10.06.2025

Geopolitische Risiken richtig managen

Die geopolitische Lage ist derzeit so volatil wie selten. Die Unsicherheit ist eine Belastung für Unternehmen und Finanzverantwortliche. Diese sieben Punkte sollten Treasurer jetzt prüfen.

Von Christof Hofmann

Dieser Artikel wurde in der Print-Ausgabe von DerTreasurer als Gastbeitrag von Christof Hofmann am 06. Juni 2025  erstmalig veröffentlicht.

Krisen, Kriege und Konfliktherde gab es schon immer, aber derzeit verändert sich die geopolitische Lage nahezu täglich. Nur eine Woche nachdem die US-Regierung Anfang April „reziproke“ Zölle auf Waren aus mehr als 180 Ländern und Gebieten angekündigt hat, setzte sie diese Zölle für 90 Tage aus, um zu verhandeln. Auf Waren aus China bleiben die Importzölle aber nicht nur bestehen – sie wurden zuletzt sogar immer weiter erhöht. Während sich die globale Handelspolitik gerade radikal verändert, halten die geopolitischen Spannungen in anderen Teilen der Welt an: Der Russland-Ukraine-Krieg, der Konflikt im Nahen Osten, einschließlich der anhaltenden Angriffe der Huthi im Roten Meer und im Golf von Aden, sowie die politische Unsicherheit um Taiwan schweben nach wie vor wie ein Damoklesschwert über der Welt. Nun kommt auch noch ein Konflikt zwischen Indien und Pakistan hinzu. Die geopolitische Lage spielt daher in vielen Gespräche mit Unternehmen eine große Rolle. Das ist nicht völlig neu, aber die Natur der geopolitischen Risiken hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert – und damit auch die Prioritäten für Treasurer.

Genügend Cash-Puffer

Das aktuell größte Problem ist die hohe Unsicherheit. „Schwierig ist im Moment, dass man nicht weiß, was morgen sein wird. Aber man braucht Klarheit, Visibilität und Transparenz, um fundierte Entscheidungen treffen zu können“, sagte jüngst etwa Dr. Cornelia Ballwießer, CFO bei der SUSS MicroTec SE, einem Equipment-Hersteller für die Halbleiterindustrie. Bei dem Unternehmen kann sich eine Änderung der Zollsituation auch auf die Liefertermine der Anlagen und somit auf die Zahlungsströme auswirken – entsprechend zurückhaltend ist die Finanzchefin bei der Fremdwährungsabsicherung auf künftige Zahlungsströme. Ein weiteres Beispiel: Bei dem irischen Technologieunternehmen TE Connectivity gibt es Diskussionen, den Liquiditätspuffer vor dem Hintergrund der hohen Unsicherheit zu erhöhen. Man beobachte die Situation genau, noch habe sich allerdings nichts verändert, wie Magnus Svensson, Treasurer für die Region Americas bei TE Connectivity, betont. „Erstens haben wir das Glück, ein Investmentgrade-Rating zu haben, was bedeutet, dass wir den Commercial-Paper-Markt nutzen können, wenn wir Liquidität benötigen. Zweitens ist unser Geschäft sehr Cash-generierend, da unsere Kunden uns in der Regel pünktlich bezahlen.“

Checkliste für Treasurer

Die Herausforderungen durch geopolitische Risiken sind also vielschichtig. Grundsätzlich sollte die Treasury-Abteilung jedoch sieben Punkte besonders im Fokus haben:

  1. Veränderungen in der Lieferkette unterstützen: Die im Raum stehenden Zölle könnten den Trend zur Verlagerung von Produktion und Einkauf in nahegelegene beziehungsweise befreundete Staaten noch verstärken („Friendshoring“ und „Nearshoring“). Auf diese Verschiebung wiederum müssen Treasurer reagieren – etwa, weil bis dato etablierte Natural-Hedge-Konstellationen nicht mehr funktionieren oder weil die nötige Liquidität nun in anderen Ländern zur Verfügung gestellt werden muss.
  2. Finanzierungsstrategie prüfen: In der Regel bevorzugen Treasurer konzerninterne Darlehen zur Finanzierung lokaler Tochtergesellschaften, da dies am kosteneffizientesten ist. Angesichts der geopolitischen Risiken kann es jedoch in einigen Fällen sinnvoll sein, Töchter lokal vor Ort zu finanzieren, um eine gewisse Unabhängigkeit und Flexibilität zu ermöglichen.
  3. Wahl der Bankpartner prüfen: Unternehmen fragen sich, wie engagiert Banken in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Region sind. Möglicherweise möchten sie nicht alles auf eine Karte setzen, falls sich eine Bank aufgrund geopolitischer Spannungen aus einem bestimmten Markt zurückzieht oder das Geschäft beschränkt.
  4. Liquiditätsprognosen anpassen: Manche Unternehmen legen derzeit ihre Investitionspläne auf Eis. Treasurer müssen die daraus resultierenden Veränderungen und Unsicherheiten in ihren langfristigen Liquiditätsprognosen und Anlagestrategien berücksichtigen.
  5. Zins- und Währungsrisiken (anders) managen: Angesichts der gestiegenen Volatilität an den Devisenmärkten und der unsicheren Aussichten für die Zinsentwicklung sollten Unternehmen prüfen, ob sie Positionen absichern, die bisher innerhalb ihres Risikoappetits lagen.
  6. Mit Sanktionen umgehen: Dieses Thema ist im Zusammenhang mit Russland/Ukraine besonders aktuell. Generell nehmen die Sanktionsrisiken jedoch ständig zu und müssen sowohl für den Waren- als auch für den Finanzverkehr gemanagt werden.
  7. Transparenz und Kontrolle über Cash-Bestände sicherstellen: Treasurer müssen sich fragen, ob sie zentral auf ihre globale Liquidität und ihre Bankkonten zugreifen können. Verfügen sie über eine Inhouse-Banking-Struktur? Erhalten sie Informationen wie Kontostände in Echtzeit oder nur T+1 oder T+2? All dies ist in einer Krise entscheidend, um schnell und richtig entscheiden zu können. 

Die geopolitische Lage können Unternehmen nicht beeinflussen. Daher müssen Treasurer lernen, mit diesen Risiken umzugehen – und letztlich bedeutet das, eine moderne und zeitgemäße Treasury-Funktion zu etablieren.

Christof Hofmann

Christof Hofmann ist Global Head of Corporate Cash Management bei der Deutschen Bank.

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