31. Oktober 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
das USA-China-Verhältnis beruhigt sich, Japans Aktienmarkt setzt seine Rally fort, und Europas IT-Konzerne zeigen eine durchwachsene Bilanz.
USA–China: Deeskalation im Handelsstreit
Das Treffen zwischen Präsident Donald Trump und Präsident Xi Jinping markiert eine deutliche Deeskalation im US-China-Verhältnis. Beide Seiten vereinbarten eine einjährige Aussetzung jüngster Eskalationsmaßnahmen: Die USA setzen Exportkontrollen für Chips (Ausnahme Blackwell) und Hafengebührerhöhungen aus, China stoppt neuere Beschränkungen für Seltene Erden. Zudem wird der bestehende Handelsfrieden um ein Jahr verlängert – die USA senken Zölle auf Fentanyl-Produkte um zehn Prozent. China hebt Gegenzölle auf US-Agrargüter auf und sagt Käufe von US-Soja zu. Auch über den TikTok-Verkauf wurde gesprochen. Strategische Differenzen bleiben jedoch bei Halbleitern und Seltenen Erden bestehen, wo beide Länder unabhängige Lieferketten aufbauen wollen. Das Treffen verlief in konstruktiver Atmosphäre und bereitet gegenseitige Staatsbesuche 2026 sowie Kooperationen bei APEC- und G20-Gipfeln vor. Die Vereinbarungen bestätigen den Willen beider Seiten zur Verhandlung statt Eskalation. Die Börsen reagierten kaum auf die Meldungen, da die Vereinbarungen nicht gerade als großer Durchbruch zu werten sind und viele Details zunächst offen blieben. Abgesehen davon waren die zuvor auf der Asienreise des US-Präsidenten beschlossenen Handelsvereinbarungen mit Korea und Japan bereits eingepreist.
Zinsentscheid: EZB bleibt auf Kurs
Wie erwartet beließ die Europäische Zentralbank (EZB) auf ihrer gestrigen Sitzung die Leitzinsen zum dritten Mal in Folge unverändert; der Einlagensatz liegt weiterhin bei 2,0 Prozent. Die weitläufig erwartete EZB-Entscheidung hatte nur geringen Einfluss auf die Finanzmärkte. Die Anlegerstimmung wurde von den restriktiven Signalen der US-Notenbank vom Vortag bestimmt. Trotz US-Zöllen und des „herausfordernden globalen Umfelds“ zeigte sich die Wirtschaft resilient. Passend dazu übertraf die gestern veröffentlichte Schnellschätzung des Bruttoinlandsproduktes der Eurozone für das dritte Quartal mit einem Anstieg von 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal die Erwartungen der Analysten und der EZB. Die konjunkturelle Widerstandsfähigkeit bremst die taubenhafteren Mitglieder des EZB-Rats und stärkt die Befürworter eines abwartenden Kurses. Wie die EZB dürften sich auch die Märkte mit Blick auf die nächste Sitzung in den kommenden Wochen im Datenbeobachtungsmodus befinden. Neue makroökonomische Projektionen könnten auf der Dezember-Sitzung für mehr Spannung sorgen, wenngleich die Messlatte nach der gestrigen Sitzung nicht besonders hoch liegt. Mittelfristig preisen die Märkte einen leichten Lockerungs-Bias ein, bis Ende des dritten Quartals 2026 in etwa eine halbe Zinssenkung.
Japan: „Takaichinomics“ erfreut Investoren
Auch die Bank of Japan (BoJ) hat den Leitzins unverändert gelassen. Gouverneur Ueda betonte, dass es keinen festen Zeitplan für Erhöhungen gibt. Daraufhin fiel der Yen auf ein Acht-Monats-Tief gegenüber dem US-Dollar und erreichte ein Rekordtief gegenüber dem Euro. Der japanische Aktienmarkt setzte seine Rally fort und notiert aktuell auf Rekordhöhen. Die Entscheidung wurde durch die Haltung der neuen Premierministerin Sanae Takaichi beeinflusst, die sich gegen Zinserhöhungen ausspricht und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Regierung und BoJ befürwortet – was den Yen schwach halten und die Exporte stützen könnte. Darüber hinaus plant Takaichi zusätzliche Ausgaben, Steuererleichterungen und Investitionen, die den Binnenmarkt ankurbeln sollen. Das Interesse globaler Investoren an Japan stieg aufgrund von „Takaichinomics“ deutlich. Zwischen den Wochen von Takaichis Wahl zur LDP-Vorsitzenden und zur Premierministerin haben ausländische Investoren rund 6,5 Billionen Yen (36 Milliarden Euro) in japanische Aktien investiert – der größte Zufluss innerhalb eines Vier-Wochen-Zeitraums seit mindestens 2005. Analysten zeigen sich optimistisch und haben ihre Gewinnprognosen für die im MSCI Japan gelisteten Unternehmen für das laufende und die beiden kommenden Geschäftsjahre um rund 0,5 Prozent nach oben korrigiert. Das erwartete Gewinnwachstum für 2026 und 2027 liegt nun bei 12,3 und 9,0 Prozent.
