spainter_vfx / Adobe Stock

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Nach einem außergewöhnlich guten Jahr 2021 für den Technologiesektor brachen die Aktienkurse des Sektors im Zuge der Energiekrise und der sich eintrübenden Wachstumsaussichten 2022 ein. Noch bedeutender für den Kurseinbruch war, dass mit den steigenden Inflationsraten die Notenbanken die Zinsschrauben anzogen, was zu einer Verschlechterung der Finanzierungskonditionen für Unternehmen führte. Zudem schmälern höhere Zinsen den Barwert zukünftiger Unternehmensgewinne. Den Technologiesektor trifft dies besonders hart. Denn viele seiner jungen und innovativen Unternehmen sind heute wenig profitabel – ihre Attraktivität für Anleger basiert daher hauptsächlich auf den hohen Gewinnerwartungen für die Zukunft. Vor diesem Hintergrund verlor der NASDAQ 100 im Jahr 2022 in US-Dollar gerechnet rund ein Drittel seines Wertes. Das ist deutlich mehr als beim breit aufgestellten US-Leitindex S&P 500, der um 20 Prozent nachgab.

Neues Kurspotential bei Tech?

Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist.

Trotz der zuletzt deutlichen Kursverluste liegt das von den Analysten auf die nächsten zwölf Monate erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis des Techsektors im S&P 500 mit 21,5 nach wie vor rund 15 Prozent über dem 10-jährigen Mittel. Sind Technologieaktien damit immer noch zu teuer, oder könnte sich ein Einstieg jetzt wieder lohnen? Zur Beantwortung dieser Frage ist ein genauerer Blick erforderlich.

Bei der Suche nach interessanten Technologieaktien könnten sich Anleger an folgenden Kriterien orientieren: der Größe des Unternehmens sowie dessen Geschäftsfeld unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede. Größere Unternehmen sind grundsätzlich widerstandsfähiger gegenüber wirtschaftlichen Abschwüngen. Viele Großkonzerne aus dem Technologiesektor (Big Tech) verfügen zudem über hohe Cash-Reserven, die unter anderem Zukäufe innovativer kleinerer Unternehmen ermöglichen, um das eigene Geschäftsmodell zu optimieren und zu diversifizieren.

Wichtigstes Kriterium bei der Entscheidung für ein Tech-Investment ist jedoch der Subsektor, in dem das Unternehmen maßgeblich tätig ist – mit all seinen regionalen Besonderheiten, derzeit vor allem im Hinblick auf die Zins- und Inflationslandschaft. So haben sich unter anderem in den USA und in der Eurozone die Finanzkonditionen der Unternehmen aufgrund der geldpolitischen Straffungen verschlechtert. Hohe Teuerungsraten wiederum belasten den privaten Konsum und damit den wirtschaftlichen Ausblick. Unternehmen, die hier eine hohe regionale Abhängigkeit aufweisen, dürften weiterhin unter Druck stehen. Das könnte unter anderem die Hersteller von Computerhardware oder Streamingdienste betreffen. Ebenfalls herausfordernd scheint das Umfeld für Halbleiterproduzenten, die sich nach der coronabedingten Sonderkonjunktur nun Nachfragerückgängen gegenübersehen – auch aufgrund der Handelsbeschränkungen im Zuge politischer Spannungen vor allem zwischen den USA und China. Die Analystengemeinde (Konsensus) erwartet für das Jahr 2023 einen Gewinnrückgang im Halbleitersektor des S&P 500 von fast 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei Unternehmen, die im Bereich Onlinewerbung aktiv sind, etwa Suchmaschinen und Social-Media-Dienste, ist kurzfristig mit sinkenden Kundenbudgets und damit Umsätzen zu rechnen. Hinzu kommen strukturelle Risiken durch verstärkte Datenschutzbestrebungen, sowohl von staatlichen Stellen als auch seitens einzelner Gerätehersteller.

„Technologieaktien: In diese Subsektoren könnte sich der Einstieg jetzt wieder lohnen.“

Besser hingegen dürften die Aussichten für Anbieter von Unternehmenssoftware sein, die ihren Kunden zunehmend Abo-Modelle verkaufen können und dadurch weniger konjunkturanfällig geworden sind. Das Cloud-Geschäft insgesamt – also einschließlich Anbietern von entsprechenden Servern und Speichern – scheint ebenfalls langfristig an Bedeutung zu gewinnen.

Diese Entwicklungen dürften auch dem Sektor Cybersicherheit zugutekommen, der einen zusätzlichen Schub durch die aktuellen geopolitischen Verwerfungen bekommen könnte. Aufgrund einer hohen Preissetzungsmacht der entsprechenden Unternehmen sind im Bereich Software und Services stabile Margen und Erträge zu erwarten. Der Konsensus für den entsprechenden Subsektor im S&P 500 geht von einem Gewinnwachstum im laufenden Jahr von gut 8 Prozent aus.

Das Gesamtmarktumfeld für Technologieaktien sollte kurz- bis mittelfristig herausfordernd bleiben, zumal weitere bislang noch nicht antizipierte Leitzinsanhebungen nicht ausgeschlossen werden können. Langfristig könnte der Sektor für entsprechend risikobereite Anleger jedoch weiterhin sehr interessante Anlagemöglichkeiten bieten. Denn Themen wie Produktivität und Automatisierung sind für viele Unternehmen der Schlüssel zur Kompensation des strukturellen Fachkräftemangels und letztlich eine wichtige volkswirtschaftliche Grundlage für künftiges Wachstum und Wohlstand. Im Blick behalten sollten Anleger vor allem Risiken durch eine zunehmende Regulierung des Sektors sowie geopolitische Herausforderungen, beispielsweise im Rahmen des sich zuspitzenden Kampfs um die technologische Vorherrschaft zwischen den USA, Europa und China.

Für die Gewichtung des Portfolios sollten Anleger zudem die von großen Indexanbietern für Mitte März angekündigten Änderungen an ihrer Taxonomie für den Global Industry Classification Standard berücksichtigen, einem weltweit anerkannten Standard zur Gliederung von Unternehmen in bestimmte Sektoren. Dadurch würden etwa Zahlungsdienstleister vom IT- in den Finanzsektor wechseln. Die Folge wäre, dass der IT-Sektor im S&P 500 sein dritt- und fünftgrößtes Unternehmen und eine Gesamtmarktkapitalisierung von rund einer Billion US-Dollar an den Finanzsektor verliert. Anleger sollten daher prüfen, ob sie das Konzentrationsrisiko im neuen IT-Sektor akzeptieren und ihre Investmenterwägungen daran anpassen wollen, dass der Finanzsektor bald stärker technologie- und weniger bankenlastig ausgerichtet sein wird.

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Redaktionsschluss: 30. Januar 2023, 15 Uhr