09.06.2023

Liquiditätsmanagement neu gedacht

Durch die Unruhe bei den Banken ist das Thema Kontrahentenrisiko wieder im Fokus. Das führt zu einem Umdenken im Liquiditätsmanagement.

Von Christof Hofmann

Dieser Artikel wurde in der Print-Ausgabe von DerTreasurer als Gastbeitrag von Christof Hofmann am 09. Juni 2023 erstmalig veröffentlicht.

Treasurer haben turbulente Jahre mit unterschiedlichen Herausforderungen hinter sich. Im Jahr 2020 lag der Fokus darauf, Liquiditätsreserven aufzubauen, gleichzeitig Negativzinsen zu minimieren und auch noch mit Lieferkettenengpässen umzugehen. 2022 beschäftigten die Inflation, steigende Zinsen und Währungsschwankungen deutsche Treasury-Abteilungen. In diesem Jahr folgte dann die Unruhe bei den Banken – die bislang größte seit der Finanzkrise. Diese Ereignisse haben die Corporate-Treasury-Abteilungen geprägt und insbesondere zwei Aspekte deutlich gemacht. Zum einen ist allen klar: Zeit ist im Treasury eine knappe Ressource. Automatisierung und Fortschritte in der Digitalisierung können Abhilfe schaffen und Treasurern ermöglichen, sich auf ihre Kerntätigkeiten zu konzentrieren. Zum anderen hat sich gezeigt, wie wichtig das Thema Liquiditätsmanagement ist: In Krisenzeiten ist es deshalb ratsam, dafür eine Bandbreite an Instrumenten zur Verfügung zu haben.

In der Negativzinsphase lag der Fokus vieler Treasurer darauf, die Kosten zu minimieren, die durch das Vorhalten von Liquidität entstanden sind. Das geschah beispielsweise durch die Investition in Anleihen, Commercial Papers oder Spezialfonds. Das hat sich nun geändert. Die auch durch den Ukrainekrieg beschleunigte Inflation hat die Dynamik im Liquiditätsmanagement grundlegend verändert: Zwar sind Anlagen wieder attraktiv, aber gleichzeitig sind die Kontrahentenrisiken wegen der Unruhe am Bankenmarkt gestiegen. Diese Risiken müssen bei der Geldanlage von Treasurern minimiert werden. Der Bedarf an sicheren Anlagemöglichkeiten, die idealerweise am steigenden Marktzins partizipieren, ist damit gewachsen. Ein probates Instrument zur Streuung von Risiken bei gleichzeitig hoher Liquidität sind Geldmarktfonds.

Plattformlösungen nutzen

In der Fondsbranche haben sich Plattformen etabliert, die der knappen Zeit der Treasurer Rechnung tragen und zum Teil eine automatisierte Anbindung an Treasury Management Systeme bieten. Mit solchen Geldmarktfonds-Plattformen erhalten Treasurer Zugang zu verschiedenen Anbietern und deren Fonds. Das Prinzip einer Geldmarktfonds-Plattform lässt sich weiterentwickeln und somit auch auf andere Instrumente übertragen, um Unternehmen neue Möglichkeiten im Bereich Liquiditätsmanagement zu bieten. Ein Beispiel dafür sind Reverse Repos. Dieses Instrument, das bisher ausschließlich unter institutionellen Marktteilnehmern verbreitet ist, hat insbesondere seit der Bankenkrise bei großen Unternehmen deutlich an Beliebtheit gewonnen. Reverse Repos sind mit besicherten Festgeldern vergleichbar. Unternehmen erhalten für die Dauer des Geschäfts eine Sicherheit in Form von Wertpapieren.

Reverse Repos sind attraktiv, um Bankenrisiken zu verringern und gleichzeitig einen attraktiven Marktzins zu erwirtschaften. Da die Aufsetzung und der Handel aber komplex sind, gibt es Agenten, die ihren Kunden alle administrativen und operationellen Aufgaben abnehmen. Integriert auf einer Plattform, können Treasurer so auf Reverse Repos und andere Produkte zum Liquiditätsmanagement zurückgreifen – und gleichzeitig die eigenen Ressourcen schonen. Ein Reverse Repo wird somit zu einer echten Ergänzung zu Termingeldern. Diese Innovationen führen allmählich zu einem Umdenken: Es ist davon auszugehen, dass das Liquiditätsmanagement von Corporate Treasuries künftig zentralisiert über Plattformlösungen ablaufen wird. Festgelder, Fonds, Anleihen, Reverse Repos und andere Instrumente können dann über einen Kanal mit standardisierten Prozessen und einer Einbindung in die Treasury-Systeme gehandelt werden.

Mittlerweile bieten auch Banken Anlageplattformen an, über die bereits eine Vielzahl oben genannter Produkte aus einer Hand mit reduziertem Aufwand handelbar ist.

Christof Hofmann

Christof Hofmann ist Global Head of Corporate Cash Management bei der Deutschen Bank.