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Nach Auskunft der gematik (Nationale Agentur für Digitale Medizin), der Betriebsgesellschaft der Telematikinfrastruktur (TI), soll es Anfang 2024 so weit sein: Das elektronische Rezept (E-Rezept) geht bundesweit an den Start. Dann sollen Ärztinnen und Ärzte Rezepte am Bildschirm ausstellen, elektronisch signieren und in der Telematikinfrastruktur digital deponieren.
Von dort können Patientinnen und Patienten ihre Rezepte dann abrufen – entweder indem sie die elektronische Gesundheitskarte (eGK) in der Apotheke ins Kartenterminal stecken oder indem sie die E-Rezept-App nutzen oder einen Barcode auf Papier in der Apotheke vorzeigen.
Im Sommer 2023 werden die technischen Voraussetzungen zur Nutzung des E-Rezepts im gesamten Bundesgebiet geschaffen sein, heißt es vonseiten der gematik.
Das vertraute „Muster 16“, das rosa Papierrezept, wird aber nicht im Schredder landen, sondern im Ersatzverfahren weiter genutzt werden. Etwa dann, wenn eine Ärztin oder ein Arzt ein E-Rezept nicht ausstellen kann, weil eine technische Störung vorliegt.

Über 3.400 Einrichtungen stellen E-Rezepte aus

Nicht alle Ärztinnen und Ärzte wollen bis Anfang kommenden Jahres auf das E-Rezept warten. Schon heute stellen laut gematik mehr als 3.400 medizinische Einrichtungen regelmäßig E-Rezepte aus. Und mehr als 13.600 Apotheken in Deutschland verfügen bereits über eine E-Rezept-fähige Software und Ausstattung. Im Mai 2023 wurden mehr als 200.000 E-Rezepte eingelöst.
Es tut sich also etwas. Allerdings stagniert die Anzahl der elektronisch verordnenden Ärztinnen und Ärzte seit November 2022.
„Das zeigt, wie wenig beliebt die E-Rezepte unter den Ärzten sind“, sagt der Hausarzt Moritz Eckert aus Herzberg am Harz.
Im Auftrag seines Softwarehauses testen Eckert und sein Kollege Henning Poppe in der Hausarztpraxis die Abläufe mit dem E-Rezept bereits seit Februar 2022. Und Eckert stellt heute fest: Eigentlich sei der Alltag mit dem E-Rezept inzwischen deutlich entspannter als noch vor einem Jahr.

3.400 +

medizinische Einrichtungen stellen E-Rezepte aus

13.600 +

Apotheken verfügen über E-Rezept-fähige Software

200.000 +

E-Rezepte eingelöst
(Mai 2023)

Die Abläufe haben sich eingespielt

Anfangs hatte allerdings auch Hausarzt Eckert beim E-Rezept Schwierigkeiten: Ist die Komfortsignatur aktiviert? Passt der Druckerschacht? Wie funktioniert das Freischalten des elektronischen Heilberufsausweises, den man für die digitale Signatur braucht?
„Inzwischen ist das E-Rezept bei uns voll integriert und Routine im Alltag“, berichtet Eckert. „Man muss ja die Praxisabläufe mit dem E-Rezept immer softwareabhängig betrachten. Nicht alle Softwarehäuser sind so weit. Aber bei uns läuft es.“
Trotzdem bleibt manches Ärgernis. Zwar könnten die Patientinnen und Patienten derzeit auch über eine App an ihr Rezept kommen. Die Freischaltung der E-Rezept-App sei aber höchst kompliziert. Daher gingen seine Patientinnen und Patienten zu nahezu 100 Prozent den Weg über Papierausdruck mit einem QR-Code, den sie bei der Verordnung erhalten. Mit diesem müssen sie – wie bisher mit dem rosa Rezeptformular – in die Apotheke gehen, wo der Code eingelesen und das Medikament zur Verfügung gestellt wird.

Medienbruch bleibt noch bestehen

Das größte Problem für Eckert und seinen Kollegen Henning Poppe ist denn auch der Umstand, dass sie trotz eines online ausgestellten Rezepts mit dem QR-Code, der ausgedruckt werden muss, noch immer einen Medienbruch hinnehmen müssen. „Frustrierend undwidersinnig“ sei das, so Eckert. „Und jeder Ausdruck kostet uns an die fünf Sekunden. Das ist zwar für sich gesehen wenig Zeit, aber beiden über 25.000 Rezepten, die mein Kollege und ich im Jahr ausstellen, läppert sich das.

