Von Stefan Hoops

Europas Wirtschaft in den 2020ern – „Dabei sein ist alles“ oder „Antreten, um zu gewinnen“?

Dieser Beitrag erschien erstmalig am 01. Januar 2021 im Sammelband „Faktenbasierter Zukunftsdialog“, herausgegeben von Stefan Bornheim und Frederik Sonner, veröffentlicht im Investors Publishing Wirtschaftsbuchverlag Eschborn.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben technologische, geopolitische und gesellschaftliche Faktoren, ergänzt um exogene Schocks und Krisen wie zuletzt die Corona-Pandemie, den Strukturwandel in der Wirtschaft kräftig beschleunigt. Für die meisten Unternehmen über fast alle Branchen hinweg stellen Tempo und Ausmaß der damit verbundenen Anpassungen eine gewaltige Herausforderung dar.

Gleichzeitig entwickelt sich die anstehende Transformation zu einem globalen Wettlauf, in dem sich Marktanteile verschieben und Marktstrukturen neu gestaltet werden. Zweifelsohne sollten auf freien Märkten die bessere Idee und die erfolgreiche Ausrichtung des Geschäftsmodells den Wettbewerb entscheiden. Dies gilt allerdings nur, wenn die Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer möglichst gleich sind.

Ist dies aktuell der Fall oder werden europäische Unternehmen mittlerweile mit einer Reihe von Standortnachteilen konfrontiert? Sollte Europa Chancengerechtigkeit für europäische Unternehmen sicherstellen, und wenn ja, wie? Und welchen Beitrag können europäische Finanzinstitute leisten? Welche strategischen Optionen gibt es, um die Souveränität Europas in wichtigen Bereichen wie Daten oder Zahlungsverkehr zu gewährleisten? Wie sollte sich Europa in einer von den USA und China dominierten bipolaren Welt positionieren? Um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu gewährleisten, müssen diese Fragestellungen zügig beantwortet und ein entschlossener Spielplan für die nächsten Jahre festgelegt werden. Die jeweilige Strategie und taktische Vorgehensweise der anderen großen Wirtschaftsräume sollten dabei berücksichtigt werden.

Ein ungleiches Pokerspiel 

Stellen Sie sich ein Pokerspiel zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, China und Europa vor.

Die USA sind ganz klar der sogenannte Chip-Leader, sie haben die meisten Chips vor sich auf dem Tisch liegen und entsprechend selbstbewusst spielen sie auch. Sie beobachten Mimik und Verhalten der beiden anderen Spieler, nutzen alle Tricks, bluffen und gehen gerne mal „all-in“, um eine Entscheidung zu erzwingen. Sie tun alles, um ihre Position als Chip-Leader zu behalten.

China dagegen verhält sich wie der erfolgreiche Selfmade-Millionär, der sich freut, mal wieder mit seinen Freunden aus früheren Uni-Zeiten eine Partie zu spielen. China lächelt seine Mitspieler an, mal geht es mit und mal steigt es aus, und eine klare Strategie ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Vor allem aber bleibt China stets entspannt, denn es weiß: Ich habe die tiefsten Taschen, ich habe das meiste Geld – irgendwann im Laufe des Abends werde ich schon gewinnen.

Europa ist theoretisch am besten für die Runde vorbereitet. Europa kennt jedes Buch übers Pokern, hat die Mathematik hinter dem Spiel verinnerlicht. Es weiß genau, wer warum wie viel bietet, und wie – exakt wahrscheinlichkeitsgewichtet – der nächste Schritt ausfallen wird. Allerdings blufft Europa grundsätzlich nie. Mehr noch: Europa glaubt, dass auch keiner der anderen Spieler jemals blufft. Europa spielt jederzeit rational und regelbasiert, trickst nie und geht davon aus, dass die beiden anderen Spieler sich genauso verhalten.

Sie ahnen wahrscheinlich, wie der Pokerabend endet. Europa verlässt als Verlierer den Tisch. Zuhause angekommen gesteht Europa seinem Partner, dass es nicht gewonnen, sich aber immer an seine mathematisch fundierte Spielstrategie gehalten und deshalb eigentlich am besten gespielt habe. Die anderen hätten getrickst oder schlicht Glück gehabt – und wer möchte auf diese Weise überhaupt gewinnen?