USA–China: kurz vor Einigung?
China und die USA haben sich im Handels- und Technologiestreit angenähert. Wird es diese Woche zu einer Lösung kommen? Außerdem sorgt eine starke Berichtssaison für Spannung an den Märkten, die Ölpreise reagieren auf die Sanktionen gegen Russland und Gold erfährt einen Rücksetzer. Was das für Wirtschaft und Märkte bedeutet, diskutiere ich mit der Finanzjournalistin Jessica Schwarzer in der aktuellen Folge von PERSPEKTIVEN To Go.
Europas Tech-Märkte laufen hinterher
Während US-Technologieaktien neue Höchststände erreichen, bleibt die Performance europäischer IT-Werte in der zweiten Jahreshälfte durchwachsen. Die Ursachen sind vielschichtig: Einerseits profitieren viele europäische Technologieunternehmen nicht im gleichen Maße vom aktuellen Boom der KI-Rechenzentren. Andererseits kommt es im Software- und Servicesubsegment zu verlängerten Vertragszyklen, da Unternehmen Abschlüsse aufgrund der handelspolitischen Unsicherheiten aufschieben. Seit Februar 2025 haben Analysten daher bei vielen europäischen Unternehmen die Gewinnerwartungen gesenkt. Dennoch ist das Bild nicht durchweg negativ: Für 2026 wird immerhin noch ein durchschnittliches Gewinnwachstum von rund 13 Prozent erwartet – ein solides Plus. Mit einem prognostizierten Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 26 für das Jahr 2026 erscheint der Sektor jedoch bereits ausreichend bepreist. Angesichts robuster Zahlen aus den USA und falls Impulse aus Europa ausbleiben, halte ich eine anhaltend stärkere Entwicklung der US-Technologiewerte für möglich.
Was diese Woche wichtig wird
Im Laufe der Woche, Berichtssaison
- Europa | In dieser Woche legen 90 Unternehmen aus dem STOXX 600 ihre Gewinne vor, unter anderem Intesa Sanpaolo, Société Générale, Shell, Puma, TotalEnergies, Crédit Agricole, Volkswagen, Standard Chartered, Mercedes-Benz, Deutsche Bank, adidas, BASF, UBS, ASM International, Novartis, BNP Paribas, Deutsche Börse.
- USA | Aus dem S&P 500 berichten 172 Unternehmen, darunter PayPal, Visa, Booking Holdings, Boeing, Kraft Heinz, Verizon Communications, Caterpillar, Alphabet, Meta, Microsoft, Starbucks, Chipotle Mexican Grill, Estée Lauder, Eli Lilly, Mastercard, S&P Global, Apple, Amazon, Linde, ExxonMobil.
- Asien | Unter anderem berichten aus Japan Keyence, Panasonic, Tokyo Electron; aus Hongkong HSBC, Ping An Insurance, Bank of China Industrial & Commercial Bank, China Construction Bank, BYD, PetroChina; aus Indien Bharat Electronics, Maruti Suzuki India, Cipla, ITC, Coal India, Larsen & Toubro, Kotak Mahindra Bank; aus Südkorea Samsung Electronics, LG Chem, LG Electronics; aus Taiwan MediaTek.
Zahl des Tages: 12
Wenn Sie diesen Newsletter heute auf dem Weg ins Büro lesen, leben Sie vermutlich im Süden oder Westen der Republik – oder in Berlin. Denn überall dort ist der heutige Reformationstag ein ganz normaler Arbeitstag, während der Rest des Landes einen gesetzlichen Feiertag begeht. Dennoch steht der Süden übers Jahr verteilt gut da. Mit mindestens zwölf gesetzlichen Feiertagen haben die Arbeitnehmer in Bayern und Baden-Württemberg am häufigsten frei. Besonders gut schneiden Beschäftigte in Augsburg ab: Sie profitieren nicht nur von einem Zusatzfeiertag als überwiegend katholische Gemeinde, sondern dürfen auch zum Augsburger Friedensfest zu Hause bleiben – somit gewährt die Stadt ihnen volle 14 arbeitsfreie Tage im Jahr.
Ich wünsche Ihnen einen entspannten Tag.
Herzlichst
Ihr Ulrich Stephan
Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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