“Die Patientinnen und Patienten aber von der App zu überzeugen sei praktisch unmöglich, so Eckerts Erfahrungen. Denn sie müssten sich aufwendig erst eine PIN von ihrer Krankenkasse holen. Die Kassen agierten bei dem Verfahren allerdings sehr zurückhaltend. Der Grund: Das für die PIN nötige Postident-Verfahren kostet nach Eckerts Wissen um die 25 Euro je Mitglied. „Das wäre bei 70 Millionen Versicherten natürlich eine Milliarden-Summe“, sagt Eckert. „Ich kann da die Kassen verstehen.“

Persönliche Vorsprache bei der Krankenkasse

Zudem sei der Aufwand, um die App freizuschalten, für die Patientinnen und Patienten sehr hoch. Die AOK Niedersachsen besteht zum Beispiel darauf, dass die Versicherten in eine der AOK-Geschäftsstellen kommen und sich für die Karte persönlich mit Ausweis identifizieren. Dann bekommen sie Wochen später ihre PIN, mit der sie die App freischalten können, so berichtet es Eckert. Diesen Aufwandwolle keine Patientin und kein Patient, konstatiert er. „Da holen sich die Patienten bei ihrem Arzt lieber ihren Ausdruck, mit dem sie in die Apotheke gehen und ihr Rezept einlösen.
“Inzwischen kündigt die gematik an, dass bald ein dritter Weg beschritten werden kann, um die Rezepte elektronisch einzulösen – und zwar über die elektronische Gesundheitskarte (eGK), die alle Patientinnen und Patienten besitzen. 

„Es wird Zeit, dass diese Lösung kommt. Denn die Patientinnen und Patienten haben dann kein Papier mehr in der Hand, sondern brauchen in der Apotheke nur noch ihre Gesundheitskarte in das Lesegerät zu stecken, rufen so ihre offenen Rezepte ab und erhalten ihr Medikament.“

Moritz Eckert, Hausarzt aus Herzberg am Harz 

Ausweg über die eGK

„Es wird Zeit, dass diese Lösung kommt“, sagt Eckert. „Denn die Patientinnen und Patienten haben dann kein Papier mehr in der Hand, sondern brauchen in der Apotheke nur noch ihre Gesundheitskarte in das Lesegerät zu stecken, rufen so ihre offenen Rezepte ab und erhalten ihr Medikament. Mit dieser Lösung hat man zum Beispiel in Österreich sehr gute Erfahrungen gemacht.“ Eine schlanke Lösung ohne Medienbruch.

Manche Abläufe müssen sich ändern

Eine Hürde besteht derzeit in den veränderten Abläufen in den Praxen. Dort hat sich eingespielt, dass Patientinnen und Patienten, die ein Rezept bestellen und einen Termin benötigen, von der medizinischen Fachangestellten ihr Muster 16 plus Klebezettel mit dem Termin erhalten, nachdem die MFA kurz bei der Ärztin oder dem Arzt war und das Rezept hat unterschreiben lassen.
Das ist mit dem E-Rezept nicht mehr so einfach möglich, sagt Eckert. Denn die MFA können den Notizzettel erst dann aufkleben, wenn Eckert den QR-Code, mit dem die Patientin oder der Patient in die Apotheke gehen kann, ausgedruckt hat. „Und dies geschieht nicht unbedingt sofort, sondern manchmal erst am Folgetag“, berichtet Eckert. Das heißt: Für diesen Prozess braucht es eine neue Lösung. „Es sind etwa 20 Prozent der Rezepte, bei denen zusätzliche Informationen übertragen werden müssen. Diese Patientinnen und Patienten könnten mit der eGK-Lösung zukünftig nicht mehr so bedient werden“, sagt Eckert. „Aber wenn ich die verbleibenden 80 Prozent,die nur ein Rezept ohne Zusatzinfo brauchen, mit der eGK-Lösung nicht mehr in der Praxis habe, nur um ein Rezept auszugeben, dannist das natürlich eine große Erleichterung.“