„China hat sich in einer gewaltigen Aufholjagd zur zweiten globalen Supermacht aufgeschwungen – mit einem gigantischen Heimatmarkt von 1,4 Milliarden Menschen und einer politischen Führung, die geduldig, aber konsequent und taktisch geschickt die Größenvorteile ausspielt.“

Ähnlichkeiten zwischen dem Verlauf des Pokerspiels und den Entwicklungen in der realen Welt zu Beginn der 2020er Jahre sind nicht zufällig, sie drängen sich geradezu auf. Die Vereinigten Staaten dominieren mit ihrer ökonomischen, technologischen und auch militärischen Stärke sowie dem Dollar als mit Abstand wichtigster Weltreservewährung die globale Politik und die Weltwirtschaft wie der Chip-Leader das Pokern. China hat sich in einer gewaltigen Aufholjagd zur zweiten globalen Supermacht aufgeschwungen – mit einem gigantischen Heimatmarkt von 1,4 Milliarden Menschen und einer politischen Führung, die geduldig, aber konsequent und taktisch geschickt die Größenvorteile ausspielt. Dabei verhält sich China mal kooperativ, mal abwartend, mal drohend. Mitunter geht die Führung auch „all-in“, etwa im Fall Hongkong, wo keinerlei Kompromisse gemacht werden.

Europa mag sich in weiten Teilen zwar auch konsequent verhalten, das vor allem aber bei der Einhaltung von Regeln, Werten und Absprachen. Selbst wenn andere diese Regeln nicht einhalten, ändert Europa sein Verhalten nicht oder nur kaum, bisher jedenfalls. Diese Haltung mag zum Teil auf den heterogenen Charakter Europas oder auch auf fehlende Geschlossenheit innerhalb des Kreises der 27 Länder der Europäischen Union zurückzuführen sein.

Allerdings wird den Europäern mehr und mehr bewusst, dass ihre Strategie und das bisherige Tempo ihrer Umsetzung kaum zukunftstauglich sind. Gleich mehrere globale Trends haben einen beträchtlichen Einfluss auf die Wirtschaft, so dass bisherige Strukturen durcheinandergewirbelt, traditionelle Verhaltensweisen hinterfragt und die Weichen für die nächsten Dekaden neu gestellt werden.

Triebkräfte des Wandels

Während manche Einflussfaktoren nur für einzelne Länder gelten, gibt es mehrere globale Trends, die für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen von großer Relevanz sind und deshalb eine tiefgreifende Transformation in vielen Industrien erforderlich machen. Diese Treiber sind neben einem dauerhaft niedrigen Zinsumfeld eine veränderte Konsumentennachfrage, die „Glokalisierung“, der Einfluss von Digitalisierung auf Geschäftsmodelle sowie die Einbeziehung von ESG-Kriterien in die Kapitalallokation.

Ob die Corona-Pandemie nachhaltige Veränderungen im Konsumentenverhalten ausgelöst oder lediglich beschleunigt hat, kann leidenschaftlich diskutiert werden. Kombiniert mit gesellschaftlichen Trends wie dem Kampf gegen den Klimawandel, der sowohl Einfluss auf die Nachfrage nach Gütern als auch auf die Produktionsweise hat, sind die Implikationen für die Entwicklungspfade der verschiedenen Industrien enorm.

Umfassende Transformationsprogramme sind die Folge. Branchen, die vor kurzem noch groß waren und erfolgreich operierten, wie zum Beispiel die Luftfahrtindustrie, kämpfen um ihr Überleben. Sämtliche Automobilhersteller und deren Zulieferer reduzieren die Fokussierung auf den Verbrennungsmotor und setzen – nach entsprechenden politischen Vorgaben und veränderter Konsumentennachfrage – vermehrt auf den Elektroantrieb. Die Automobilbranche ist wahrscheinlich das offensichtlichste Beispiel für eine Industrie, die sich neu aufstellen muss. Sie ist aber bei weitem nicht die einzige, die einen neuen Entwicklungspfad gehen muss, wenn sie auch in Zukunft wettbewerbsfähig und wirtschaftlich erfolgreich operieren will. Eine Bestandsgarantie für Traditionsindustrien und -branchen gibt es in diesem neuen Umfeld längst nicht mehr. Schmerzhafte Anpassungsprozesse sind zum Teil unausweichlich.

Ein weiterer Trend, der vor allem eine solch exportorientierte Wirtschaft wie die Deutschlands massiv betrifft, ist die sogenannte „Glokalisierung“, semantisch eine Kombination aus Globalisierung und Lokalisierung. In den vergangenen Dekaden konnten die Unternehmen davon ausgehen, dass sich die Weltwirtschaft bei ständig zunehmender Globalisierung einigermaßen im Gleichschritt entwickeln würde. Einzelne Weltregionen wuchsen vielleicht schneller, andere etwas langsamer, aber die Abweichung von der Dynamik der Weltwirtschaft war eher gering.

Nach einer Phase der Deglobalisierung hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie zu einer schnellen Renaissance des Lokalen und Regionalen geführt. Auslöser war dabei, dass die Lockdowns die internationalen Wertschöpfungs- und Zulieferketten empfindlich gestört haben, ohne dass es schnell umsetzbare Alternativen gegeben hätte. Die sehr unterschiedlichen Wachstums- und Erholungsdynamiken in einzelnen Ländern verstärken den lokalen Aspekt der Glokalisierung. Für weltweit operierende Unternehmen ist es deshalb immer wichtiger, zu verstehen, welche lokalen Gegebenheiten, Nachfrageimpulse, aber auch Regeln sie befolgen müssen, um international erfolgreich sein zu können.

