haben getauscht und gefeilscht. Wir haben Münzen geprägt und Scheine gedruckt, Waren verkauft und gekauft – im Interesse beider Handelspartner, zum Vorteil beider Seiten. Internationaler Handel versorgt diejenigen mit Rohstoffen, die daraus ein nutzbares Produkt herstellen und diejenigen mit fertigen Erzeugnissen, die selbst nicht die Möglichkeiten haben, diese zu produzieren. Handel bringt Wohlstand. Und sogar wenn einer alles besser kann als der andere lohnt sich der Handel, wie uns David Ricardo mit Verweis auf die komparativen Kostenvorteile gezeigt hat.
Handel aber, gerade über Ländergrenzen hinweg, ist nicht immun gegen Fehler, Ausfälle oder Betrug. Wer fertige Ware auf ein Schiff laden lässt, muss entweder darauf vertrauen, dass der Partner nach Erhalt bezahlt – oder er sichert sich ab. Seit Jahrhunderten ist ein gängiger Weg zur Exportabsicherung das Dokumentengeschäft.
Dokumentengeschäft kurz erklärt
Das Übergeben und Prüfen von Dokumenten dient als Sicherheit für Zahlung und Lieferung: Der Exporteur übergibt beispielsweise Transport- oder Warenpapiere an seine Bank.
Erst wenn der Importeur das Vereinbarte erfüllt, erhält er die Dokumente – und die Ware. Damit wird sichergestellt, dass der Exporteur bezahlt wird und der Importeur nur gegen ordnungsgemäße Unterlagen Zugriff auf die Ware erhält.
„Exportabsicherung über Akkreditive oder Garantien ist einer unserer ältesten Dienstleistungen“, erklärt Boris Ivanov-Blankenburg. Er leitet bei der Deutschen Bank das Dokumentengeschäft und weiß, dass seine Services auch heute keineswegs verstaubt sind: „Die Welt verändert sich rasant wie nie – Exportabsicherung im Dokumentengeschäft ist hochaktuell.“ Grund dafür ist die Verlagerung von Handelsrouten. Über Jahrzehnte haben die Länder Europas vor allem untereinander sowie mit den USA gehandelt. Allein im ersten Quartal 2025 hat Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt Waren im Wert von 41,2 Milliarden EUR in die USA exportiert.
„Die Welt verändert sich rasant wie nie – Exportabsicherung im Dokumentengeschäft ist hochaktuell“
Boris Ivanov-Blankenburg, Deutsche Bank
Doch neue Handelsrouten gewinnen an Bedeutung. Donald Trumps Zoll- und „America First“-Politik fordern Exportnationen wie Deutschland und beschleunigen ein Umdenken und -lenken. Das Erschließen neuer Handelskorridore stand aber auch schon lange vor der Wiederwahl des Republikaners auf der Agenda deutscher Unternehmen. Lieferengpässe während der Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Sanktionen gegen Russland und andere geopolitische Unsicherheiten haben gezeigt, wie wichtig das Diversifizieren der Handelsrouten ist – neue Korridore bieten Ausweichmöglichkeiten und schaffen Resilienz. Dazu kommt die Attraktivität der Absatzmärkte in Asien. Indien und China sind zwei der größten und am schnellsten wachsenden Märkte der Welt und bieten riesige Absatzmöglichkeiten. Fast ebenso interessant ist der Handel mit Afrika und Lateinamerika – beide Kontinente bieten großen Rohstoffreichtum und vielfältige Absatzmärkte.
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Handel innerhalb Europas und in die USA ist zum großen Teil standardisiert, Absicherung über Dokumentengeschäfte sind nur noch selten gefragt. Man vertraut sich. Anders bei den neuen Handelskorridoren. „Es arbeiten Firmen zusammen, die sich fremd sind, in der Konsequenz steigt der Bedarf nach Sicherheit“, erläutert Ivanov-Blankenburg. Wer den Partner nicht kennt oder sich in neue volatile Märkte vortastet, in denen die Risiken hoch sind und manchmal sogar Devisenrestriktionen gelten, möchte sich absichern.
