Gold im Höhenflug – aber wie lange noch?

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Erst drei Mal hat es der Weltmarktpreis für eine Feinunze Gold (ca. 31 Gramm) in der Vergangenheit geschafft, die magische 2.000-US-Dollar-Marke zu knacken: Im August 2020, im März 2022 und zuletzt im April des laufenden Jahres – zu Jahresbeginn hatte das Edelmetall noch bei 1.820 US-Dollar notiert. 2020 und 2022 dauerte der Höhenflug nur wenige Tage, jeweils gefolgt von einer länger anhaltenden Abwärtsbewegung. Naturgemäß stellt sich Anlegern nun die Frage, ob auch das aktuelle Hoch nur von kurzer Dauer ist. Zu deren Beantwortung bietet sich ein Blick auf jene Faktoren an, die sich zuletzt stützend auf den Goldpreis auswirkten.

Einer der maßgeblichen Treiber der jüngsten Goldpreisrallye dürfte wie schon im ersten Corona-Jahr 2020 die antizipierte Funktion des Edelmetalls als „sicherer Hafen“ sein. Parallel zu den Turbulenzen im US-Bankensektor und der allgemeinen Volatilität an den Kapitalmärkten stieg der Goldpreis im vergangenen März um rund 8 Prozent. Die Sorgen vieler Marktteilnehmer mit Blick auf den US-Bankensektor scheinen sich mittlerweile zwar abgeschwächt zu haben; weiterhin bestehende geopolitische und konjunkturelle Risiken könnten die Goldnotierungen im Jahresverlauf 2023 jedoch weiter stützen.

Da Anleger in der Regel auf der Suche nach „sicheren Häfen“ die Chance auf Rendite nicht vollends außer Acht lassen, spielen auch die Zinserwartungen eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Goldpreises. Da Gold keine Zinsen abwirft, erzeugen steigende Zinserwartungen klassischerweise Gegenwind für das Edelmetall. Denn durch anziehende Marktzinsen erhöhen sich die Opportunitätskosten, also die potenziell entgangenen Zinserträge, die Anleger durch ein Investment in Gold statt am Zinsmarkt erleiden. 2022 hatten die Leitzinsanhebungen wichtiger Notenbanken daher den Goldpreis unter Druck gesetzt. Im Zuge der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor passten jedoch viele Marktteilnehmer ihre Zinserwartungen an und preisten zum Teil erste US-Leitzinssenkungen schon für den Sommer 2023 ein. Die Rendite von 2-jährigen US-Staatsanleihen, die in hohem Maße von geldpolitischen Erwartungen bezüglich des Leitzinses geprägt ist, fiel in der Folge von Anfang Februar bis Mitte März von 5,08 Prozent auf 3,55 Prozent, bevor sie sich bis zum 28. April auf 4 Prozent wieder leicht erholte.

Zwar scheint der genaue Zeitpunkt für eine Zinswende in den USA noch nicht entschieden; mit weiteren Zinserhöhungen seitens der US-Notenbank Fed wird jedoch nach einer für Mai erwarteten Zinsanhebung vorerst von vielen Marktteilnehmern nicht gerechnet. Verharrt die Inflation auf einem erhöhten Niveau und drückt so die Realzinsen (Nominalzinsen abzüglich Inflationserwartungen), könnte auch das den Goldpreis stützen.

Ein aktueller Treiber für den Goldpreis ist der US-Dollar, der durch die zuletzt gedämpften Zinserwartungen in den USA und die daraus folgende abnehmende Attraktivität verzinslicher US-Investments an Stärke eingebüßt hat. Ein schwächerer Greenback macht das in der Regel in US-Dollar gehandelte Gold für Käufer außerhalb der USA erschwinglicher – die Nachfrage steigt. Zu Beginn des Jahres hatte ein starker Dollar den Goldpreis noch deutlich belastet.

Ihre Bestände an physischem Gold bereits deutlich aufgestockt haben zuletzt die Notenbanken: Mit 1.136 Tonnen kauften sie im Gesamtjahr 2022 mehr als doppelt so viel an wie im Jahr zuvor. 2023 könnten die Notenbanken ihre Goldreserven zur Diversifikation weiter ausweiten. Auch die Goldnachfrage entsprechender Edelmetall-ETFs dürfte im Zuge des steigenden Interesses von Anlegern wieder zunehmen, nachdem die mit physischem Gold hinterlegten Papiere aufgrund der schwächelnden Goldnotierungen zu Beginn des Jahres noch Mittelabflüsse in Höhe von 1,7 Milliarden US-Dollar verzeichnet hatten. Einen Rückgang verzeichnete zuletzt auch die Nachfrage nach Goldschmuck, insbesondere in den Hauptabnehmerländern China und Indien. Hier könnte ein anhaltend starker Goldpreis die Nachfrage weiterhin dämpfen. Goldbarren und -münzen hingegen blieben vor allem in Europa und dem Nahen Osten gefragt.

Kurzfristig dürfte der Goldpreis nach wie vor stark von den Konjunkturerwartungen der Marktteilnehmer und der Entwicklung der Renditen beeinflusst werden. Die Deutsche Bank erwartet bis Jahresende 2023 keine weitere Schwächung des US-Dollar, während der Höhepunkt bei den US-Leitzinsen mit einer Spanne zwischen 5,25 Prozent und 5,50 Prozent bald erreicht sein könnte. Insgesamt dürfte das Preispotenzial auf 12-Monats-Sicht nach den deutlichen Zugewinnen in den vergangenen Wochen begrenzt sein. Seine Rolle als „sicherer Hafen“ im Zusammenhang mit den bestehenden geopolitischen Risiken sollte das Edelmetall jedoch nicht verlieren. Vor diesem Hintergrund könnten Anleger ihrem Portfolio etwas Gold beimischen. Dies jedoch weniger im Sinne eines Investments denn als Risikoabsicherung.

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Redaktionsschluss: 03. Mai 2023, 15 Uhr