Der vierte global relevante Trend ist die zunehmende Digitalisierung. In vielen Fällen bedeutet sie sehr viel mehr als nur einen zusätzlichen Absatzkanal für Produkte und Dienstleistungen. Zusätzlich zur Optimierung und Beschleunigung bestehender Prozesse werden ganz neue Geschäftsmodelle oder Arten des Wirtschaftens kreiert.

Eine wesentliche Entwicklung, die durch die Digitalisierung ermöglicht wird, sind servicebasierte Geschäftsmodelle, sogenannte „Asset-as-a-Service“ (AaaS)-Angebote. Ausgangspunkt für AaaS war das Verhalten von immer mehr Verbrauchern, für die es an Bedeutung verliert, ein Auto, ein Ferienhaus oder ein anderes Produkt zu besitzen. Sie präferieren es, dieses nur dann zu nutzen (und entsprechend dafür zu bezahlen), wenn sie es benötigen. Dieses Kalkül verbreitet sich aufgrund seiner offensichtlichen Vorteile inzwischen auch in der Industrie. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel Drucker in den Büros oder Gabelstapler in den Lagern nicht mehr kaufen muss, sondern für die Nutzung der Güter bezahlt, wandelt es fixe Investitionsausgaben in variable Aufwendungen für den operativen Geschäftsbetrieb um. Für die Anbieter dieser AaaS- Modelle ergeben sich eine Vielzahl von Implikationen, zum Beispiel bezüglich Datenmanagement, Finanzierungsstrukturen sowie logistischer und zahlungstechnischer Abwicklung.

China hat sich unter der Führung von Präsident Xi Jinping zur zweiten globalen Supermacht entwickelt

Ein letzter übergeordneter Trend, der für die Wirtschaft immer relevanter wird, ist die Nachhaltigkeit. Diese wird oft mit dem Kürzel „ESG“ beschrieben, also nachhaltiges Wirtschaften entlang der Kriterien Environment (Umweltschutz), Social (gesellschaftspolitisch verantwortungsvolles Wirtschaften) und Governance (nachhaltige und transparente Unternehmensführung und -überwachung). Der Umgang mit diesen Kriterien entscheidet immer stärker darüber, welchen Zugang Unternehmen zu Eigen- und Fremdkapital bekommen und zu welchen Konditionen. Bei den meisten großen internationalen Kapitalsammelstellen gehört es inzwischen zum Standard, vor Investitionsentscheidungen das ESG-Verhalten eines Unternehmens zu analysieren und zu bewerten. Nach Einschätzung von Deutsche Bank Research werden im Jahr 2030 rund 95 Prozent aller weltweit verwalteten Anlagegelder unter Zuhilfenahme von ESG-Kriterien investiert werden. Die Unternehmen müssen deshalb eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und ein aktives Stakeholder-Management aufbauen, wenn sie Kapitalflüsse zu sich lenken wollen.

Europäische Wettbewerbsfähigkeit sichern

Offensichtlich sollte der freie Markt über Erfolg und Misserfolg im Wettbewerb entscheiden. Damit die besseren Ideen und das bessere Management den Wettbewerb gewinnen, muss globale Chancengerechtigkeit sichergestellt werden. Aber sind die Rahmenbedingungen tatsächlich fair oder zum Nachteil der europäischen Unternehmen ausgestaltet? Auf welche Weise können europäische Banken dazu beitragen, Wettbewerbsnachteile auszugleichen?

Banken sind durch diese globalen Trends auf verschiedenste Weise gefordert – einerseits müssen sie sich auf diese Entwicklungen einstellen, andererseits verschärft sich das regulatorische Umfeld immer weiter. Sie müssen sich somit selbst entsprechend anpassen. Noch wichtiger ist aber, dass sie Finanzdienstleistungen für die neue Wirtschaftswelt kreieren und es gleichzeitig Unternehmen ermöglichen, umfassende Transformations- und Restrukturierungsprogramme zu finanzieren.

Die Rahmenbedingungen für Finanzierungen unterscheiden sich hierzulande beträchtlich von denen in den USA oder in China. So verfügen die Vereinigten Staaten über den Vorteil eines sehr viel breiteren und tieferen Kapitalmarkts, über den Unternehmen vergleichsweise leicht Venture- oder Mezzanin-Kapital und damit auch Finanzierungen für strukturverändernde Vorhaben erhalten können. In China übernimmt der Staat ausgesprochen extensiv diese Aufgabe und stellt den Unternehmen auf vielfältige Art und Weise entsprechende Mittel bereit. Was dort effektiv funktionieren mag, kann aus ordnungspolitischer Sicht aufgrund der negativen Erfahrung starker staatlicher Intervention kein gangbarer Weg für Europa sein.

