24. Juli 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
die USA und Japan einigen sich auf Zollsenkungen und Investitionen, globale Leistungsbilanzungleichgewichte nehmen wieder zu, und europäische Nebenwerte zeigen nach langer Schwäche relative Stärke.
Handelsdeal USA–Japan bringt Investitionen – und Risiken
US-Präsident Donald Trump kündigte am Mittwoch eine Einigung im Handelskonflikt mit Japan an. Die bislang wenig detaillierte Vereinbarung sieht vor, dass die USA ihre sogenannten reziproken Zölle auf Importe aus Japan von 25 auf 15 Prozent senken. Auch die Autozölle sollen von 27,5 auf 15 Prozent reduziert werden. Im Gegenzug will Japan 550 Milliarden US-Dollar in den USA investieren, seinen Markt für amerikanische Autos und Agrarprodukte öffnen und sich an einem Flüssiggasprojekt in Alaska beteiligen. Das Abkommen folgt auf die Oberhauswahlen vom vergangenen Sonntag, nach denen Wirtschaftsminister Ryōsei Akazawa mehr Spielraum für Zugeständnisse erhalten hat. Die Zollsenkungen dürften Japans Wirtschaft stützen, denn allein die Autoexporte in die USA machen rund 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Noch ist unklar, ob die USA sogenannte Transshipment-Beschränkungen einführen, die japanische Elektronikexporteure treffen könnten. Auch bei den Agrarprodukten gibt es widersprüchliche Aussagen: Trump spricht von einer Marktöffnung für Reis, während Premierminister Shigeru Ishiba jegliche Zollsenkungen bestreitet. Angesichts der erwarteten Wachstumsimpulse könnte die Bank of Japan im Oktober den Leitzins auf 0,75 Prozent anheben. Der Nikkei 225 Index legte gestern bereits um 3,5 Prozent zu.
Mit dieser Vereinbarung wird der US-Präsident sein Ziel, das Leistungsbilanzdefizit der USA zu verringern, kaum erreichen – eher im Gegenteil. Höhere Investitionen in den USA führen zu Kapitalzuflüssen, die wiederum zusätzliche Importe nach sich ziehen – das sind die Grundlagen der Zahlungsbilanz. Die Mitspracherechte der US-Regierung bei den Investitionen in Höhe von 550 Milliarden US-Dollar stehen zudem im Widerspruch zu wirtschaftlicher Freiheit und erinnern eher an staatliche Lenkung. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman warnt davor, dass politische Einflussnahme auf Investitionen eine Wirtschaftsordnung begünstigt, in der politischer Zugang wichtiger wird als die Qualität von Produkten. Einen ähnlichen Effekt haben bereits die Zölle erzeugt: Unternehmen können sich hinter der vermeintlichen Schutzmauer dem Wettbewerb entziehen. Die neuen Einfuhrzölle in Höhe von 15 Prozent liegen deutlich über dem bisherigen Durchschnitt von rund 1,6 Prozent. Entgegen den Behauptungen tragen nicht die japanischen Exporteure die Last der Zölle – denn die Importpreise sind gestiegen, nicht gefallen. Bisher haben US-Unternehmen die Mehrkosten abgefedert, um ihre Kunden zu halten, teils durch Vorabimporte. Sollte der Zollsatz von 15 Prozent bestehen bleiben, werden die Preise steigen. Eine Inflationswelle ist ebenso absehbar wie eine zögerliche Haltung der US-Notenbank in Bezug auf Zinssenkungen – auch wenn der Präsident sich diese wünscht.
Weltwirtschaft: Ungleichgewichte kehren zurück
Die globalen Leistungsbilanzsalden haben sich im vergangenen Jahr gemessen am weltweiten Bruttoinlandsprodukt deutlich ausgeweitet. Die Unterschiede zwischen den Überschüssen und Defiziten einzelner Länder sind also erstmals seit der Weltfinanzkrise spürbar größer geworden. Zwei Drittel dieser Ausweitung gehen auf Chinas Überschüsse und das US-Defizit zurück. Solche Ungleichgewichte sind nicht grundsätzlich problematisch, können jedoch Risiken bergen. Länder mit Defiziten riskieren Kapitalabfluss, während Überschussländer anderen Regionen Wachstum entziehen. Häufig entstehen diese Ungleichgewichte durch nationale Verzerrungen – etwa durch eine zu expansive Fiskalpolitik oder ein schwach ausgebautes Sozialsystem. Um gegenzusteuern, müssten Länder mit Überschüssen – wie China und viele europäische Staaten – ihre Investitionen und den Konsum stärken; Defizitländer profitieren von Haushaltskonsolidierung und Ausgabendisziplin. Protektionismus ist hingegen keine sinnvolle Lösung, da er den Wohlstand insgesamt mindert.
Europas Nebenwerte holen auf
Europäische Nebenwerte hinkten lange dem Gesamtmarkt hinterher – belastet durch schwache Konjunktur, hohe Energiepreise und steigende Finanzierungskosten. Seit März zeigen sie jedoch relative Stärke. Gründe sind bessere wirtschaftliche Aussichten in Europa, gestützt durch staatliche Ausgabenprogramme, sowie Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank. Analysten haben ihre Gewinnerwartungen für Nebenwerte weniger stark gesenkt, auch weil diese weniger unter dem starken US-Dollar leiden. Die Bewertung bleibt attraktiv: Der STOXX 200 Small Index liegt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13,5 rund 15 Prozent unter dem Zehn-Jahres-Durchschnitt. Auch der Abschlag von fünf Prozent gegenüber dem STOXX 600 ist historisch hoch.
Zölle ab August? Markt unterschätzt das Risiko
Allzeithochs an den US-Börsen, starke Zahlen von Big Tech – und dennoch mehren sich die Warnsignale. Können Zölle, politische Spannungen und eine zögerliche Fed die Stimmung kippen? Ob die Märkte zu sorglos sind und was das für die kommenden Wochen bedeutet, diskutieren Finanzjournalistin Jessica Schwarzer und ich in der aktuellen Folge von PERSPEKTIVEN To Go.
Zahl des Tages: 1,8
Das Argument, die Menschheit habe keine zweite Welt im Kofferraum, wird gern von denjenigen vorgebracht, die sich Sorgen um die Zukunft der Erde machen. Ein Ausdruck dieser Sorge ist der „Earth Overshoot Day“: der Tag, an dem wir rechnerisch die natürlichen Ressourcen des Planeten für das laufende Jahr aufgebraucht haben. 2025 fällt der Tag auf den 24. Juli – was bedeutet, dass die Welt in diesem Jahr das 1,8-Fache ihrer jährlich zur Verfügung stehenden Ressourcen verbrauchen wird. Wie das Global Footprint Network und die kanadische York University berechnet haben, leisten die einzelnen Länder dazu unterschiedliche Beiträge. Deutschland steht eher auf der verschwenderischen Seite: Würde die ganze Welt so wirtschaften wie wir, wäre der „Earth Overshoot Day“ in diesem Jahr schon am 3. Mai gewesen.
Ich wünsche Ihnen einen ressourcenschonenden Tag.
Herzlichst

Ihr Ulrich Stephan
Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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