„Als Unternehmer habe ich die Gewissheit, dass ich mein Geld bekomme, wenn ich alle Bedingungen erfülle“
Christiane Roth, Deutsche Bank
Die am häufigsten genutzte Lösung sind Akkreditive: Die Bank des Importeurs verpflichtet sich, gegen die Vorlage ordnungsgemäßer Dokumente wie der Handelsrechnung oder Transportpapieren die Zahlung zu leisten. Zudem lassen sich Länderrisiken absichern durch ein zusätzliches Zahlungsversprechen der Bank des Exporteurs. Das Akkreditiv funktioniert so als Sicherungs- und Zahlungsinstrument. „Als Unternehmer habe ich die Gewissheit, dass ich mein Geld bekomme, wenn ich alle Bedingungen erfülle “, berichtet Christiane Roth, die bei der Deutschen Bank das Dokumentengeschäft DACH & Westeuropa leitet. „Stimmen die Dokumente mit den Akkreditivbedingungen überein, ist die Bank verpflichtet zu zahlen“, erläutert Roth. Das ist ein Vorteil gegenüber einer Warenkreditversicherung, bei der ein Zahlungsausfall erst einmal geltend gemacht werden muss. Zudem, betont Roth, kann das Akkreditiv als Finanzierungsinstrument eingesetzt werden, um den Spielraum der Partner zu erweitern: „Zahlungsziele können vereinbart werden, die Bank kann ein Zahlungsversprechen vorfristig erfüllen, diskontieren, dagegen einen Kredit geben…“ Darüber hinaus gibt es im Akkreditiv-Geschäft viele Programme von internationalen Entwicklungsbanken wie der International Finance Cooperation (IFC), die unterstützen bei längeren Laufzeiten und Absatzmärkten mit höheren Risiken, ergänzt Ivanov-Blankenburg.
Das Dokumentengeschäft mag ein altes Instrument sein – aus der Zeit gefallen ist es nicht. Doch natürlich muss sich auch die Exportabsicherung für die Digitalisierung öffnen, muss das Dokumentengeschäft im 21. Jahrhundert ankommen. Die Banken arbeiten dazu mit jungen Unternehmen zusammen und adaptieren deren Lösungen für ihren Arbeitsprozess. „Das Instrument des Akkreditivs ist seit Jahrzehnten standardisiert. Das Wort ‚Dokumentengeschäft‘ sagt es bereits“, erklärt Ivanov-Blankenburg. „Wir sichten und vergleichen Dokumente, das ist die Grundlage der Zahlung.“ Diese Verfahren, so der Experte, werden jetzt automatisiert, Schnittstellen zu Fintechs genutzt.
Kurzzeitig schien das Dokumentengeschäft sogar Vorreiter zu werden – Trade-Finance-Blockchains wurden als effiziente, sichere und transparentere Variante des Akkreditivs gehandelt. „Die Blockchain bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, Transparenz und Nachverfolgbarkeit zu erhöhen, Betrugsrisiken zu reduzieren und Transaktionen insgesamt zu beschleunigen“, berichtet Roth. „Auch eine automatische Vertragsausführung durch Nutzung von Smart Contracts mittels Blockchain wäre möglich, wenn definierte Bedingungen erfüllt sind.“ Allein – die Blockchain hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt. Roth vermutet, dass sowohl die komplexe Technologie als auch die Kosten ausschlaggebend sind, außerdem der fehlende globale Standard für Blockchain-Plattformen und die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen der Länder zur Anerkennung digitaler Dokumente und Signaturen.
Bis zu einem digitalen Standard für das Dokumentengeschäft mag noch ein Weg zu gehen sein – in unserer volatilen Wirtschaftswelt allerdings beweisen Akkreditiv und Co. heute einmal mehr ihren Wert. Die Sicherungsinstrumente ermöglichen es Unternehmen, in schwierigen Märkten aktiv zu werden, sind standardisiert in den Richtlinien der Internationalen Handelskammer und schaffen so im Handel unter 175 Ländern Klarheit. In Sachen Exportabsicherung gilt also auch nach Jahrhunderten: Totgesagte leben länger.
10/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.