Gleichwohl offenbaren Deutschland und Europa bei der Finanzierung substanzieller Transformationen etliche Schwachstellen. Zwar haben staatliche Institutionen in der Corona-Krise rasch und reichlich Kapital bereitgestellt. Dabei handelt es sich allerdings vor allem um vorrangig besicherte Bankkredite, mit vielfach konservativen Vorgaben zur Mittelverwendung und -rückzahlung. Dadurch werden zwar Liquiditätsprobleme gelöst, allerdings primär der Status quo erhalten. Echtes Wagniskapital, mit dem in großem Umfang in Forschung und Entwicklung oder die strategische Neuaufstellung eines Unternehmens investiert werden könnte, ist zusätzlich notwendig.

Europa braucht eine vollintegrierte Kapital- und Bankenunion 

Zu den vordringlichen Aufgaben europäischer Finanzinstitute gehört es deshalb, ein sehr viel breiteres und innovativeres Instrumentarium an Fremd- und Eigenkapitaloptionen zu entwickeln und den Unternehmen bereitzustellen. Um die Schlagkraft der europäischen Finanzakteure spürbar zu verstärken, braucht es eine vollintegrierte Kapital- und Bankenunion in Europa. Die finale Etablierung einer solchen Union wird aber aufgrund der Vielzahl der Themen noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Bis dahin kann ein Schulterschluss aus privatem und staatlichem Kapital dringend erforderliche Akzente setzen und das Angebot an Fremd- und Eigenkapitaloptionen verbessern. Ein Ansatz ist hier eine Zusammenarbeit über Förderprogramme, die gezielt Transformationsinvestitionen ermöglichen, dabei aber gleichzeitig so weit wie möglich die Marktmechanismen nutzen.

Zusätzliche Anforderungen und Möglichkeiten für Banken ergeben sich auch aus dem Phänomen der Glokalisierung. In diesem veränderten Umfeld können multinational tätige Unternehmen nur dann Skaleneffekte ausschöpfen, wenn sie auch lokale Rahmenbedingungen erfüllen. Dabei müssen sie eine Vielzahl von regionalen Besonderheiten erfüllen, die häufig auch Finanzierungsaspekte betreffen – insbesondere Lieferketten- und Handelsfinanzierungen. Banken fällt die Aufgabe zu, den Unternehmen als globale Hausbank zu dienen, indem durch die Präsenz in vielen Ländern lokales Wissen mit globalem Verständnis für die Bedarfe der Kunden kombiniert wird.

Die zunehmende Digitalisierung schafft völlig neue Möglichkeiten, Geschäfte zu machen

Zahlungsinfrastruktur als Erfolgsfaktor

Eine besondere Herausforderung für die europäische Wirtschaft stellt das Thema Zahlungsinfrastruktur dar. Zur Vereinfachung wird Zahlungsinfrastruktur an dieser Stelle umfassend verstanden und schließt sowohl technische Infrastruktur als auch die „Bereitstellung“ einer Währung, um Zahlungsströme überhaupt zu ermöglichen, mit ein. Während Ersteres in unserer Wahrnehmung vor allem von privaten Unternehmen angeboten wird, erlauben Zahlungsströme in der eigenen Währung die Einflussnahme durch den Staat. Da ein Großteil der internationalen Handelsfinanzierungen, der Rohstoffhandel und ein hoher Anteil an Kapitalmarktemissionen in US-Dollar denominiert sind, fallen diese Zahlungen in das Hoheitsgebiet der amerikanischen Aufsichtsbehörden. Die USA können sich also aussuchen, wer ihre Währung nutzt, und haben diese Eingriffsmöglichkeiten in den vergangenen Jahren vermehrt ausgeübt.

Der Bereich der technischen Infrastruktur, an dieser Stelle vereinfacht als Angebot an Zahlungsoptionen definiert, wird von amerikanischen Unternehmen dominiert. In den meisten Fällen, in denen europäische Konsumenten digitale Zahlungen vornehmen, bedienen sie sich dabei amerikanisch kontrollierter Zahlungssysteme, sei es eine der gängigen Kreditkarten oder in den vergangenen Jahren vermehrt PayPal und Apple Pay. China hat eine solche US-Dominanz nicht akzeptiert und längst eigene Zahlungsoptionen etabliert, etwa „WeChat Pay“ oder „Alipay“. Europa dagegen verfügt bis auf einzelne nationale Angebote wie die deutsche Girocard über kein eigenes, zumindest europaweit einsetzbares Zahlungssystem für Privatpersonen.

Theoretisch mag das funktionieren, zumindest in einer Welt, in der sich alle an die Spielregeln halten und Fair Play das höchste Gebot ist. In Wirklichkeit allerdings hat sich diese Form der Arbeitsteilung längst als gewichtiger Nachteil herausgestellt. Europa wird im Poker anfälliger für Bluffs und „all-ins“. Denn wer die Zahlungsinfrastruktur kontrolliert, hat faktisch auch die alleinige Deutungshoheit über kritische Themen wie zum Beispiel Geldwäsche. Besser wäre ein enger internationaler Austausch, um ein einheitliches Verständnis und koordiniertes Vorgehen gemeinschaftlich verbindlich festzulegen.

