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Die Anzahl der Vorsorgeuntersuchungen in den Praxen ist auf einem niedrigen Stand.
Das geht aus den Trendreports des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) hervor, die das Zi regelmäßig seit Sommer 2020 erstellt. Ein Grund ist, dass während der Corona-Pandemie die Behandlung von Patienten mit akuten Infekten oder auch Impfungen wichtiger waren, als beispielsweise der Check-up 35 oder das Screening auf Bauchaortenaneurysma. Die Zahlen des Zi zeigen, dass bei manchen Vorsorgeleistungen, etwa in der Darmkrebsvorsorge oder bei den Früherkennungsuntersuchungen für Kin-der, die Vor-Pandemie-Zahlen mittlerweile zwar wieder erreicht werden, bei anderen Leistungen wurden die Einbrüche dagegen selbst 2022 noch nicht wieder ausgeglichen, zum Beispiel beim Hautkrebsscreening.

Mit individuellem Ansatz zum Erfolg

Die Zahlen des Zentralinstituts sind aber nur die eine Seite, die andere sind die individuellen Abläufe in den Praxen. Diese Erfahrung  hat Praxisberater Johannes Weyand von HCC BetterCare in Köln gemacht. Weyand hat bereits vor der Pandemie beobachtet, dass viele Praxen das Potenzial der Vorsorgeleistungen bei weitem nicht ausschöpfen. Hausarztpraxen, so Weyand, könnten zum Beispiel als Faustformel nehmen, dass knapp zehn Prozent der Patienten ab 35 Jahren in jedem Quartal die Gesundheitsuntersuchung angeboten werden könnte. „Viele Praxen erreichten nicht einmal die Hälfte davon oder bleiben selbst davon weit entfernt“, sagt Weyand, der Praxen bei der Abrechnung und der Leistungsgestaltung berät. Weyand hat für HCC BetterCare eine Datenbank mit aktuell rund 600.000 anonymisierten Patientinnen und Patienten aufgebaut:  Darüber lässt sich verfolgen, bei welchen Patienten über die Quartale hinweg welche Leistungen erbracht und abgerechnet wurden. Das reale Leistungsgeschehen gleicht Weyand dann mit dem ab, was möglich gewesen wäre – zum Beispiel, wenn bereits seit drei  Jahren kein Hautkrebsscreening durchgeführt worden ist, das eigentlich alle zwei Jahre in Anspruch genommen werden kann. 

Fünf- bis sechsstellige Beträge im Quartal

Das lohnt sich auch finanziell: Wer konsequent darauf achtet, dass Vorsorgeleistungen, auf den Anspruch besteht, auch erbracht wer-den, könne für die Praxis hohe zusätzliche Abrechnungspotenziale erschließen, sagt Weyand. Dasselbe gelte auch für Leistungen, auf die chronisch kranke Patientinnen und Patienten Anspruch haben. Insgesamt gehe es um zusätzliche Honorarumsätze je Quartal in fünfstelliger Höhe. In großen Praxen seien es sogar manchmal sechsstellige Beträge im Quartal. Hinzu komme, dass es nicht nur um das zusätzliche Honorar gehe, sondern auch um eine bessere Versorgung der Patienten. Die fühl-ten sich dann gut betreut, wenn das Praxisteam sie auf eine anstehende Vorsorgeleistung anspricht. Immerhin besteht bei einer Vorsor-geleistung wie dem Check-up 35 die Chance, dass schwere Erkrankungen früh erkannt werden, so dass sie noch gut behandelbar sind. Und wenn alle Befunde in Ordnung sind, gibt das ein sicheres Gefühl. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich ebenfalls gut abgeholt, wenn sie die neuen Abläufe mit entwickeln, eigenverantwort-lich Patienten ansprechen und dann sehen, wie sie zum Praxiserfolg beitragen können“, ergänzt Weyand. Das trage zur Zufriedenheit bei – und damit stärke es die Mitarbeiterbindung. „Und wenn es gut läuft, können Sie noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Erfolg beteiligen“, empfiehlt der Praxisberater. 

