Zinswende und die Folgen

Deutsche Bank-Ökonom Marc Schattenberg mit Analyse und Ausblick zu Inflation, Leitzins und Krediten und möglichen Folgen für Unternehmen, Selbständige und Freiberufler.

Inflation

So wird sich die Inflation in den kommenden Monaten weiterentwickeln

Mit Blick aufs kommende Jahr rechnen wir für den Euroraum mit einer Inflationsrate von etwa 6 %. Das wäre zwar eine Abschwächung gegenüber der Erwartung von rund 8 % im laufenden Jahr. Man darf allerdings nicht vergessen, dass die diesjährigen Preissteigerungen damit ja nicht rückgängig gemacht werden. Im Vergleich zum Jahr 2021 bedeutet das unter dem Strich für das kommende Jahr einen Inflationsschub im zweistelligen Prozentbereich innerhalb von zwei Jahren.

So wirkt sich die Inflation konkret aus

Für Unternehmen bedeuten gestiegene Preise für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte letztlich höhere Produktionskosten. Diese schmälern den frei verfügbaren Cashflow. Der Bedarf an Finanzierungen steigt somit. Die privaten Haushalte werden vor allem bei den Themen Energie und Nahrung stärker belastet als in den Jahren zuvor. Damit steht ihnen weniger Geld für private Anschaffungen zur Verfügung.

Leitzins

Diese Optionen hat die Europäische Zentralbank, um auf die steigenden Inflationsraten angemessen zu reagieren

Die EZB hat die Bekämpfung der Inflation zu ihrem vorrangigen Ziel erklärt. Sie wird deshalb wohl weiter an der Zinsschraube drehen. Wir rechnen mit einer Anhebung um mindestens weitere 150 Basispunkte im laufenden Jahr. Die Leitzinsen könnten bis Ende 2022 also auf bis 2,0 % steigen. Das ist, im historischen Kontext betrachtet, eine Rückkehr zu geldpolitischer Normalität. Die Nullzinspolitik war die Ausnahme. Das ist vielen gar nicht mehr bewusst.

So gut stehen die Chancen, dass der EZB die Eindämmung der Inflation in absehbarer Zeit gelingt

Die Inflation in Europa entsteht zum einen durch angebotsseitig kräftig gestiegene Energie- und Nahrungsmittelpreise. Zum anderen kann die Nachfrage nach bestimmten Konsumprodukten und Industriegütern wegen der Lieferengpässe nur schwer befriedigt werden. Zwar sind die Auftragsbücher der Unternehmen voll, aber es fehlt an Material und Arbeitskräften. Wo Mangel ist, steigen die Preise. So auch hier. Das wirkt sich im nächsten Schritt auf die Preise der angebotenen Produkte und Dienstleistungen aus. Außerdem droht weiterhin ein Energiemangel. Auf diese angebotsseitigen Faktoren hat die EZB kaum Einfluss. Deshalb kann sie die Probleme nicht allein lösen. Daher agiert sie geldpolitisch eher zögerlich. In den USA sieht es etwas anders aus. Hier hat der Staat während der Corona-Krise die privaten Haushalte finanziell stark unterstützt und der Arbeitsmarkt ist sehr eng. Die Wirtschaft droht zu überhitzen. Deshalb agiert die US-Notenbank derzeit forscher als die EZB.

Zinsen und Kredite

So wirken sich höhere Leitzinsen auf Unternehmenskredite aus

Die aktuelle und die zu erwartenden Leitzinserhöhungen haben für Unternehmensfinanzierungen vor allem zwei spürbare Konsequenzen: Zum einen verteuern sich die Kredite. Zum anderen dürften die Banken ihre Kreditvergabe-Standards verschärfen.

So können Unternehmerinnen und Unternehmer auf verschärfte Kreditvergabe-Standards reagieren

Unternehmerinnen und Unternehmer haben mehrere Möglichkeiten, auf die Verschärfung der Kreditvergabe-Standards zu reagieren: Sie können ihr Kreditportfolio flexibilisieren und die verschiedenen Arten von Zinsbindung und Laufzeiten optimieren. Gleichzeitig ist es ratsam, das eigene Forderungsmanagement gut im Blick zu behalten – gerade vor dem Hintergrund, dass schwache Schuldner im Zuge des aktuellen Zinsanstiegs finanziell unter Druck geraten könnten.

Die Bauzinsen sind in Bewegung. So können Immobilienkäufer darauf reagieren

Nach einem kräftigen Anstieg in diesem Jahr waren die Zinsen für Finanzierungen von Bauvorhaben und Immobilienkäufen zwischenzeitlich wieder leicht gesunken. Wie es weitergeht, lässt sich schwer vorhersagen. Wer das Risiko weiterer Zinsanstiege vermeiden will, kann zum Beispiel Finanzierungen mit längeren Laufzeiten wählen oder rechtzeitig vor Ablauf eines Kredits ein Forward-Darlehen abschließen.

Unternehmen

Das bedeuten steigende Preise und höhere Finanzierungskosten für Unternehmen

Um steigende Produktionskosten aufzufangen, könnten Unternehmen unter normalen Umständen darauf setzen, ihre Preise und/oder ihren Umsatz zu erhöhen. Doch aufgrund von Lieferengpässen bei Vorprodukten können manche Firmen nicht einmal ihre vollen Auftragsbücher abarbeiten. Das schwächt ihren Cashflow zusätzlich. Sie haben also einen höheren Finanzierungsbedarf und müssen nun auch noch mit höheren Zinsen rechnen. Für ertragsschwache Unternehmen ist die Entwicklung besonders unangenehm.

So stark werden hohe Inflationsraten und steigende Zinsen die Wirtschaft belasten

Wir rechnen damit, dass das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im kommenden Jahr um 1 % schrumpfen wird. Aber es werden nicht alle Branchen und Firmen gleichermaßen betroffen sein. Der positive Effekt ist, dass Investitionen genauer überdacht werden. Aufgrund der höheren Finanzierungskosten müssen sich Projekte besser rechnen. Das steigert erfahrungsgemäß die Qualität – sowohl der einzelnen Investitionen als auch der Wirtschaft insgesamt. Unternehmen, die zuletzt nur aufgrund der niedrigen Zinsen überlebt haben, könnten vom Markt verschwinden.

Das bedeuten steigende Zinsen und eine hohe Inflation für Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler

Je nach Branche unterscheiden sich die Herausforderungen. Handwerksbetriebe haben derzeit eher mit Personalmangel, Lieferengpässen und hohen Materialkosten zu kämpfen als mit steigenden Zinsen. Höhere Kosten können sie nur noch begrenzt an ihre Kundschaft weitergeben, da diese angesichts der hohen Inflation genauer auf ihre Ausgaben achtet. Bei Freiberuflern sowie Selbstständigen aus den Bereichen Beratung, Dienstleistung oder Gesundheit dürften sich höhere Zinskosten vor allem bei Investitionen in Immobilien auswirken. Bei sechs- oder siebenstelligen Finanzierungssummen macht schon ein Basispunkt hinter dem Komma viel aus.

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