Offensichtlich wurde diese Schwäche Europas bei den US-Sanktionen gegen den Iran. Die EU-Kommission hat die Unternehmen zwar zu Geschäften mit dem Land regelrecht ermuntert, die Amerikaner allerdings haben dies untersagt und mit Sanktionen für alle gedroht, die Geschäfte mit dem Iran machen. Das Ergebnis war deutlich: Europas Wirtschaft hat sich an die amerikanischen Vorgaben und nicht an die Empfehlungen der EU-Kommission gehalten.

Die Macht, Spielregeln für internationale Zahlungen vorgeben zu können, ist zu einem potenten geopolitischen Instrument geworden. China legt großen Fokus auf eine digitale Zentralbankwährung, um zumindest in der digitalen Welt eine Alternative zum US-Dollar anbieten zu können. Dagegen scheint Europa noch darauf zu vertrauen, dass dies unter Freunden doch eigentlich nicht notwendig sein sollte. Ein Verzicht auf eigene Leitungen, durch die finanzielle Mittel fließen, ist allerdings vergleichbar mit einer Situation, in der unsere heimischen Wasser- und Stromleitungen durch unseren Nachbarn kontrolliert werden. Würden wir es wirklich darauf ankommen lassen, dass uns unser Nachbar bei einem Nachbarschaftsstreit nicht den Strom abdreht? Oder würden wir doch lieber die Hoheit über unsere Leitungen haben wollen?

Wie Europa die Trends nutzen kann  

Um die Souveränität Europas zu gewährleisten, sind im Bereich der Zahlungsinfrastruktur drei Bausteine von zentraler Bedeutung. Der digitale Euro, eine europäische und europaweit nutzbare Alternative zu den amerikanischen Kreditkarten und Online-Zahlungsoptionen sowie die Denominierung von globalen Güterströmen – also Handel und Handelsfinanzierungen – in Euro. Dies wird nur durch eine konzertierte Aktion von Politik, Aufsicht, Geschäftsbanken und Unternehmen möglich sein. So kann der digitale Euro dabei helfen, dass Europa Hoheit und Autonomie über die Nutzung der Währung und der Daten behält. Dabei muss weniger auf das Regelwerk und eher pragmatisch auf den Nutzen für Endverbraucher und Handel treibende Unternehmen geachtet werden. Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, die internationale Rolle des Euros zu stärken und ihn widerstandfähiger zu machen. Deshalb fordert und fördert sie Euro-denominierte Investments und Handelsverträge, Rohstoffderivate und Referenzindizes.

Eine hochentwickelte technische Infrastruktur ist aus einem weiteren Grund geboten. Durch die verstärkte Digitalisierung der Wirtschaft und die Entstehung neuer Geschäftsmodelle wie AaaS entstehen enorme Mengen an Daten. Während die digitale Verknüpfung von Produkten (Stichwort „Internet of Things“) noch in den Kinderschuhen steckt, kann man schon heute erahnen, welche Einsichten die daraus resultierenden Daten bieten werden. Dabei ist eine zentrale Frage noch nicht beantwortet: Wem gehören eigentlich die Daten, die im Internet of Things erzeugt werden und wer kann diese für welche Zwecke nutzen? Europa hat akzeptiert, dass die amerikanischen Big-Tech-Unternehmen nahezu ein Monopol auf das Sammeln und Auswerten von Verbraucherdaten haben. Aber sollte Europa die Daten, die sich aus AaaS- Geschäftsmodellen ergeben, auch kampflos aufgeben? Einige witzeln, dass die USA zwar das „Internet“ haben, Europa allerdings die „Things“. Dies ist doch eigentlich eine Ausgangssituation, auf die sich aufbauen lässt, oder um in der Kartenspielanalogie zu bleiben, ein recht gutes Blatt.

„Durch die verstärkte Digitalisierung der Wirtschaft und die Entstehung neuer Geschäftsmodelle wie AaaS entstehen enorme Mengen an Daten.“

In diesem Zusammenhang müssen Banken die Abwicklung von AaaS-Modellen durch eine Vielzahl von Innovationen ermöglichen. Notwendig sind beispielsweise Daten-Treuhänderschaften einschließlich der Fähigkeit, technisch exakt zu erfassen, ob und wie lange ein entsprechendes Produkt von wem genutzt worden ist. Auch die Durchführung von Zahlungen mit Kleinstbeträgen ist erforderlich. Hinzu kommt der Bedarf an neuen Finanzierungsformen für Anbieter von AaaS.

