17. Dezember 2020

Baustelle E-Commerce

Marktplätze haben längst auch die B2B-Welt erobert. Die dort geltenden Spielregeln verändern den Zahlungsverkehr und fordern das Treasury. Dieser Artikel wurde in der Print-Ausgabe von DerTreasurer als Gastbeitrag von Christof Hofmann am 17. Dezember 2020 erstmalig veröffentlicht.

Von Christof Hofmann

Der Trend zum digitalen Bezahlen ist unaufhaltsam. Zudem steigen mehr und mehr Hersteller in den digital unterstützten Direktvertrieb ein. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist der Marktdruck so hoch, dass immer mehr Hersteller ihre Produkte über eigene Onlineshops direkt an den Endkunden verkaufen. Aus dem Geschäftsmodell „B2B2C“ wird so „Direct to Consumer“ (D2C), der Händler als Intermediär fällt weg. Zum anderen erobern Marktplätze ihrerseits das Industriegeschäft. So erwartet das Marktforschungsinstitut Ystat, dass bis 2024 über 30 Prozent der weltweiten B2B-Verkäufe über digitale Marktplätze erfolgen werden. Das gilt für den Verkauf von Maschinen ebenso wie für den Vertrieb von Dienstleistungen und Softwarelösungen. Die Relevanz verschiebt sich: Die für B2B-Marktplätzeprognostizierten Volumina übersteigen die Zahlungsströme auf B2C-Plattformen deutlich. Auf das Treasury kommt damit eine Menge Arbeit zu, denn in der Vergangenheit war die Abteilung nicht immer im E-Commerce-Geschäft involviert. Die operativen Einheiten haben häufig selbstständig Verträge mit Acquirern abgeschlossen, also dem Finanzinstitut, das im Auftrag eines Händlers Kredit- oder Debitkartenzahlungen verarbeitet. Mit der steigenden Relevanz dieses Absatzkanals muss damit Schluss sein: Wenn ein immer größerer Teil der Zahlungsströme außerhalb der Kontrolle des Treasury liegt, ist das schlecht – sowohl aus Risiko- als auch aus Kostengesichtspunkten. Das Treasury sollte daher eine aktive Rolle beim Thema Online-Handel einnehmen.

Kontrolle wiedererlangen

Das oberste Ziel sollte es dabei sein, Transparenz über sämtliche Zahlungsströme herstellen, die über Marktplätze oder Webshops ins Unternehmen fließen. Diese Sichtbarkeit ist derzeit oft nicht gegeben, weil die IT-Landschaft rund um die digitale Zahlungsakzeptanz sehr fragmentiert ist. Gerade in multinationalen Großkonzernen nutzt häufig jede Geschäftseinheit einen anderen Anbieter bei E-Commerce-Zahlungen. Dabei kommen diverse Zahlarten zum Einsatz. Das macht es komplex, diese Tools und Prozesse in die Treasury-Infrastruktur zu integrieren.

Zentralisierung ist daher der Schlüssel. In den vergangenen Jahren haben Treasury-Teams viel Zeit investiert, um den Zahlungsverkehr im Konzern zu zentralisieren. Bankkonten wurden reduziert, konzernweite Softwarelösungen ausgerollt. Dieser Prozess sollte sich nun im E-Commerce wiederholen. Zudem sollte sich das Treasury auch bei der Wahl der passenden Partner für die Zahlungsabwicklung im E-Commerce einbringen. Die operativen Einheiten achten bei der Wahl häufig nur auf Faktoren wie Nutzerfreundlichkeit. Die Usability ist natürlich wichtig, doch Unternehmen sollten auch Kosten, die Einhaltung von Compliance-Anforderungen und Kontrahentenrisiken berücksichtigen. Dafür ist das Treasury zuständig.

Marktplätze sind komplex

Noch komplexer wird es, wenn das Unternehmen nicht nur eigene Produkte online vermarktet, sondern einen Marktplatz betreibt, über den auch Drittanbieter ihre Waren verkaufen können. Ein Beispiel dafür ist etwa ein Autohersteller, der auch noch Kindersitze und andere Zubehör über seine Plattform vertreibt. In diesem Fall muss das Unternehmen nicht nur einen Zahlungsanbieter finden, der die Akzeptanz verschiedener Bezahlmethoden und eine Zuordnung der eingehenden Zahlungen in der Buchhaltung („Reconciliation“) ermöglicht. Die Lösung sollte dann zudem in der Lage sein, aus Sicht des Käufers eine einzelne Zahlung zu ermöglichen und diese zwischen den Verkäufern aufzuteilen. Nur dann ist eine echte End-to-End-Automatisierung der Prozesse möglich.

Christof Hofmann ist Global Head of Corporate & Payment Solutions bei der Deutschen Bank in Frankfurt am Main.

christof.hofmann@db.com