Kleine Zeitersparnisse gibt es auch

Hilfreich ist auch die Möglichkeit, die Rezepte am Bildschirm zu verändern. „Früher musste ich dazu die Patientenkartei am Rechner aufrufen, um auf die Rezepte zuzugreifen“, berichtet Eckert. „Heute habe ich den Patienten schon aufgerufen, sobald ich sein E-Rezept auf dem Bildschirm öffne. Das sind die kleinen Zeitersparnisse.“
Besonders wichtig finden es Eckert und sein Kollege, das Praxispersonal rechtzeitig einzubinden. „Wir haben zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Praxis, da braucht es eine Menge Schulungen und Teamsitzungen, um die eingespielten Abläufe umzustellen“, sagt Eckert. Diesen Aufwand dürfe man nicht unterschätzen.
Und billig ist es im Übrigen auch nicht. „Wir bekommen zum Beispiel die Hardware erstattet, aber wenn etwas nicht läuft, ruft man schon oft mal auf eigene Kosten die Softwarefirma an.“ Auch die Aufwände für die Schulungen und Sitzungen mit den MFA bekomme man nicht erstattet. „Wer auf das E-Rezept umsteigt, muss erst mal mit einem vierstelligen Betrag an zusätzlichen Kosten rechnen“, sagt Eckert. Immerhin: Diese Kosten amortisieren sich dann mit der Zeit. 


Drei Wege zum E-Rezept

  1. E-Rezept-App
    Die eleganteste Lösung dürfte die Nutzung der Rezept-App sein. Die Ärztin oder der Arzt stellt das Rezept am Praxis PC aus, signiert es und legt es automatisch in der Telematikinfrastruktur auf dem E-Rezept-Server ab. Die Patientin oder der Patient bekommt nach Freischaltung mit eGK und PIN zum Beispiel über das Smartphone automatisch Zugriff auf einen sogenannten Token. Das ist ein elektronischer Schlüssel, mit dem das abgelegte Rezept eingelöst und direkt an die Apothekensoftware geschickt werden kann. Nun liegt das Rezept in der Apotheke elektronisch vor, und das Medikament wird zur Abholung bereitgestellt. Die Patientinnen und Patienten können mit ihrem Endgerät aber auch direkt in die Apotheke gehen und den Token dort einscannen lassen. Mit ihm löst die Apotheke dann das Rezept ein und gibt das Medikament aus. Alle Patientinnen und Patienten können ihre App auch für Angehörige freischalten und ihr Rezept von einer stellvertretenden Person einlösen lassen – eine hilfreiche Variante für Berufstätige oder für immobile Patientinnen oder Patienten und deren Angehörige.
  2. Papier-Token-Lösung
    Die derzeit am häufigsten genutzte Lösung ist wahrscheinlich die Papier-Token-Lösung. Genauso wie bei der Rezept-App stellt Ärztin oder Arzt das Rezept im Praxisverwaltungssystem aus, signieren es und hinterlegen es in der Telematikinfrastruktur. Aber der Token wird nicht über die App verfügbar gemacht, stattdessen erhalten Patientinnen und Patienten ihn von der Ärztin oder dem Arzt als QR-Code ausgedruckt auf einem Blatt Papier. Damit halten sie den Schlüssel für ihr Online-Rezept in der Hand. Mit ihm gehen sie zur Apotheke. Dort wird der Token eingelesen, und dieser Schlüssel öffnet den Zugang zum eigentlichen Rezept. Damit erhalten die Patientinnen und Patienten ihr Medikament. Das Kuriose an dem Vorgang: Ärztinnen und Ärzte drucken das E-Rezept auf Papier aus, damit der Inhalt – das eigentliche E-Rezept – in der Apotheke erneut gescannt werden kann. Das Papier kann dann weggeworfen werden.
  3. E-Rezept via eGK
    Die wohl praktischste Lösung dürfte die Verordnung über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) sein, die alle Versicherten schon besitzen. In diesem Fall könnten die Patientinnen und Patienten, nachdem Ärztin oder Arzt das Rezept in der Praxissoftware ausgestellt, signiert und in die TI hochgeladen hat, in den Apotheken einfach ihre eGK in ein Lesegerät stecken und dort das Rezept abrufen lassen. Der Stopp des E-Rezept-Tests in Westfalen-Lippe im vergangenen Dezember hing damit zusammen, dass zu dieser Zeit noch keine datenschutzkonforme Lösung dieser Anwendung verfügbar war. Nun steht die Technik kurz vor der Einführung. Sie soll noch im Laufe des Sommers verfügbar sein. So könnten zum Beispiel anhand der Krankenversicherungsnummer auf der eGK Rezeptinformationen abgerufen werden. In Österreich und anderen Ländern wird dieses System bereits erfolgreich praktiziert. Es ist so niedrigschwellig für die Bürgerinnen und Bürger, dass es andere Formen der Einlösung fast vollständig verdrängt hat.