Nehmen Sie einen großen Hersteller von 3D-Druckern, der diese Maschinen künftig nicht mehr nur verkaufen, sondern auch nutzungsbasiert anbieten möchte. Wem soll die Maschine, die leicht eine halbe Million Euro und mehr kosten kann, dann gehören? Dem Hersteller, dem Endkunden oder womöglich einer Drittpartei? Wie soll die Finanzierung dafür erfolgen? Und schließlich: Wie soll die Nutzung erfasst und abgerechnet werden? Banken müssen Antworten darauf finden, wenn europäische Unternehmen die Chancen von Asset-as-a-Service für sich erschließen wollen.

Ähnlich sind Banken auch beim ESG-Management so etwas wie ein natürlicher Partner der Unternehmen. Schließlich fällt der Zugang zu Eigen- und Fremdkapital desto leichter, je besser die Unternehmen den Kapitalmarkt davon überzeugen können, dass ihre Lieferketten nachhaltig sind, dass sie ESG-konform produzieren, und entsprechende Daten und Informationen transparent aufbereiten. Die Beratung bei grünen Anleihen und Bankkrediten ist dabei ein offensichtlicher Ansatzpunkt für Banken. Zusätzlich muss allerdings ein noch breiteres Spektrum an ESG-konformen Finanzdienstleistungen von Banken kreiert werden, um Unternehmen bei ihrer individuellen ESG-Transformation zu unterstützen. Beispiele hierfür sind Finanzkontrakte mit ESG-abhängigen Konditionen oder Möglichkeiten zur Verifizierung von nachhaltigkeitsrelevanten Daten der Lieferkette. All das erfordert einen intensiven Dialog zwischen Banken und Unternehmen. Nicht nur der Datenaustausch, sondern auch der Beratungsdialog werden sich vertiefen.

Der von diesen globalen Trends ausgelöste Strukturwandel und Anpassungsbedarf ist beträchtlich, keine Frage. Er bietet für europäische Unternehmen und ihre Bankpartner allerdings auch große Chancen. Grundvoraussetzung dafür ist freilich, dass die Europäer – um das Beispiel des Pokerspiels aufzugreifen – ihr Blatt auch konsequent ausspielen. Das sollte damit beginnen, dass wir beim Thema Binnenmarkt endlich „all-in“ gehen: In den 27 EU-Mitgliedsländern leben insgesamt mehr Menschen als in den USA. Doch in etlichen Bereichen gibt es immer noch keinen echten gemeinsamen Markt. Folglich erzielen Unternehmen nicht die Skaleneffekte, die sie erzielen könnten.

Weitere Wachstumspotenziale erschließen 

Die Vollendung des europäischen Binnenmarkts sollte deshalb zügig vorangetrieben werden – mit einer Harmonisierung von Patentgesetzen und Datenstandards, mit der Etablierung einer Kapitalmarkt- und Bankenunion, um nur einige Aspekte zu nennen. Das Resultat wäre nicht nur ein Schub für das Wachstum und die Integration bisher noch in weiten Teilen nationalstaatlicher Volkswirtschaften zu einem echten europäischen Heimatmarkt. Vielmehr würde ein solcher Schritt der EU sicherlich auch helfen, für ihre Mitgliedsländer attraktiv zu bleiben und ihre Wertevorstellungen international zu verteidigen.

Eine starke Position auf dem Heimatmarkt Europa ist nicht zuletzt auch die Basis, um Wachstumspotenziale in anderen Teilen der Welt zu erschließen. Dies gilt vor allem dann, wenn sich dort gravierende Veränderungen ergeben, wie zum Beispiel derzeit im Nahen Osten. Die Vereinigten Staaten haben bereits unter Präsident Barack Obama begonnen, sich aus dieser Region zurückzuziehen, nicht zuletzt, weil sie immer weniger von Ölimporten abhängig sind. Es ist davon auszugehen, dass die neue Administration unter Präsident Joe Biden diesen Kurs fortsetzt. Umgekehrt weitet China seinen Einfluss im Nahen Osten immer weiter aus. Die Regierung in Peking hat inzwischen etliche Wirtschaftsabkommen mit Staaten aus der Region geschlossen und wird wohl die Beziehungen, beispielsweise zu Saudi-Arabien, weiter intensivieren.

China agiert im Nahen Osten wie der geduldige Pokerspieler mit den tiefen Taschen. Das Reich der Mitte profitiert dabei von dem Umstand, dass diese Region auf dem Weg vom Nettokapitalgeber zum Nettokapitalnehmer ist. In den vergangenen Jahren haben einzelne Länder erstmals Staatsanleihen begeben – vor allem bedingt durch den vergleichsweise niedrigen Ölpreis. Dieser Trend dürfte sich in diesem Jahrzehnt weiter fortsetzen.

