3. September 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
30-jährige britische Staatsanleiherenditen steigen auf ein 27-Jahres-Hoch, ein wichtiger Frühindikator für die US-Industrie bleibt unter der Wachstumsschwelle, und US-Zölle belasten Asiens Industrie.
Märkte zweifeln an britischer Fiskalpolitik
Die Rendite 30-jähriger britischer Staatsanleihen kletterte gestern auf 5,715 Prozent – ein Niveau, das zuletzt 1998 erreicht wurde.
Auch bei kürzeren Laufzeiten legten die Renditen deutlich zu. So rentierten 20-jährige britische Staatsanleihen höher als vergleichbare Titel aus „kleineren Ländern“ wie Tschechien, Polen oder Israel. Der starke Anstieg spiegelt die Sorge vieler Marktteilnehmer wider: Das für Anfang November erwartete Herbstbudget von Schatzkanzlerin Rachel Reeves dürfte das auf 51 Milliarden Britische Pfund geschätzte Haushaltsdefizit für 2026 kaum spürbar senken – und wohl nicht ohne Steuererhöhungen auskommen. Zusätzliche Belastungen auf einem bereits hohen Steuerniveau könnten das Wirtschaftswachstum bremsen und damit die öffentlichen Finanzen weiter unter Druck setzen. Bleibt ein glaubwürdiger Plan zur Ausgabenkürzung aus, dürfte der Renditeauftrieb anhalten.
Hohe Renditen stärken unter normalen Umständen die Währungen der jeweiligen Länder, da sie Kapital aus dem Ausland anziehen. Der jüngste Renditeanstieg in Großbritannien führte jedoch zu einer Verkaufswelle beim Pfund Sterling, das gegenüber dem US-Dollar rund 1,4 Prozent verlor. Auslöser war die verbreitete Einschätzung, dass steigende Staatsverschuldung höhere Renditen nach sich zieht, was die Schuldenproblematik weiter verschärft und die Renditen erneut steigen lässt. Diese Sorgen betreffen nicht nur Großbritannien: Auch die Renditen 30-jähriger Staatsanleihen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden erreichten gestern den höchsten Stand seit 2011. In den USA näherten sie sich der Fünf-Prozent-Marke. Die Unsicherheit belastete die Aktienmärkte in Europa und den USA, während der US-Dollar auf breiter Front zulegte. Die kritische Haltung der Finanzmärkte gegenüber wachsender Staatsverschuldung und die damit verbundenen höheren Risikoaufschläge dürften vorerst bestehen bleiben.
US-Industrie schwächelt weiter: Fed-Zinssenkung rückt näher
Der ISM-Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie – ein wichtiger Frühindikator – zeigte ein gemischtes Bild: Zwar stieg der Index von 48,0 auf 48,7 Punkte, doch die Märkte hatten mit einem stärkeren Anstieg auf 49,0 gerechnet. Damit bleibt der Wert weiterhin unter der Schwelle von 50 Punkten, was auf eine schrumpfende Wirtschaftsleistung hindeutet. Positiv überraschte der Teilindex für Neuaufträge, der deutlich von 47,1 auf 51,4 Punkte zulegte. Dagegen enttäuschte der Beschäftigungsindex, der nur leicht von 43,4 auf 43,8 Punkte stieg – erwartet worden war ein Wert von 45,0. Die Produktion ging stärker zurück als prognostiziert, während die Preise entgegen den Erwartungen leicht nachgaben. Insgesamt liefert der ISM-Index keinen Anlass, die Erwartungen an eine baldige Zinssenkung durch die Fed zurückzunehmen. Im Gegenteil: An den Terminmärkten stieg die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung in zwei Wochen leicht auf 92 Prozent. Die US-Renditen gaben etwas nach, und der US-Dollar büßte einen Teil seiner Tagesgewinne wieder ein.
US-Zölle belasten Asiens Industrie – Indien sticht heraus
US-Zölle belasten Asiens Verarbeitendes Gewerbe weiter – China überrascht jedoch. Der chinesische Einkaufsmanagerindex stieg im August um 1,0 auf 50,5 Punkte und signalisiert Expansion. Doch die Erholung bleibt fragil – schwache Inlandsnachfrage, rückläufige Exportaufträge und die schleppende Entwicklung am Immobilienmarkt setzen die Wirtschaft weiter unter Druck. Auch andere exportorientierte Länder der Region leiden unter US-Zöllen, aber ebenso unter chinesischen Überkapazitäten. Zwar verbesserten sich die Industrieindizes in Japan, Südkorea und Taiwan, blieben aber unter der Wachstumsschwelle. Japan und Südkorea haben bereits Vereinbarungen mit den USA getroffen, was den Druck etwas mindert. Taiwan verhandelt noch und bleibt klar im Schrumpfungsbereich. Während Industriefirmen unter der schwachen Exportlage leiden, könnten Dienstleister besser mit den neuen Handelsbedingungen umgehen. Indien sticht heraus: Der Industrieindex war mit 59,3 Punkten so hoch wie seit 17 Jahren nicht. Die Folgen der neuen US-Zölle von 50 Prozent – die ab dem 27. August in Kraft treten – sind jedoch noch nicht absehbar.
Herbstkorrektur oder neue Rekorde?
Droht im Herbst eine Korrektur an den Börsen – oder stehen neue Rekorde bevor? Zinsen, Zölle, Inflation und Geopolitik sorgen für Unsicherheit und Gesprächsstoff unter Anlegern. Die aktuelle Lage von Wirtschaft und Märkten analysieren Finanzjournalistin Jessica Schwarzer und ich in der aktuellen Folge von PERSPEKTIVEN To Go.
Zahl des Tages: 511
Zypern ist die Heimat einer artistischen Tradition, bei der Scherben kein Glück bringen: Die Künstler tragen Trinkgläser auf dem Kopf, während sie einen kleinen Tanz aufführen. Und natürlich stellen sie dabei ab und zu Rekorde auf. Der neueste stammt von Aristotelis Valaoritis, der die Kunst seit 30 Jahren ausübt. Der 64-Jährige balancierte mehrere Tabletts mit insgesamt 511 Weingläsern 15 Sekunden lang auf dem Kopf. Um die über 63 Kilogramm schwere Last anzuheben, brauchte Valaoritis die Hilfe eines Gabelstaplers – auf das Tänzchen hat der Rekordhalter dabei sicherheitshalber verzichtet.
Behalten Sie heute die Balance.
Herzlichst

Ihr Ulrich Stephan
Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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