18. November 2021

„Unternehmen könnten vom digitalen Euro profitieren“

Ole Matthiessen, globaler Cash-Management-Chef der Deutschen Bank, über den digitalen Euro, Request to Pay und Cybercrime. Dieser Artikel wurde in der Online-Ausgabe von DerTreasurer am 18. November 2021 erstmalig veröffentlicht. Die Fragen stellte Sarah Backhaus.

Das Thema digitaler Euro wissen die Treasurer noch nicht richtig einzuschätzen. Was denken Sie, woran liegt das?
Die Unsicherheit der Treasurer gegenüber dem Thema überrascht mich nicht. Das liegt vor allem daran, dass das Design des digitalen Euros noch nicht feststeht. Es ist beispielsweise unklar, ob der digitale Euro Blockchain-basiert sein wird, oder ob es eine Obergrenze geben wird. All diese Designentscheidungen haben einen großen Einfluss darauf, wofür man den digitalen Euro am Ende nutzen können wird.

Wie könnten Treasurer den digitalen Euro nutzen?
Um die Anwendungsfälle für Corporates zu erkennen, muss erstmal geklärt werden, auf welcher Technologie der digitale Euro basieren wird. Eine Währung basierend auf Konten hat andere Use Cases zu bieten als eine auf der Blockchain-Technologie basierende programmierbare Währung. Diese würde es zum Beispiel erlauben, Mikrozahlungen rund um das Internet of Things (IoT) zu automatisieren. Davon dürften auch Unternehmen profitieren.

Bis der digitale Euro in der Praxis ankommt, dauert es noch einige Jahre. Braucht es in der Zwischenzeit Interims-Lösungen?
Es geht nicht nur um Zwischenlösungen, einige Anwendungen werden auch in Zukunft mit dem digitalen Euro der EZB koexistieren. Ein Beispiel: Es ist heute schon möglich, Zahlungen über bestehende Zahlungssysteme abzuwickeln, selbst wenn diese durch eine Blockchain initiiert wurden. Diese sogenannten Trigger-Lösungen werden gemeinsam mit anderen privaten Zahlungslösungen auch in Zukunft eine Rolle spielen, wenn es digitalen Euro geben sollte.

Mehr Sicherheit scheint dagegen beim Thema Request-to-Pay zu herrschen, das in der Praxis aber noch keine Rolle spielt. Warum nicht?
Wir sehen, dass Request-to-Pay schon in gewissen Industrien wie E-Commerce Einzug gefunden hat. Hier ermöglicht die Zahlmethode effizientere und schnellere Prozesse etwa rund um den Zahlungsabgleich („Reconciliation“). Weiterhin macht es Instant Payments für zahlreiche Anwendungen zugänglich und reduziert Prozesskosten. Für eine Implementierung im Unternehmen ist zu beachten, dass sich die neuen Regularien und Standards des Verfahrens noch in einer frühen Phase befinden. In den kommenden Jahren erwarten wir die Unterstützung von weiteren Anwendungsfällen sowie eine stärkere Integration in die Kundenkanäle der Banken, wodurch der Nutzen für alle Parteien weiter steigt.

Laut den Ergebnissen kam es bei 21 der Befragten schon zu Verlusten durch Cybercrime. Wie hat sich das Thema aus Bankensicht entwickelt?
Es gibt praktisch kaum mehr Unternehmen, die nicht schon direkt oder indirekt betroffen waren – dementsprechend ist das Thema bei vielen Kunden inzwischen auf CFO-Ebene angesiedelt. Die Bedrohungslage hat sich nicht zuletzt durch das Arbeiten im Home Office erhöht. Wir sehen deshalb zwei große Themen: Schutz der technischen Infrastruktur, um insbesondere Ransomware-Angriffe abzuwehren und Schutz vor Betrug im Zahlungsverkehr. Leider sind die Kriminellen den Unternehmen technisch an der einen oder anderen Stellen noch immer einen Schritt voraus. Treasurer sollten künftig im Kampf gegen Betrug noch stärker auf datenbasierte Mustererkennung und Erfahrungen aus der Community setzen. Die Tools dafür gibt es nun.

Im Freifeld gaben einige Treasurer an, dass die Volatilität für sie eine Herausforderung ist. Das absolut problematischste Thema sind für sie aber Negativzinsen.
Negativzinsen sind schon länger das absolute „Sorgenkind“. Dennoch muss ich sagen, dass der Dialog über die Negativzinsen einfacher geworden ist. Die Kunden verstehen immer mehr, dass die Banken kein Verhandlungsspielraum haben, sondern es einfach die Marktpreise sind. Trotzdem beeinträchtigt das Unternehmen mit großen Liquiditätsreserven nach wie vor enorm.

Hier geht es zu den Ergebnissen des 27. Treasurer-Panels.

Ole Matthiessen ist Leiter des globalen Cash Managements bei der Deutschen Bank in Frankfurt am Main.

ole.matthiessen@db.com