Die USA dominieren derzeit die Weltpolitik und die Weltwirtschaft

Die neue Konstellation im Nahen Osten bietet aber auch den Europäern Chancen, Industrieunternehmen gleichermaßen wie Banken. Das setzt allerdings voraus, dass Europa nicht in der bisherigen Rolle eines weitgehend passiven Pokerspielers verharrt, sondern offensiver und mutiger das Spiel gestaltet. Durch den Rückzug der Vereinigten Staaten sind erhebliche Freiräume entstanden, die Möglichkeiten für strategische Partnerschaften bieten.

Ähnliches gilt in verstärktem Maße für Afrika. China hat sich dort im vergangenen Jahrzehnt systematisch und durchaus mit Geschick als strategischer Partner etabliert. Mehr noch: China hat sich mit vielen großzügig finanzierten Infrastrukturprojekten, von Staudämmen über Straßen und Zugtrassen bis hin zu Häfen, Rohstoffe des Kontinents langfristig gesichert. Einer der Gründe scheinen die äußerst günstigen Konditionen für Projektfinanzierungen zu sein. Über verschiedene chinesische Entwicklungsbanken werden stark subventionierte Kredite an die staatlichen afrikanischen Auftraggeber vergeben, mit der Nebenbedingung, dass ein chinesisches Unternehmen mit chinesischen Arbeitskräften das Projekt durchführt.

Europäische Unternehmen hätten diese Infrastrukturprojekte, was Qualität und Preis angeht, mindestens genauso gut umsetzen können. Allerdings sind die Finanzierungskonditionen und die komplexen Anforderungen, um mit Europäern überhaupt ins Geschäft zu kommen, deutlich unattraktiver als das chinesische Gesamtpaket. Europa hat sich in Afrika ähnlich verhalten wie im eingangs erwähnten Pokerspiel. Die Einhaltung der Regeln war oberstes Gebot, für die Wirtschaft genauso wie für die Politik.

Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Regeln im Geschäftsleben müssen befolgt werden. Aufträge, die durch Korruption zustande kommen, um nur ein Beispiel zu nennen, sind und bleiben ein Tabu. Da es in einigen afrikanischen Ländern systematische Probleme mit Korruption und Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit gibt, ist es somit nur folgerichtig, bei Geschäften in diesen Staaten äußerst vorsichtig zu sein. Allerdings tun europäische Unternehmen dies im Moment in einer Art und Weise, die dazu führt, dass viele afrikanische Akteure pauschal vom westlichen Finanzsystem abgeschnitten werden. Folglich werden diese Länder in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung blockiert – oder eben China in die Arme getrieben.

„Die neue Konstellation im Nahen Osten bietet aber auch den Europäern Chancen, Industrieunternehmen gleichermaßen wie Banken.“

Müssen wir uns also nicht um einen konstruktiveren Ansatz bemühen? Ein Regelwerk, mit dem es Europa gelingt, mit denjenigen Kräften zusammenzuarbeiten, die in Afrika regelkonform agieren und damit letztlich eine freiheitliche Gesellschaft vorantreiben wollen? Natürlich ist das schwieriger, als sich gegen potenzielle Finanzkriminalitätsrisiken kategorisch abzuschotten. Allerdings wäre es im Interesse einer nachhaltigen, demokratischen afrikanischen Wirtschaftsentwicklung – und von Europas strategischem Gewicht in der Welt. Ein klares europaweites Investitionsbekenntnis für diesen Wachstumskontinent, verbunden mit einem Dialog auf Augenhöhe zwischen Politik und Wirtschaft beider Kontinente, ist geboten.

Jenseits von Afrika und dem Nahen Osten bietet noch eine dritte Gruppe von Staaten Wachstumspotenzial für Europa. Hierbei handelt es sich um jene Staaten, die ähnlich wie Europa enge wirtschaftliche Verflechtungen sowohl mit den Vereinigten Staaten als auch mit China pflegen. Sie stehen somit gleichermaßen „blockfrei“ in der Mitte einer bipolaren Welt. Auch wenn Länder wie Australien und Japan dem asiatischen Freihandelsabkommen, RCEP, beigetreten sind, könnten sie ein natürliches Interesse daran haben, zusammen mit Europa gemeinsame Spielregeln zu entwickeln. Ein drittes Beispiel wäre Indien, welches sich frühzeitig aus den RCEP-Verhandlungen zurückgezogen hatte. Elemente für eine Zusammenarbeit könnten gemeinsame Handelskorridore oder eine neutrale gemeinsame Zahlungsinfrastruktur sein, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Für die genannten Regionen bietet Europas Wirtschaft vor dem Hintergrund der skizzierten globalen Trends eine Fülle interessanter Handels- und Kooperationsmöglichkeiten. Zumal „Made in Europe“ gerade in den wichtige Produktkategorien wie Qualität oder nachhaltigkeitsbewusster Produktion weltweit eine vergleichsweise starke Position einnimmt.

Sydney, Australien. Die Beziehungen Europas zu Ländern wie Australien müssen gestärkt werden

Wie bauen wir ein zukunftssicheres Europa? 