Einfache Abläufe dank Praxisverwaltungssystem

Die konsequente Umsetzung der Prozesse, damit keine Vorsorgeleistungen mehr vergessen werden, liegt dann beim Praxisteam –  zusammen mit der Praxisleitung. Dazu gehört beispielsweise, die Patientenansprache, Blutabnahme oder auch eine zusätzliche  körperliche Untersuchung, wenn zum Beispiel ein Check-up 35 ansteht.Natürlich kann niemand im Kopf haben, wann bei welchem Patienten gerade ein Check-up oder eine Darmkrebsvorsorge oder ein Screening auf ein Bauchaortenaneurysma ansteht. Für die Praxissoftware (Praxisverwaltungssystem, PVS) ist das allerdings kein Problem. Tatjana Kleimann, Praxismanagerin in der Praxis Dr. Marcel Fiebrich in Sulzbach-Neuweiler bei Saarbrücken, nutzt im PVS dafür  sogenannte Patientenmarker. „Wenn eine Patientin oder ein Patient an den Empfang kommt oder anruft und die MFA die entsprechende Kartei aufruft, dann erkennt sie auf einen Blick, welche Vorsorgeleistungen gerade anstehen“, erläutert Kleimann. Wenn es beispielsweise um die Gesundheitsuntersuchung geht, dann wird darauf in einer gelblich grünen Schrift hingewiesen:  „Achtung, GU steht an“ oder ähnlich heißt es dann. Die Abläufe, die bei einem solchen Hinweis der Software hinterlegt sind, unterscheiden sich dann nur nach der Leistung, um die es geht: 

Dabei kommen die Top Ten der IGeL in Praxen laut IGeL-Report 2020 schlecht weg. Diese sind:

Darmkrebsvorsorge: Patient oder Patientin erhält einen IFOB-Test und einen Termin zur Abgabe des Tests und zur Beratung.

Laboruntersuchung: Blutabnahme entweder unmittelbar in der Praxis, oder ein Termin wird vereinbart.

Zusätzlich mögliche Leistungen: (z.B. beim Check-up 35 häufig das Hautkrebsscreening) Die Software gibt einen Hinweis. Die Untersuchung bei der Ärztin oder dem Arzt wird dann entsprechend länger geplant.

Beratung/Aufklärung zur Organspende: Die Software verweist auf die Möglichkeit dieser neuen Leistung. Der Zeitbedarf je Untersuchung oder Beratung wird vorher vom Team definiert.

Anderer Besuchsanlass: Ist ein Patient oder eine Patientin z.B. zu einem DMP-Termin in der Praxis, erfolgt die Ansprache direkt während dieses Termins, zum Beispiel im Labor.

Recall: Um Patientinnen oder Patienten ansprechen zu können, die nicht in der Praxis erscheinen oder dort anrufen, erstellt das Praxisteam Suchlisten. Wer sein Einverständnis gegeben hat, bekommt dann einen vorformulierten Brief mit der Erinnerung, sich für die anstehende Leistung in der Praxis zu melden. Auch über elektronische Medien können diese Erinnerungen mit Einverständnis geschickt werden.

Chronisch kranke Patienten: Das PVS kann, gekoppelt an bestimmte Diagnosen, daran erinnern, dass eine Einschreibung ins Disease Management Programm (DMP) möglich ist. Auch die Kontakthäufigkeit – mindestens ein Besuch im Quartal – lässt sich über die Software nachhalten.

Keine Spezialfunktion nur eines Anbieters

Derartige Suchfunktionen seien in der Regel bei allen etablierten Programmen auf dem Markt verfügbar, sagt Tatjana Kleimann. Wenn in einer Praxis nicht bekannt ist, wie eine Software auf fehlende Leistungen hinweisen kann, dann lasse sich dafür das Online-Handbuch der Software nutzen. Alternativ könne ein Anruf beim Service-Partner des Softwareherstellers oder direkt bei der Hotline weiterhelfen.

In Zeiten mit hoher Inflation und steigender Praxiskosten lohne sich der Aufwand mit der Software allemal, um mit mehr Vorsorge- leistungen zusätzliches extrabudgetär gezahltes Honorar zu gewinnen.


Die wichtigsten Vorsorgeleistungen im EBM


Die Entwicklung der Mengen einzelner Präventionsleistungen ist im Trendreport des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland festgehalten. Die Ergebnisse sind im Internet abrufbar:  
https://www.zi.de/fileadmin/Downloads/Service/Publikationen/Trendreport_7_Leistungsinanspruchnahme_COVID_2022-12-08.pdf

Redaktion:
Springer Medizin, Postfach 2131, 63243 Neu-Isenburg, Hauke Gerlof (V. i. S. d. P.)