So kommen Sie entspannt zum E-Rezept

Zu kompliziert die Materie, zu mager das Ergebnis, zu langwierig die Einführung: Viele Praxen schrecken bislang noch vor dem E-Rezept zurück. Doch mehr als 3.000 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland haben sich bereits in das Abenteuer E-Rezept gestürzt, noch bevor die Einführung Pflicht wird. Hausarzt Moritz Eckert aus Herzberg am Harz hat bereits vor fast anderthalb Jahren als Testanwender seines Softwareanbieters Erfahrungen mit dem E-Rezept gemacht:

Welche Tipps hält Eckert für Kolleginnen und Kollegen bereit, die das E-Rezept nutzen wollen?

Die elektronischen Voraussetzungen prüfen.

„Wir müssen genau schauen, wie das Praxisverwaltungssystem (PVS) das E-Rezept umsetzt.“ Was funktioniert, was nicht? Wie hat mein Softwarehaus die Hilfe für mich organisiert, per Text oder vielleicht über Schulungsvideos? Die verschiedenen PVS sind sehr unterschiedlich ausgestattet. So braucht man in den meisten PVS nur einen Haken zu setzen, um beispielsweise die Komfort- oder Stapelsignatur zu aktivieren. „Wenn man aber eine Software hat, die das elektronische Rezept nur schlecht oder schleppend verarbeiten kann, dann sollte man es mit diesem PVS ganz lassen“, sagt Eckert. Selbst der Wechsel des Anbieters könnte dann eine Option sein, wenn kein Weg mehr am E-Rezept vorbeiführt.

Nichts überstürzen.

Es wäre ein Fehler, das E-Rezept auf einen Schlag in der Praxis einführen zu wollen. „Man sollte nicht übermotiviert beginnen, sondern langsam, Schritt für Schritt“, empfiehlt Eckert. Dazu sei es hilfreich, vor die Einführung eine Testphase zu setzen, also einen Testpatienten, der im Praxisverwaltungssystem angelegt wird, für den man Signaturen erstellen kann, ohne einen sozialversicherungsrechtlich relevanten Fall anzulegen. Das empfiehlt auch die gematik.
https://www.gematik.de/newsroom/news-detail/aktuelles-dastest-e-rezept-ist-da

Medizinische Fachangestellte (MFA) früh einbinden.

Die Umstellung auf das E-Rezept bedeutet auch für Kolleginnen und Kollegen und die MFA eine große Veränderung. Denn hier wie überall sind die Gewohnheiten rund um „Muster 16“ tief in den Praxisabläufen drin und nur schwer zu verändern. Also braucht es viele Gespräche und Mitarbeiterschulungen, bis das E-Rezept funktioniert. Und es braucht
Entschlossenheit: „Wir haben das E-Rezept trotz mancher Stolpersteine in unserer Praxis schließlich zum Fliegen gebracht“, sagt Eckert.

Geduld haben – auch mit den Apotheken.

Auch die Apotheken müssen sich eingewöhnen in die neue Welt der E-Rezepte. Zwar müssen sie schon seit dem 1. September 2022 die E-Rezepte einlösen können. Aber nicht alle haben bereits praktische Erfahrungen gemacht. Eckert empfiehlt, Probleme kurzerhand mit einem Griff zum Telefon zu lösen, wenn etwa Rezepte korrigiert werden müssen. So lassen sich schnelle Lösungen finden, ohne Patientinnen und Patienten behelligen zu müssen.

Redaktion:
Springer Medizin, Postfach 21 31, 63243 Neu-Isenburg, Hauke Gerlof (V. i. S. d. P.)