Im Vergleich zu China und auch den USA bietet Europa den Wirtschaftspartnern dazu auch noch unvoreingenommene Chancengleichheit. Der Grund: Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Tradition etabliert, in der sich Vielfalt zur Stärke entwickelt hat und ein Wertekanon entstanden ist, der andere Positionen respektiert. Dieser kurzfristig nicht kopierbare Wertekanon verfügt über das Potenzial, zu einem echten Wettbewerbsvorteil zu werden. Europa befolgt Regeln, besinnt sich bei aller zukunftsgerichteter Transformation auf etablierte Werte und Normen und hält Zusagen ein. Im interna- tionalen Miteinander sind das ausgesprochen wichtige und zeitlos wertvolle Eigenschaften.

Europa bringt starke Ausgangsvoraussetzungen mit, vermutlich stärkere, als wir denken. Unter anderem profitiert Europa von einem großen Binnenmarkt mit 450 Millionen Konsumenten und hat gezeigt, dass es auch in einer Krise effektive finanzielle Lösungen finden kann. Zusätzlich baut Europa auf einem starken Fundament etablierter Demokratien und Rechtsstaatlichkeit auf und verfügt über eine große Anzahl an gut ausgebildeten Talenten und Arbeitskräften.

Um dieses Potenzial zu nutzen, muss sichergestellt werden, dass diese Stärken auch ausgespielt, Souveränität in wichtigen Bereichen gesichert, etwaige Standortnachteile beseitigt und Wachstumsmöglichkeiten ergriffen werden. Während dies auf den ersten Blick einen komplexen und umfangreichen Aufgabenkatalog vermuten lässt, sind die einzelnen Elemente tangibel und wohlbekannt.

Das gemeinsame Vorgehen zur finanziellen Unterstützung während der Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell Europa Entscheidungen treffen kann, wenn es möchte und muss. Mit derselben Entschlossenheit müssen im nächsten Schritt Vorhaben wie die Banken- und Kapitalmarktunion zügig umgesetzt werden, um den Vorteil der Gemeinschaft voll zu entfalten. Zur Wahrung der europäischen Souveränität in Bereichen wie Datenschutz oder Zahlungsverkehr sind eine Vielzahl von Initiativen in der Umsetzung, wie beispielsweise die Schaffung einer paneuropäischen Zahlungsinfrastruktur für Konsumentenzahlungen. Diese Themen dürfen nicht als wünschenswerte Projekte, sondern als geostrategische Notwendigkeiten angesehen werden und sollten entsprechenden Fokus erhalten.

„Das gemeinsame Vorgehen zur finanziellen Unterstützung während der Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell Europa Entscheidungen treffen kann, wenn es möchte und muss.“

Zusätzlich sollte sich Europa um faire Rahmenbedingungen für europäische Unternehmen bemühen. Denn diese sind Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen mit der besten Idee den Wettbewerb gewinnt und nicht dasjenige mit den besten Standortfaktoren. Kurzfristig muss beispielsweise der Standortnachteil „Transformationskapital“ adressiert werden, um den anstehenden Strukturwandel in vielen Branchen finanziell zu ermöglichen. Dieser Vorstoß basiert nicht auf einem Ruf nach „mehr Staat“. Vielmehr geht es um die ureigene staatliche Aufgabe, die richtigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen und die benötigte Infrastruktur bereitzustellen, damit Unternehmen in der Region ihr volles Potenzial entfalten können.

Weiterhin müssen Wachstumsmöglichkeiten konsequent genutzt werden. Die Zusammenarbeit mit dem Nahen Osten, Afrika und Staaten wie Japan, Indien und Australien sollte intensiviert werden. Außerdem sollte die Entstehung echter „European Champions“ ermöglicht werden. Die geplatzte Zug-Fusion von Siemens und Alstom war ein gutes Beispiel dafür, wie sich Europa selbst den Weg versperrt. Es braucht europäische Großunternehmen, die es bezüglich der Investitionsmittel mit den deutlich größeren chinesischen und amerikanischen Unternehmen aufnehmen können, um Europas Rolle in der globalen Wirtschaftsordnung zu verteidigen.

Wir Europäer müssen endlich antreten, um zu gewinnen und nicht, um nur dabei zu sein. Die nächsten Jahre werden die Weichen für das zweite Viertel des 21. Jahrhunderts stellen, und das Einstehen für unsere Werte kann nur aus einer Position der Stärke gelingen. Um unser beachtliches Potenzial – die star- ken Karten, die wir in der Hand halten – auszuspielen, brauchen wir eine Kombination von Pragmatismus, Mut und Vertrauen in unsere eigenen Stärken. Wir haben es selbst in der Hand: „All-in“ für Europa.

Stefan Hoops ist Leiter der Unternehmensbank der Deutschen Bank in Frankfurt am Main

stefan.hoops@db.com

Das Buch „Faktenbasierter Zukunftsdialog“ ist bestellbar unter ISBN 978-3982334301